Es ist wichtig, diese Vielfalt zu sehen ohne Beliebigkeit. Bilder und Metaphern müssen immer auch kritisiert werden dürfen – und sie dürfen auch verabschiedet werden, wenn sie ihre erschließende Kraft verloren haben.74 Was wir von Gott sagen können ist (hoffentlich) wahr und doch gleichzeitig unwahr. Dies gilt auch für die gewohnte Rede: Gott ist Vater. Wir sind gerufen, aus unserer Perspektive heraus von Gott als Gott zu sprechen, wissend, dass wir eine begrenzte, aber doch begründete Perspektive haben. Wir heutigen Menschen leben in der Geistesgegenwart, wir machen Erfahrungen mit Gott und den Menschen, die für die Verkündigung von größter Bedeutung sind. Metaphorisch zu denken und zu sprechen heißt ehrfürchtig zu sein vor dem Gott, der in den Offenbarungstexten begegnet und auch vor dem Gott, der in den Erfahrungen der Menschen darüber hinaus erscheint. „Beide [die Offenbarungstexte und die Erfahrungen der Menschen, A.F.L.] werden einander zum gegenseitigen Such- und Lesegerät der Wahrheit in der Wirklichkeit.“75 In einem sprechenden Bild beschreibt Herlinde Pissarek die immer wieder mögliche Erfahrung, dass Frauen zur eigenständigen Gott-Rede finden: „Mir scheint es jedes Frühjahr wie ein Wunder, dass trotz aller Luftverschmutzung, trotz aller Verseuchung des Bodens die langen, fahlgewordenen Gräser des vergangenen Herbstes, die zuerst noch – wie im Negativ – den Abdruck der Schneelast bewahren, dann aber binnen Tagen Raum geben, verschwinden unter den kühnen neuen Grasspitzen. Zugleich bringt das kräftige Gelb des Huflattich und die blauweißrosa Fülle der Leberblümchen es immer wieder fertig, das bleiche Braun des Vorjahrs zu erhellen.“76 Die Abwertung des Weiblichen und damit verbunden auch des Materiellen, der Natur, sind oft die Luftverschmutzung und Verseuchung des Bodens auf dem Frauen religiös wachsen. Aber all diese Verseuchung kann nicht das Austreiben der neuen Frühlingssaat, einer eigenständigen Gott-Rede von Frauen verhindern.
2.2.2.Gott-Rede im Indikativ
Wird Verkündigung gestaltet als Zuspruch oder als Anspruch?77 Wie wird das Wort und Handeln Gottes verkündet? In welcher Sprache – und damit verbunden in welcher Haltung – legen wir es aus?
Ottmar Fuchs greift auf die sprachlichen Formen des Indikativ und Imperativ78 zurück, er nimmt uns gewissermaßen mit in den Deutsch-Grammatikunterricht, um die Aussageabsichten des Verkündigens zu klären und zu steuern: Wenn wir das Handeln Gottes als Indikativ (und im Indikativ!) verkünden, dann verkünden wir es als zugesprochene Gegenwart. Verkünden wir die Botschaft als Imperativ, dann steht der Appell, die Aufforderung zum Tun und Verändern im Vordergrund. Wenn wir z.B. von der Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin sprechen, dann ist die entscheidende Aussage im Indikativ: So geht Gott jetzt mit uns Sünderinnen und Sündern um. Der erzählte Gott ist ja zugleich der lebendige Gott von uns gegenwärtigen Menschen! Erst auf der Basis dieses Zuspruchs von Sündenvergebung und Heilung ergibt sich (vielleicht) der Imperativ zur Umkehr in ein neues Leben hinein.
Verkündigung im Indikativ ist eine Konkretisierung dessen, was in der heutigen Theologie, speziell auch in der feministischen Theologie „Empowerment“, oder „Affidamento“ meint: das Zutrauen, dass die Zusage allein wirkt und Bedeutung erlangt. Es braucht nicht das „Vorkauen“ der Bedeutung, den Imperativ, auch nicht von (feministisch denkenden) Frauen.
