dass es nicht nur um eine Vermittlung von Inhalten geht, die von Bibelwissenschaften, Dogmatik etc. vorgegeben werden. Es geht um das gemeinsame Suchen und Ringen nach Sinn und Bedeutung jener „großen Begriffe“, die die Theologie von jeher umtreiben, wie zum Beispiel Menschwerdung, Erbsünde, Schuld und Sünde, Gnade, Auferstehung, Ewiges Leben, Heil etc. Erschließende Kraft erhalten diese Begriffe dann, wenn sie durch das Prisma der eigenen Existenz laufen und auf ihre Bedeutung hin geprüft werden. Jene, die im Dienst der Verkündigung stehen, sind gefordert, mit ihrem eigenen Leben Rechenschaft darüber zu geben, ob diese Worte etwas erschließen können, ob sie Türen öffnen können für den zu bewältigenden Lebensweg. Die Kunst zu predigen bedeutet dann in einem zweiten Schritt, in einer bestimmten Präsenz und Ästhetik, die Sprache, Form und Körper mit einschließen, von diesem Erschließungsphänomen zu sprechen und zwar so, dass die Worte bei den HörerInnen landen können: intellektuell, emotional und kinästhetisch.
2.2.Die Verkündigung durch Personen anderer Muttersprache
Verkündigung hat den Anspruch, verstanden zu werden – und zwar inhaltlich wie auch in der Sprachform. Eine spezifische Herausforderung stellt daher die Verkündigung durch Personen dar, die aus anderen Kulturkreisen kommen. Sich in einer anderen Sprache als der Muttersprache zu verständigen, erfordert einen hohen Aufwand und ist bisweilen schwierig: Es geht dabei nicht nur darum, die richtige Aussprache und die richtigen Worte zu finden; um verstanden zu werden, braucht es eine intensive Übersetzungsarbeit in die anderen kulturellen Gegebenheiten. Übersetzungsarbeit gehört zum Kern jeder Verkündigung: denn auch die Bibel, das Evangelium, ist in einer anderen Sprache, die nicht unsere Muttersprache ist, verfasst. Die Übersetzungsarbeit des Evangeliums ist aber selbst am Ursprung der Verkündigung der Kirche angesiedelt.
Was jedoch von Verkündigenden anderer Muttersprache verlangt wird, ist eine doppelte Übersetzungsarbeit: Zum einen, die Botschaft des Evangeliums in die heutige Zeit, in die Situationen der Menschen zu übersetzen – und dann auch noch in die Sprachwelt der jeweiligen anderssprachigen Gemeinden. Das ist ein mühevoller Prozess, gerade zu Beginn, aber er kann auch zu wechselseitigen Entdeckungen führen. Sprachdifferenzen, andere Übersetzungsweisen und fremdklingende Wortformatierungen verlangen Auslegungsprozesse und Deutungen. Damit diesen ein Befreiungscharakter zukommt, ist in erster Linie Respekt erforderlich – Achtung vor der jeweiligen Kultur, Sprache und Biografie.
2.3.Neue pastorale Räume / Pfarrverbände
Die gegenwärtigen Umbrüche in der pastoralen Organisationslandschaft haben auch Auswirkungen auf die Verkündigung. Neue Strukturen führen dazu, dass die Priester immer weniger in einer einzelnen Pfarre bzw. Gemeinde verwurzelt und beheimatet sein können. Das Mitleben mit diesen Gemeinden nimmt ab, wodurch es schwieriger wird, in der Predigt auf konkrete Ereignisse Bezug zu nehmen. Verkündigung und pastorale Präsenz im Alltagsleben der Menschen klaffen damit immer weiter auseinander.
Priester mit mehreren Pfarrkirchen stehen dann an jedem Sonntag vor der Herausforderung, nicht nur für eine, sondern für mehrere oft sehr unterschiedliche Gemeinden eine Predigt vorzubereiten. Das aber bedeutet, dass sie entweder eine eher allgemein gehaltene Predigt halten – oder mehrere unterschiedliche Predigten vorbereiten müssen, was nicht nur zeitlich schwierig ist. Nicht selten kommt es vor, dass in einer Pfarre der normale Sonntagsgottesdienst zu feiern ist, in der anderen z.B. ein Kinder- oder Familiengottesdienst.
Eine Chance in diesen neuen Strukturen liegt darin, dass nicht mehr nur die Priester den Verkündigungsdienst in den Gottesdiensten wahrnehmen. Verkündigung geschieht vermehrt auch in Wortgottesfeiern bzw. Wortgottesdiensten, in Andachten und Segensfeiern, die von Diakonen, von Wortgottesdienst-LeiterInnen, von KatechetInnen und ReligionslehrerInnen vorbereitet und geleitet werden, verbunden mit der Verkündigung innerhalb dieses Gottesdienstes.
