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Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen


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hier nur sehr summarisch – und begrenzt auf das Kleinkindalter – Freuds psychoanalytische Sichtweise als Basis von Lore und Fritz Perls’ Überlegungen definiert werden.

      Die weiteren angeführten Entwicklungstheorien (ebenfalls begrenzt auf das Kleinkindalter) sollen einen kurzen Überblick über nachfolgende und teils ergänzende Konzepte bieten.

      Klassische Einteilung nach Freud als Grundlage für das Entwicklungskonzept in der Gestalttherapie

      Sigmund Freud (1856-1939), Gründer der Psychoanalyse, hob in seinen theoretischen Abhandlungen zur klassischen Psychoanalyse jene Triebe hervor, die die kindlichen Erfahrungen organisieren, ordnen und färben. Bezüglich der seelischen Entwicklung unterschied er 1920 die einzelnen Phasen nach der vorrangigen Quelle der erlebten Lust:

      1. Die orale Phase (0-1a)

      Das Kind erlebt eine Mundwelt, Reize werden über Mund und Haut wahrgenommen und erste Abgrenzung gelingt dadurch. Hautkontakt ist lebensnotwendig, eine fixe Bezugsperson ebenfalls, damit die Entwicklung von Urvertrauen gelingt. Die Voraussetzung für Bindungsfähigkeit wird hier gesetzt sowie für Gewissensbildung und Verantwortlichkeit, für Lern- und Leistungsfähigkeit.

      2. Die anale Phase (1-3a)

      Ausscheiden und Zurückhalten sind die zentralen Themen. Der Grundstein für Selbstständigkeit, Durchsetzungsvermögen und Produktivität wird hier gelegt. Ein Lernziel ist, Grenzen anzuerkennen. Das Kind erprobt sich im Widerspruch gegen ein »Nein« und lernt, es allmählich zu akzeptieren oder weiter zu verhandeln. Unsicherheit und Inkonsequenz auf Seiten der Eltern/ Bezugspersonen machen die Kinder unsicher und fördern ein ständiges, neuerliches Kontrollieren dieser Grenzen durch die Eltern. Werte und Normen der Eltern werden übernommen. Die Grundeinstellung zu Besitz und Neid wird geprägt.

      Piagets Entwicklungsstufen

      Bei Jean Piaget (1896-1980), Schweizer Professor für Psychologie, Soziologie und Philosophie, sind es die Handlungen im explorativen Umgang mit dem Objekt, die Sinnesempfindungen in der frühen Entwicklung hervorrufen und in der Folge in Schemata organisiert werden. So ermöglichen sie eine bestimmte Art des Erfassens und Erfahrens der Welt. Die Entwicklungsstufen zeigen den uns angeborenen Plan, sich von einem unreifen, infantilen zu einem reifen Stadium zu entfalten, wobei die einzelnen Stadien einer biologischen Zeitkomponente zugeordnet sind.

      Entwicklungsstufen der Intelligenz (1936):

      1. Stufe der sensomotorischen Intelligenz (bis 2a)

      Bildet die Vorstufe der Intelligenz. Es liegt hier ein enges Zusammenspiel von Wahrnehmung und Motorik vor. Durch Greifen lernt das Kind verschiedene Qualitäten kennen, es lernt, dass Verhaltensweisen bestimmte Reaktionen haben – »Begreifen durch Greifen«. Die Motorik zu fördern bedeutet zugleich, die Intelligenz zu fördern.

      Mit dem Begriff »Werkzeugdenken« ist gemeint, dass das Mittel (zum Zweck) zum Ziel führt. Kinder lernen aus Erfahrung und durch »Versuch und Irrtum«.

      Durch Bewegung wird der Zahlenbegriff begründet. Und die Objektpermanenz (Gegenstände existieren weiter, auch wenn sie nicht sichtbar, hörbar oder fühlbar sind) wird zwischen dem 9. und 12. Lebensmonat erreicht.

      2. Vorbegrifflich-symbolisches Denken (2-4a)

      Beginn der Intelligenz.

      Ein systematisches Erlernen der Sprache findet statt. Sprache wird als Zeichensystem gesehen – das Kind lernt, zwischen dem, was bezeichnet wird, und der Bezeichnung selbst zu unterscheiden. Erste Überbegriff e, Verallgemeinerungen und Abstraktionen sind möglich.

