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Wie heute predigen?


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Begriff der Verkündigung – er bezieht sich nur mehr auf das Wort, das Gesprochene / Geschriebene - ist immer noch ein sehr weiter: das Bibelgespräch, die Leitung des Elternabends, der Artikel in der Zeitung, all das sind Orte von Verkündigung und es gibt noch viele mehr. Die Predigt ist ein prominenter Ort in diesem weiten Spektrum. Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf das gesamte Spektrum der Wort-Verkündigung.

       1.2.„Geschlechtersensibel verkündigen“ – nicht nur „feministisch predigen“

      Ich vermeide hier den Begriff der „feministischen Predigt“, weil es mir im Folgenden eben nicht nur um das Predigen geht. „Geschlechtersensibel verkünden“ meint einen umfassenden Vorgang, der jede Art von Verkündigung betrifft. Es geht um die Wahl der Inhalte, die Gestaltung der Sprache, die Reflexion der eigenen Haltung und Rolle, die Auswahl von Bildern, Texten und Kunstobjekten, die Gestaltung einer Liturgie, eines Rituals u.v.m. „Verkündigung – geschlechtersensibel“ und „Verkündigung – feministisch“ sind Begriffspaare, die, wenn sie zur Literatursuche eingegeben werden, nur wenige Treffer hervorbringen. Der Terminus „Verkündigung“ kommt nicht häufig vor in der feministischen Theologie.67 Sehr wohl werden aber einzelne Aspekte der Verkündigung von feministischen Theologinnen bedacht. Besonders breit entfaltet ist der Diskurs zur (Verkündigungs-)Sprache. Dieses Thema soll auch in meinem Artikel entsprechenden Raum bekommen (siehe: 2.2 „Aufmerksamkeit für die Verkündigungssprache“). Darüber hinaus werde ich aber auch eine Überlegung einbringen (siehe: 2.1 „Aufmerksamkeit für die drei Ebenen des Glaubens und der Verkündigung“), die der Reflexion über Sprache noch vorausliegt.

       1.3.„Raum bereiten für die Begegnung mit dem Evangelium“

      Auf der Suche nach einer Klärung dessen, was inhaltlich mit dem Wort „Verkündigung“ gemeint ist, begegnet heute oft die Kurzformel „Kommunikation des Evangeliums“68 Mein Vorschlag einer Definition lautet: „Raum bereiten für die Begegnung mit dem Evangelium.“ Der Vorgang der Glaubensverkündigung ist vergleichbar dem Hereinbitten von Menschen in einen von mir gestalteten Raum. Einen Raum, der geprägt ist von der Tradition, in der ich stehe, von meiner Person und auch davon, welche Menschen ich als Gäste erwarte.

      „Begegnung mit dem Evangelium“ bringt zum Ausdruck, dass es um eine Dynamik zwischen drei gleichwertigen Polen geht, zwischen dem Evangelium, dem Leben von ZeitgenossInnen und meinem eigenen Leben. Alle Pole müssen gleich gut gekannt und studiert werden. Eine solche Begegnung kann immer nur anvisiert werden, nicht arrangiert. Deshalb also meint „Raum bereiten“: Im Wissen, wer den Raum betreten und beleben soll, wird er entsprechend ausgewählt, eingerichtet und gestaltet. Ziel ist, dass sich in diesem Raum Beziehung ereignen kann zwischen einem Glaubenssymbol (Text, Metapher, biblische Gestalt,…) und Menschen.

       2.Wie gelingt geschlechtersensible Verkündigung?

       2.1.Aufmerksamkeit für die drei Dimensionen des Glaubens und der Verkündigung 69

      Jedes Glaubenssymbol, sei es ein Verkündigungsthema, ein biblischer Text, ein liturgischer Vollzug, ein Festgeheimnis, etc. wirkt auf die Menschen, die damit in Kontakt kommen, auf dreifache Weise bzw. in drei Dimensionen: 1. Die individuell-existenzielle Dimension, 2. die religiös-numinose Dimension und 3. die Glaubensdimension.

      Menschen werden, wenn sie mit Religion und Glaube in Kontakt kommen, auf unterschiedliche Weise bewegt. Verschiedene Seiten kommen dabei zum Schwingen: Es gibt eine Berührung auf der individuellen, existenziellen Ebene, eine andere Berührung auf der religiös-numinosen Ebene und eine dritte auf der spezifisch christlichen Ebene. Wenn ich während des Advents täglich zur Rorate gehe, dann ist das auf der ersten Ebene ein wohltuendes Ritual, das in der dichten Zeit des Dezember mir dabei hilft, geordnet und gestärkt jeden Tag zu beginnen. Auf der zweiten Ebene verbindet mich das Licht, die Musik und der Weihrauch mit der Zuversicht, dass die Dunkelheit keine Macht über uns gewinnt, der Vollzug der Liturgie insgesamt vermittelt eine Verbindung unserer irdischen Sphäre mit der des Himmels. Auf der dritten Ebene erinnere ich mich an die biblischen Verheißungen des Kommens des Messias, vergegenwärtige die Erfüllung dieser Verheißung in Jesus Christus und vollziehe gemeinsam mit den anderen die Feier seines Lebens, Sterbens und der Auferstehung.

