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Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen


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Übergang vom erwachsenen zum senilen Verhalten muß als Regression und nicht als progredierende Entwicklung verstanden werden.« (Lewin 1982c, S. 301)

      Perls, Hefferline und Goodman – die Begründer der Gestalttherapie und ihre expliziten und impliziten entwicklungstheoretischen Überlegungen

      Bei den Begründern der Gestalttherapie lassen sich grob zwei Motive von Entwicklungsgedanken herausarbeiten: Das Konzept des Hungertriebes und oralen Widerstandes. Und das Modell des Kontakts, der schöpferischen Anpassung und organismischen Selbstregulation.4 Beide Entwicklungstheorien wurden nicht explizit ausformuliert, sie sind eher fragmentarisch und implizit in ihren allgemeinen Theorien enthalten.

      F. Perls grenzt sich in seinem erstmals 1947 veröffentlichten Buch »Das Ich, der Hunger und die Aggression«5 deutlich von der psychoanalytischen Triebtheorie ab. Er behält aber ein entwicklungspsychologisches Stufenmodell bei und diskutiert psychische Störungen im Erwachsenenalter mit kausalem Bezug auf Störungen und Widerstände in der Entwicklung der Nahrungsaufnahme. Der Hungertrieb wird in seinem Modell als Motor der Entwicklung konzeptualisiert. Im Kapitel »Geistig-seelischer Stoffwechsel« schreibt er:

      »Die verschiedenen Entwicklungsstufen des Hungertriebes kann man als pränatale (vorgeburtliche), prädentale (Säuglings-), inzisorische (Beiß-) und molare (Beiß-und Kau-) Stufen klassifizieren.« (Perls 2007, S. 131)

      Am Beispiel von Gier und Ungeduld erörtert er einen kausalen Zusammenhang mit der inzisorischen Stufe des Hungertriebes und möglichen Abwehrmechanismen (vgl. Perls 2007). Die Fähigkeit, etwas durchzuarbeiten, die Nahrung zu assimilieren, sei aufgrund oralen Widerstandes mangelhaft ausgebildet worden, wodurch diese Aggression sublimiert werden musste. Das bedeutet, wenn in dieser Phase Störungen und Hemmungen auftreten, dann kann dies in der weiteren Entwicklung zu neurotischen und psychotischen Symptomen führen (vgl. Perls 2007, S. 132). Demnach greift Perls mit seiner Theorie des »oralen Widerstands« in seiner Nosologie auf entwicklungspsychologisch begründete Abwehrmechanismen zurück.

      Das zweite Entwicklungsmotiv, das überwiegend in dem 1951 veröff entlichten Standardwerk von Fritz Perls, Ralph Hefferline und Paul Goodman »Gestalttherapie«6 ausgearbeitet wurde, bezieht sich auf das Selbst, den Kontakt und die schöpferische Anpassung. Hier ist der Entwicklungsgedanke in die Theorie des Selbst und der schöpferischen Anpassung eingepflanzt, er wird »Wachstum« genannt.

      »Die Kontaktgrenze (…) (ist) das Organ einer bestimmten Beziehung zwischen dem Organismus und seiner Umwelt. Diese besondere Beziehung ist Wachstum (…).« (PHG 2006, S. 24)7

      Das Selbst wird hier nicht als unabhängige Entität beschrieben, sondern als Kontaktgeschehen. Dieses Kontaktgeschehen ist Wachstum per definitionem. Es ist ein Prozess, bei dem Entwicklung stattfindet.

      »Als Aspekte des Selbst bei einer schlichten, spontanen Handlung entsprechen Ich, Es und Persönlichkeit den größeren Phasen der schöpferischen Anpassung: Das Es ist der vorhandene Hintergrund, der in seinen Möglichkeiten aufgelöst wird (…). Das Ich entspricht der fortschreitenden Identifizierung mit einigen und der Zurückweisung anderer Möglichkeiten (…). Die Persönlichkeit ist die geschaffene Figur, zu der das Selbst dann wird und die es in den Organismus assimiliert, wobei sie mit Ergebnissen vorherigen Wachstums vereint werden.« (PHG 2006, S.218 f.)

      Während das Selbst als solches prozessual gedacht wird, entspricht die Persönlichkeit als Teil des Selbst am ehesten dem Element, welches einem strukturellen Wachstum gleicht. Mittels der Persönlichkeit, der geschaffenen Figur, können neue Erfahrungen mit bereits Gelerntem verglichen und integriert werden.

      Der Motor der Entwicklung gleicht in diesem Ansatz einem Balanceakt, das organismische Gleichgewicht mittels Selbsterhaltung und Wachstum aufrecht zu erhalten.