      Das Kind denkt ausschließlich egozentrisch und kann sich noch nicht in die Lage anderer versetzen. Das Spiel ist symbolisch – Gegenstände werden nach Bedarf umgedeutet und sie werden vermenschlicht, was auch zur Aggressionsabfuhr dient (z.B. beim Anstoßen an eine Tischkante wird der Tisch zum Schuldigen, wie etwa: »Du blöder Tisch, du!«)

      Für das Kind hat alles einen Zweck, es muss alles zu erklären sein (die Zeit der Warum-Fragen). Und Kinder unterliegen in dieser Entwicklungsphase dem magischen Denken – sie sehen in unbelebten Gegenständen Belebtes, was oft auch Angst macht (z.B. »Das Klo will mich fressen; der Tisch, an dem ich mir weh tue, ist böse.«).

      Die entworfenen Entwicklungsstufen können laut Piaget auch verlangsamt oder nicht erreicht werden; darauf, wie und warum sie nicht erreicht werden, wird kaum eingegangen.

      Eriksons Psychosoziale Phasen

      Nach Erik Erikson (1902-1994), ein aus Deutschland stammender Kinderpsychoanalytiker, ab 1936 in den USA lebend, sind es psychosoziale Modalitäten, die das organisierende Prinzip bilden, aus dem heraus der Mensch sich selbst und die Welt erfährt und ordnet. Erikson unternahm den einflussreichen Versuch, die beschränkenden Termini Freuds hinter sich zu lassen und Familie und Kultur in sein anthropologisches Bild von Entwicklung einzubeziehen (vgl. McConville & Wheeler 2002).

      Eriksons psychosozialen Phasen (1950) für das Kleinkindalter:

      1. Oral-sensorische Phase / Vertrauen – Misstrauen (1. Lj)

      Das Urvertrauen wird durch Zuwendung und sichere Erfüllung der Bedürfnisse erlangt, Hilflosigkeit entsteht bei dem Gefühl, die Umwelt nicht beeinflussen zu können (siehe auch das später formulierte Kontingenzparadigma unter 2.8.).

      2. Anal-muskuläre Phase / Autonomie – Zweifel/Scham (2-3a)

      Kognitive Fähigkeiten und die Motorik werden entwickelt: Das Gefühl der Selbständigkeit und Selbstkontrolle kann entstehen. Zweifel an den eigenen Fähigkeiten entsteht durch Kritik, Tadel und zu starren Anpassungsforderungen.

      Wheeler bietet eine Tabelle zum Vergleich der verschiedenen Entwicklungsmodelle (McConville & Wheeler 2002 Vol. I, 52). Abbildung 1 zeigt den das Kleinkindalter betreffenden Abschnitt in gekürzter Form.

      Das klassische Modell Freuds wird bei Erikson von einem nach biologischem Zeitplan ablaufenden Stufenmodell zu einem Entwicklungsplan kritischer Perioden für bestimmte Persönlichkeitskomponenten. Er verknüpft, wie bereits erwähnt, das individuelle/biologische Feld mit dem kulturellen und familiären Feld, um, laut Wheeler, erklären zu können, wie bestimmte Muster (oder bestimmte Kontaktstile) in bestimmten kulturellen Kontexten präferiert und dominant werden.

      Die dargestellten Modelle haben gemeinsam, dass sie qualitativ unterschiedliche Stufen darstellen. Das Feld der Erfahrungen ist (vor jeder und nach jeder Stufe) durch und als ein anderes Selbst verschieden organisiert. Die Geburt kann als den radikalsten eines solchen Phasen-Feld-Übergangs gesehen werden.

      Sterns Theorie zur Frühentwicklung des Selbst: Das Selbstempfinden (Sense of Self) als organisierendes Prinzip der Entwicklung (1983/85)

      In der gestalttherapeutischen Arbeit wird u. a. das Konzept des »inneren Kindes«1 verwendet, wobei mittels Dialogen, Imaginationen und anderen kreativen Mitteln innerpsychische Repräsentationen frühkindlich angelegter Empfindungen, Wertvorstellungen, Verhaltensweisen und Selbstwertgefühlen im Erwachsenenalter zugänglich werden. Das »innere Kind« (als Symbol eben dieser Anteile der Psyche, in denen all dies Vergangene verankert ist) kann in verschiedenen Altersstufen und verschieden konkret wahrgenommen werden, was in der Folge erlebens- und verhaltenssteuernd wirkt.

      Dass diese Bearbeitungsmöglichkeit so wirkungsvoll ist, unterstützt die Annahme, dass es

      »über die gesamte Lebensspanne hinweg grundlegende entwicklungsmäßige Kontinuitäten und sich entfaltende Veränderungen in einem Selbst gibt und dass diese verschiedenen Selbst-Empfindungen von Geburt an bis zum Tod gleichzeitig und miteinander existieren« (Pauls 1994, 6).