Immer lässt sich ein Imperativ in der Verkündigung nicht vermeiden. Ein „Entweder – Oder“ ist vielleicht auch nicht notwendig, aber eine besondere Aufmerksamkeit ist erforderlich. Besonders wichtig ist der Indikativ dann, wenn von Gott (Jesus) gesprochen wird, wenn Gottes Handeln deutend ausgelegt wird. Alltäglich geschieht oft das Gegenteil: „Wie Gott barmherzig handelt, so sollen auch wir miteinander umgehen“. Wie vertraut ist dieser schnelle Schluss! „Indikativisch“ meint: Wie Gott sich in dieser Geschichte (bspw. um Israel) kümmert, so kümmert er sich jetzt um uns. Wenn diese Basis gesagt, bedankt und geglaubt ist, kann (prophetisch) Handeln eingefordert werden – wenn es denn notwendig ist… Die Geschichte von Laien und insbesondere von Frauen in der Kirche ist geprägt davon, dass in der Verkündigung immer sehr schnell der Imperativ zum Zug kam. Klassisch ist die Deutung der Verkündigungsszene, die den Schritt der Zusage überspringt (So groß handelt Gott heute an mir, so nahe will er mich bei sich, so wichtig bin ich für das Erlösungsgeschehen…) und gleich zum Imperativ geht: „Also seid demütig, gehorsam, nicht In-Frage-stellend,… wie Maria.“ Gerade wenn es darum geht, das Handeln Jesu oder das Handeln Gottes zu deuten, ist der Indikativ so bedeutsam, ist das Sprechen im Imperativ besonders gefährlich.
3.Ausblick: „Sister, carry on“ 79
Verkündigen ist das Hereinbitten in einen Raum, der von der Predigerin / vom Verkünder bereitet wird. Nicht mehr viele Menschen erwarten sich heute eine Begegnung mit dem Evangelium. Eine Erweiterung des „Angebots“ durch Verkündigungs-Räume, die von Laien und Frauen eingerichtet werden, ist eine logische Konsequenz, nicht nur eine markt-logische, sondern auch eine theo-logische! Wollen wir dem Auftrag Jesu gerecht werden, die frohe Botschaft allen Menschen zu verkünden, dann kann das Spektrum der Verkündenden bezüglich des Geschlechts, der verschiedenen Lebensformen und Lebensweisen gar nicht weit genug sein.
Alle Getauften sind beauftragt zur Verkündigung,80 derzeit haben aber nur wenige die Möglichkeit, diesen Auftrag als Prediger oder Predigerin zu verwirklichen. Das Spektrum der Lebenswelten, die beim Predigen betreten werden können, bleibt also schmal. Es sind vorwiegend zölibatäre Männer, die – bildlich gesprochen – in ihre Räume herein bitten.
Frauen sind heute – wegen der amtskirchlichen Entwicklungen hin zum Predigtverbot für Laien – oft verärgert, frustriert und resigniert. Dort, wo sich Möglichkeiten auftun, dennoch zu predigen, wollen sie oft nicht mehr. Diese Haltung ist nachvollziehbar. Die Hoffnung ist, dass Frauen ihre Berufung zur Verkündigung nicht auf die Predigt fixieren, sondern neue Orte in den Blick nehmen: Medien, Feste, Rituale zu Lebenswenden, etc. Und: Wenn sich die Möglichkeit zur Predigt ergibt: „Sister, carry on!“
Literatur
Fuchs, Ottmar, Verkündigung, in: Herbert Haslinger (Hg.), Handbuch Praktische Theologie. Bd. 2 Durchführungen, Mainz 2000, 422-438.
Keel, Othmar, Ansprache anlässlich der Vernissage der Ausstellung „Gott weiblich“, in: Alexandra Bauer / Angelika Ernst-Zwosta (Hg.), „Gott bin ich und nicht Mann“. Perspektiven weiblicher Gottesbilder, Ostfildern 2012, 9-16.
Metz, Johann Baptist, Gotteskrise. Versuch zur „geistigen Situation der Zeit“, in: Ders. (Hg.), Diagnosen zur Zeit, Düsseldorf 1994, 76-92.
Papst Paul VI., Apostolisches Schreiben „Evangelii nuntiandi“, 8. Dezember 1975.
Pissarek-Hudelist, Herlinde, Was mir Kraft gibt, in: David / Jugendzeitung der KJ Tirol 2 (1989) 6.
Rahner, Karl, Weihe des Laien zur Seelsorge, in: Zeitschrift für Aszese und Mystik 11 (1936) 21-34. (Aufgenommen in: Schriften zur Theologie, Bd. 3.)
Sölle, Dorothee, Vorwort, in: Carola Moosbach, Gottflamme Du Schöne. Lob- und Klagegebete, Gütersloh 1997.
Stenger, Hermann, Kompetenz und Identität. Ein pastoralanthropologischer Entwurf, in: Ders. (Hg.), Eignung für die Berufe der Kirche. Klärung – Beratung – Begleitung, Freiburg/Br. 1988, 31-133.
Wustmans, Hildegard, Wenn Gott zur Freundin wird… (Würzburger Studien zur Fundamentaltheologie), Frankfurt/M. 1993.
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