      »Selbsterhaltung und Wachsen sind Polaritäten, denn nur das, was sich erhält, kann auch durch Assimilation wachsen, und nur was kontinuierlich Neues assimiliert, kann sich erhalten, statt zu degenerieren. Die Stoffe und Energien für Wachstum sind also: der Versuch des Organismus zu bleiben, wie er ist; die neue Umwelt, die Zerstörung vorheriger partieller Gleichgewichtszustände und die Assimilation von etwas Neuem.« (PHG 2006, S. 211)

      Weiterentwicklungen der gestalttherapeutischen Entwicklungstheorie – Wheeler, McConville und Salonia

      Werfen wir nun einen Blick darauf, wie die ursprünglichen explizit und implizit formulierten Entwicklungstheorien im Gestaltansatz weiterentwickelt wurden. Hier lassen sich zwei Strömungen feststellen. Einige Autoren machen es sich zur Aufgabe, eine gestalttherapeutische Entwicklungstheorie im engeren Sinne zu beschreiben. Sie beziehen sich hierbei auf die Theorien der Vordenker und Begründer des Gestaltansatzes. Andere Autoren suchen Anleihe bei anderen Theorieschulen und versuchen diese in den Gestaltansatz zu integrieren bzw. den Gestaltansatz diesen Theorien anzupassen. In dieser Arbeit wird der Untersuchungsradius aus ökonomischen Gründen auf gestalttherapeutische Weiterentwicklungen im engeren Sinne begrenzt.8 Drei Autoren aus dem USamerikanischen und italienischen Sprachraum setzen in ihren Entwicklungstheorien direkt bei den Begründern und Vorläufern des Gestaltansatzes an.

      Mark McConville und Gordon Wheeler beziehen sich in ihren Büchern über die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter »The Heart of Development« (2001, 2002) auf das Lewinsche Konzept des sich entwickelnden Feldes.

      In Anlehnung an Lewin, Koffka und die Begründer der Gestalttherapie formuliert Gordon Wheeler zwei Axiome, auf denen seine Entwicklungstheorie aufbaut:

      1. Das Selbst ist im Feld

      Anstelle des »kleinen Mannes in der Maschine« komme dem Selbst die Funktion zu, Erfahrungen an der Kontaktgrenze zu organisieren. Das Selbst ist dabei immer Teil des Feldes (vgl. Wheeler 2002, S. 46).

      2. Das Selbst ist Akteur

      Es gibt, so Wheeler, keine Wahrnehmung und Erfahrung ohne Bewertung und ohne höhere Organisation. Dem Selbst komme die Funktion zu, sinnvolle Ganzheiten zu bilden (vgl. Wheeler 2002). Wir können nicht »nicht Gestaltwahrnehmen«.

      »Development, from this perspective, is the elaboration of successively more complex, more highly organized wholes of meaning.« (Wheeler 2002, S. 49)

      Der Entwicklungsmotor, sinnvolle Gestalten, Ganzheiten, zu konstruieren, ist uns laut Wheeler genetisch mitgegeben. Entwicklungsprozesse werden in einem interpersonellen und intersubjektiven Feld organisiert. Die Feldperspektive führe dazu, dass Entwicklung immer Entwicklung des ganzen Feldes heißt. Die Umwelt, integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses des Kindes, muss sich demnach über die Zeit ebenso weiterentwickeln wie das Kind selbst (vgl. Wheeler 2002).

      Wheeler fordert von der Gestaltperspektive, vorhandene Theorien mit den oben beschriebenen Axiomen zu kontextualisieren. Herkömmliche individualistische Theorien können von der Gestalttheorie profitieren und durch die Feldperspektive erweitert werden. Bestehende systemische Theorien, deren Fokus auf dem Feld liegen, können von der Theorie des funktionalen Selbst profitieren, das die Erfahrungen im Feld organisiert (vgl. Wheeler 2002).

      In seinem Buch beschreibt Wheeler vier generelle Themen der Entwicklung unter der Feldperspektive und ihre Bedeutung für die Entwicklung über die Lebensspanne: Intersubjektivität und Intimität, Support und Shame, Gender und Identität, Voice und Narrative (vgl. Wheeler 2002, S. 59 ff.). Alle haben eine eigene Entwicklungslinie und unterstützen sich interagierend gegenseitig.9

      Mark McConville verweist ebenso wie Wheeler auf die Wurzeln der Gestalttherapie. Er leitet seine Entwicklungstheorie des Jugendalters aus der Lewinschen Feldperspektive ab (McConville 2001).

      Die meisten Theorien, so McConville, untersuchen Teile des Ganzen, während Lewin den Lebensraum als Feld und Subjekt der Entwicklung untersucht. Dieses Feld steht niemals still, es ist immer in Bewegung, in Veränderung begriffen, und daher ist die Feldtheorie implizit eine Entwicklungstheorie.

      »In other words, because the psychological field