      Glaube wirkt (will wirken) auf allen Ebenen, in allen Dimensionen.70 Entsprechend wirkt auch jede Verkündigung, gewollt oder ungewollt, auf allen Ebenen! Eine Verkündigung, die nur auf die Glaubensebene setzt, läuft Gefahr, dass der christliche Glaube erfahren wird als Ansammlung von Glaubenssätzen und moralischen Vorschriften, gewissermaßen als Skelett ohne Fleisch. Oft besteht die Gefahr, dass die anderen Dimensionen ausgehungert oder mit zwiespältigen und negativen Empfindungen aufgeladen werden.

      Das Wissen um die drei Verkündigungs-Dimensionen hat Konsequenzen auch für eine geschlechtersensible Verkündigung: Egal was wie verkündet, gesagt und vollzogen wird, es durchfließt den ganzen Menschen und wirkt in allen Dimensionen. Erforderlich ist eine Reflexion, welche Ebene ich als Verkünderin besonders gerne „bediene“ und was ich damit auf den jeweils anderen Ebenen mit auslöse. Wird an Ostern vorwiegend die therapeutisch-humane Dimension betont, dass Auferstehung im Alltag geschieht, wenn aussichtslose Verquickungen und Schuldverstrickungen nicht gezwungenermaßen ins Desaster führen, dann ist eine Rechenschaft darüber notwendig, was damit auf den anderen Ebenen mitausgesagt ist. Ziel jeder Verkündigungspraxis soll sein, dass ich als Verkünderin bewusst alle Dimensionen einbeziehe, sei es in Worten oder in Vollzügen.

      Zum Abschluss dieser Überlegungen möchte ich noch ein Augenmerk legen auf die Verkündigung rund um Maria. Aus geschlechtersensibler Perspektive braucht dieses Verkündigungsfeld eine besondere Aufmerksamkeit, hat doch die marianische Verkündigung über Jahrhunderte hinweg die christliche Vorstellung der Geschlechterordnung geprägt und Einfluss genommen auf die Gestaltung vieler Frauenleben. Gerade die vier Marien-Dogmen71 und deren Verkündigung spielen eine wichtige Rolle. Meines Erachtens ist hier zu beobachten, dass sich die Verkündiger kaum Rechenschaft darüber gegeben haben, was die verkündeten Inhalte bei den Zuhörerinnen auf der individuell-existenziellen Ebene bewirkt haben und bewirken.

       2.2.Aufmerksamkeit für die Verkündigungssprache

      2.2.1.Von Gott in Metaphern sprechen

      Die Sprache, die für Gott gefunden wird, die Gottesnamen im Speziellen, geben einerseits Auskunft über die (implizite) Theologie der Sprecherin / des Sprechers, andererseits prägen sie auch die Gottesvorstellung der Sprechenden und Hörenden. Die Bedeutung der Sprache, der Namen, die für Gott gefunden werden, ist eine essentielle, keine oberflächliche. Auch prägt sie nicht nur die Gottesvorstellung der einzelnen, sondern bildet ab und beeinflusst auch das Verständnis von Gemeinschaft. In einer hierarchisch / patriarchal verfassten Gemeinschaft wird die Anrede Gottes als „Herr“ vermutlich unwidersprochen sein. Regt sich Widerstand gegen diesen Gottesnamen so wird dies ein Zeichen sein für Aufbruch und Veränderung in den Strukturen des Zusammenlebens. Es gibt keine sichere, universal gültige Rede von Gott. Bereits im vierten Laterankonzil wurde lehramtlich festgehalten, dass alles das, was wir über Gott wissen und von ihm aussagen können, Gott mehr unähnlich ist als ähnlich. Diese alte philosophisch / theologische Überzeugung vergisst sich so leicht im Alltag der Verkündigung. Die Bezeichnungen und Bilder, mit denen wir über Gott sprechen, wiederholen sich oft. Die Beharrlichkeit, mit der von Herr, Herrscher und Vater gesprochen wird, ist also nicht nur aus feministischer Perspektive fraglich. Kein Name, keine Zuschreibung stimmt ganz. Für die Verkündigung bedeutet dies, dass möglichst offene Bezeichnungen gewählt werden sollen (also nicht nur personale Anreden!) und auch, dass immer wieder abgewechselt wird und so einer Fixierung und Engführung in der Vorstellung des Göttlichen entgegen gewirkt wird.72 Wir sind oft unbedacht in dem, wie wir über Gott reden. Das wird Gott nicht gerecht, und auch nicht den Menschen in ihren so verschiedenen Lebenssituationen.