2.4.Unterschiedliche Predigtsituationen
Nicht nur der Wandel der gesellschaftlichen Umstände hat einen großen Einfluss auf die Predigt, sondern auch die unterschiedlichen Situationen, in denen gepredigt wird. Das gilt nicht nur für die Kasualpredigten, sondern auch für die Predigten an Sonntagen, überhaupt für jene Orte von Verkündigung, die an den kirchlichen Randzonen stattfinden.
PredigerInnen benötigen ganz unterschiedliche Kompetenzen und Begabungen. Neben einer sehr guten Kenntnis der auszulegenden Bibelstellen brauchen sie auch eine sehr gute Kenntnis der Menschen und der Gottesdienst-Kontexte. Erforderlich sind somit theologisches Fachwissen, eine achtsame Wahrnehmungssensibilität in Bezug auf menschliche Lebensrealität und ein bestimmtes ästhetisches Empfinden hinsichtlich Raum und Liturgie. Die Schriftpredigt erfordert exegetisches und systematisches Know-how. Das alleine genügt jedoch nicht. Die Archive der Tradition müssen aufgesprengt werden und sich in das Heute hinein verflüssigen. Es braucht die Berührung mit den Fragen und Sehnsüchten, Hoffnungen, Zweifeln und Ängsten der Menschen. Wer keine Ahnung hat davon, was Frauen, Männer und Kinder heute umtreibt, welchen Phänomenen sie ausgesetzt sind und was sie erwünschen und ersehnen, kann das Evangelium nicht so verkünden, dass es befreiende Kraft hat. Eine Predigt ist immer auch in den liturgischen Kontext eingebettet, manifestiert sich nicht jenseits von Raum und Atmosphäre– weshalb ein Gespräch zwischen HomiletikerInnen und LiturgikerInnen zur Predigt ein (meist noch unerfülltes) Desiderat darstellt.
Auf der anderen Seite gehört zur Situation der Predigten auch das geänderte Hörverhalten der Gottesdienst-TeilnehmerInnen, dem die Predigt Rechnung zu tragen hat. Die HörerInnen sind nicht passive RezipientInnen, die auf die Worte der Verkündigung angewiesen sind. Sie haben bereits selbst eine Geschichte mit Gott, sie sind mündig, kritisch, herausfordernd und sehnsüchtig. Die HörerInnen haben echte Fragen, wollen keine Mittelmäßigkeit, sie haben ein Recht auf Klarheit, Präzision und Authentizität.
3.Neue Ansätze in der Predigtausbildung
Frauen und Männer für den Dienst der Verkündigung vorzubereiten, erfordert angesichts der veränderten Predigtsituationen auch neue Formen der Ausbildung. In den letzten Jahren haben sich in den diversen Predigtwerkstätten spezifische Ansätze herausgebildet, von denen exemplarisch zwei im Folgenden kurz dargestellt werden.
3.1.„Werkstatt Wortverkündigung“
Die über viele Jahre unter der Federführung von Rolf Zerfaß äußerst erfolgreich konzipierten und durchgeführten „Predigtseminare“5 sind seit etlichen Jahren in unseren eigenen Lehrstätten unter dem Titel „Werkstatt Wortverkündigung“ adaptiert und zum Teil neu entwickelt worden.6 Das Konzept von Zerfaß verfolgte eine kreative und interaktive Methode, welche die Arbeit in Kleingruppen unter der Begleitung von Tutores, sowie konkrete Praxisauftritte (Predigt in Gottesdiensten) forcierte.
Die „Werkstatt Wortverkündigung“ stellt den ersten Teil eines Gesamtkonzeptes von verkündigungsorientierter Redeausbildung bzw. -weiterbildung dar und erfährt nach dem Studium eine Fortsetzung in der Predigtausbildung im Rahmen des „Pastoralpraktikums“ sowie im Rahmen eines fünfjährigen Weiterbildungsprogramms der Diözese Graz-Seckau für kirchliche MitarbeiterInnen.
Somit hat diese Werkstatt nicht mehr nur bzw. primär die Predigt im Gottesdienst als Ziel, sondern will einen Raum kreativen Übens schaffen, in dem Studierende ihre personalen Rede- und Verkündigungskompetenzen erfahren und selbstständig praktizieren können. Im Wechselspiel von Theorie- und Praxissequenzen erproben sie das Konzipieren und Praktizieren einer Rede und lernen kontextbezogenes und situationsgemäßes Sprechen zu analysieren.
Diese Form des Lernens erfordert sowohl die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen theologischen Fächern (z.B. Bibelwissenschaften, Liturgiewissenschaft, Pastoralpsychologie etc.) als auch den überfakultären Austausch mit anderen pädagogischen bzw. kommunikationswissenschaftlichen Fächern.
Gemäß