Gerhard Friedl

Was bringt mir das?


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Wer nicht über den Bergkamm steigt, gelangt nicht in die Ebene. ◄ Aus China

      Der Ursprung des Wortes »Motivation« liegt im lateinischen movere, bewegen. Der Begriff »Motor« hat dieselben Wurzeln. Ein Motor ist etwas, was in Bewegung setzt. »Motivation ist jener innere Prozess, der durch etwas Bewegendes hervorgerufen wird« (Längle, 2013a, S. 201). Dieses Bewegende ist ein Motiv, das positiv oder negativ besetzt sein kann. Motive sind Komponenten der Selbststeuerung, die eine Bedürfnisbefriedigung ermöglichen.

      Nach Edelmann wird die Bedeutung der Motivation beim Lernen oft unterschätzt (Edelmann, 2000, S. 240). In der Praxis habe ich allerdings den Eindruck gewonnen, dass Ausbildungspersonen sehr wohl um die große Bedeutung von Motivation wissen oder sie zumindest erahnen. In den Gesprächen von Lehrpersonen untereinander ist viel und oft die Rede von Motivation. Wenn die Lernergebnisse nicht so gut sind, wird auf die mangelnde Motivation der Lernenden verwiesen. Manchmal zu Recht, manchmal hat auch das didaktische Design der Lehrperson nicht die erhoffte Wirkung erbracht. Motivation ist für Lehrpersonen ein zentraler Begriff. Denn die Motivation der Lernenden ist ein wichtiger Faktor, der das Lernergebnis, aber auch die Atmosphäre in einer Lerngruppe stark beeinflusst (weitere Faktoren wie Begabung, Lernstile, Vorwissen, Zugriff auf Lerntechniken, Unterrichtsstil der Lehrperson, Beziehung zur Lehrperson, Gruppendynamik, Lerngefäße und Methoden können ebenso wichtig für den Lernerfolg sein).

      Es gibt zwei universelle Charakteristiken, die das motivierte Handeln des Menschen prägen: 1. etwas bewirken wollen und 2. ein Ziel erreichen wollen oder sich von einem Ziel distanzieren (vgl. Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 1).

      Diese nicht nur in unserem Kulturkreis geltenden Prämissen stehen hinter jedem menschlichen Handeln. Wenn ich Hunger habe, will ich bewirken, dass ich keinen Hunger mehr habe, und entwickle das Ziel, eine Pizza zu kaufen. Beim ersten Take-away stelle ich nun fest, dass sie mit vierzig Zentimetern Durchmesser zu groß für meine Vorstellung einer Idealfigur ist und mit zwanzig Franken zu teuer für meine finanziellen Möglichkeiten. Somit distanziere ich mich vom Ziel, die Pizza in diesem Take-away zu kaufen. Ich entwickle ein neues Ziel und kaufe bei einem Großverteiler eine Tiefkühlpizza, die kleiner und vor allem viel günstiger ist, und mache sie im Mikrowellenofen bereit für den Verzehr.

      Dieses Beispiel soll nicht nur die beiden genannten Charakteristiken motivierten Handelns verdeutlichen, sondern auch aufzeigen, wie die Handlungssteuerung funktioniert. Wir Menschen haben ein inneres, oft implizites Wertesystem, das unsere Motivation beeinflusst und damit das Handeln steuert. Im Beispiel sind es Vorstellungen zur Körperfigur und eine Idee, ab wann eine Pizza »teuer« ist. Solche Werte bestimmen mit, was ich bewirken und welche Ziele ich verfolgen will, aber auch, welche Ziele an Bedeutung verlieren und nicht mehr verfolgt werden. Werte spielen in der Existenzanalyse eine sehr zentrale Rolle, die im Rahmen der zweiten Grundmotivation näher erläutert werden.

      Für die Ausbildungssituation

      Jede Ausbildung können wir in einen Makro- und einen Mikrobereich unterteilen. Der Makrobereich umfasst das übergeordnete Ziel eines Lehrgangs oder eines Kurses, der an mehreren Tagen, Abenden oder an einem Tag stattfindet. Der Mikrobereich umfasst die konkrete didaktische Planung für die einzelnen Themen, Module, Ausbildungstage oder für einzelne Lektionen. Somit kann es für Teilnehmende in einer Ausbildungssituation verschiedene Motivationsebenen geben. Sie sind zum Beispiel im Rahmen eines zweijährigen Lehrgangs für Marketingfachleute für den Abschluss mit dem Fachausweis sehr motiviert (Makroebene), für das gerade aktuelle Fach Statistik (Mikroebene) aber nicht. Der Grund kann Überforderung sein oder auch, dass Statistik für die aktuelle berufliche Tätigkeit keine Relevanz hat. Oder in einem eintägigen Kurs zum Thema »Sitzungsleitung« sind alle gut motiviert und wollen lernen, Sitzungen besser zu leiten. Wenn dann aber die Ausbildungsperson ein Thema mit einem Rollenspiel bearbeiten will, sinkt die Motivation bei einzelnen Personen, weil sie sich mit dieser Methode unbehaglich fühlen.

      In Ausbildungssituationen haben wir es mit Menschen zu tun, die mit dem Erwerb von neuem Wissen in ihrem Leben etwas bewirken wollen. In unseren Beispielen kann es um eine berufliche Verbesserung und um mehr Lohn gehen bzw. darum, eine Sitzung effizienter leiten zu können. Daraus lassen sich Ziele ableiten: eine Prüfung bestehen, sich ganz spezifisches Wissen oder spezielle Fähigkeiten aneignen. In der Regel sind die Inhalte und Ziele in Lehrplänen festgelegt, und die Lernenden müssen diese mehr oder weniger akzeptieren – nach dem Motto: Vogel friss oder stirb. Allerdings kann man davon ausgehen, dass jemand, der sich für einen Lehrgang angemeldet hat, auch mit den Themen und Inhalten einverstanden ist. Trotzdem fragt es sich, ob es für die Hebung der Motivation nicht förderlich wäre, die Lernenden bei der Festlegung von inhaltlichen Schwerpunkten mitwirken zu lassen. Denn sie sind eingebettet in ein berufliches und/oder privates Umfeld, das ganz spezifische Anforderungen an sie stellt. Daraus können sich innerhalb einer Lerngruppe unterschiedliche Bedürfnisse ergeben. Die Lernenden können so neben den offiziellen Zielen einer Ausbildung auch individuelle Entwicklungsziele formulieren. Dies wäre ganz im Sinn des zweiten Charakteristikums für das motivierte Handeln von Menschen: Die Lernenden wollen Ziele erreichen.

      Grundsätzlich liegen aller Motivation folgende Gemeinsamkeiten zugrunde (vgl. Längle, 2013a, S. 202):

      Damit sich ein Mensch motiviert fühlen kann, braucht es ein persönliches Angesprochensein. Es muss den Menschen etwas angehen, er muss sich berührt oder betroffen fühlen. Er muss bewusst erfassen, dass ein Thema im Unterricht etwas mit ihm zu tun hat. Ein übergeordnetes Unternehmensziel muss auch eine persönliche Bedeutung für die Mitarbeitenden haben, wenn das Ziel eine Wirkung haben soll.

      Eine Motivation ist immer mit einer Emotion und damit auch mit einem Wert verknüpft.

      Es braucht eine grundsätzliche Motivationsbereitschaft, damit Motivation überhaupt entstehen kann.

      Die Hintergrundmotive sind vielfältig, vernetzt und stehen miteinander im Zusammenhang.

      Das Resultat einer Handlung, das sich aus einer Motivation ergibt, ist grundsätzlich offen. Aus Resultaten lassen sich keine kausalen Rückschlüsse auf Motive ziehen, und umgekehrt ist es nicht möglich, aus Motiven Resultate vorherzusagen.

      Ein Motiv ist immer etwas, was subjektiv als positiv erlebt wird.

      Wenn also Lernende im Unterricht in Richtung ganz bestimmter Lernziele in Bewegung gebracht werden sollen, müssen sie als einmalige Person erreicht werden. Im Weiteren brauchen Lernende Zeit, um herauszufinden, welche Aspekte eines Themas für sie persönlich relevant sind. Wichtig erscheint mir auch, dass Lehrpersonen eine Ergebnistoleranz haben und offen sind für die manchmal recht eigenwilligen Sinnkonstruktionen der Lernenden. Lehrpersonen müssen ihre eigenen Bilder und Vorstellungen zu einem Thema zugunsten der Bilder und Vorstellungen der Lernenden zurückstellen können. Weiter erscheint mir eine große Gelassenheit als Lehrperson unabdingbar. Gelassenheit ist nicht zu verwechseln mit Gleichgültigkeit. Ein gelassener Mensch kann die eigenen Vorstellungen zu einem Thema loslassen, zeigt aber weiterhin Interesse an anderen Menschen und fragt nach, wie sie zu ihrer Vorstellung gekommen sind.

      Die Frage ist, ob es so etwas wie Demotivation gibt. Zu Demotivation kann es tatsächlich kommen. Es kann eine Veränderung der Motivation eintreten. Motivation definiert sich immer gegenüber von etwas: einem Projekt, einem Vorhaben, einer Aufgabe oder gegenüber einem Thema im Unterricht. Umgangssprachlich sagen wir ja auch: »Ich bin für dieses Thema sehr motiviert.« Möglicherweise entwickelt sich das Thema dann nicht wie erhofft, und die Motivation erlischt. Oder Lernende können keinen Bezug zu ihrer Praxis herstellen, sehen nicht, wozu sie etwas lernen sollen. Dann tritt Demotivation ein. Oder der Lernende hat erfahren, was er wollte, und seine motivationale Energie richtet sich wieder auf etwas anderes aus. Demotivation kann aber auch eintreten, weil die Bereitschaft und Antriebskraft eingeschränkt