Tobias Zimmermann

Lernendenorientierung


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und Diplomstudiengängen.

      3 Zu erinnern ist hier an die erhebliche Quote von «anderen schweizerischen Ausweisen» unter den Zulassungsausweisen (vgl. Abbildung 2) und an die geplante Reform des Bundesgesetzes über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich (HFKG), die für den Zugang an die FH nicht mehr zwingend eine Maturität verlangt.

       Franziska Zellweger

      Ein Interview mit Frau Dr. Johanna Margrethe Ammitzböll, Leiterin Beratungsstellen ZHAW

      Im vorhergehenden Artikel weist Urs Kiener auf der Basis statistischer Daten auf eine starke Zunahme der Heterogenität der Studierenden an den Fachhochschulen hin. Im folgenden Gespräch mit Frau Ammitzböll wird der Versuch unternommen, den Auswirkungen dieser Entwicklung aus der Sicht der psychologischen Studienberatung auf den Grund zu gehen. Ihre präzisen Schilderungen geben spannende Hinweise − einerseits auf das Erleben einzelner Studierender, andererseits auf die gesellschaftlichen und organisatorischen Veränderungen im Bildungssystem. Eines sei vorweggenommen: In der Einschätzung von Frau Ammitzböll war das Studium schon immer anspruchsvoll. Allerdings liefert sie viele Hinweise auf den veränderten Leistungsdruck als eine zentrale Herausforderung für die Studierenden.

      F. Zellweger (FZ): Frau Ammitzböll, welche Erfahrungen haben Sie in der Beratung von Studierenden?

      J. Ammitzböll (JA): Ich bin seit dreissig Jahren am Technikum Winterthur (heute ZHAW) tätig. Zuerst war ich Dozentin für Psychologie und Lerntechnik. Im Laufe der Zeit entstand bei den Studierenden das Bedürfnis, auch persönliche Fragen zu besprechen. Daraus entwickelte sich die Beratungsstelle der Schule. Daran beteiligt war ein Team von Dozierenden − ich als externe Psychologin.

      FZ: Sind Sie heute auch noch in der Lehre tätig?

      JA: Ich bin bis heute im Rahmen eines Wahlfachs im Departement Technik (School of Engineering) in die Lehre involviert; ich hatte also während meiner ganzen Zeit an der heutigen ZHAW einen direkten Bezug zur Lehre und erlebte dadurch die Veränderungen der Schule über einen langen Zeitraum hinweg mit. In meinem Hauptberuf bin ich Psychotherapeutin. An der Fachhochschule bin ich denn auch hauptsächlich als unabhängige Psychologin tätig. Dabei habe ich mich im Laufe der 25 Jahre Beratungstätigkeit auf Lernstörungen und Studienprobleme spezialisiert.

      FZ: Was sind aus Ihrer Sicht die konstanten Herausforderungen und Probleme der Studierenden, über 25 Jahre hinweg gesehen? Was ist gleich geblieben?

      JA: Gleich geblieben sind all die Studienprobleme. Die Studierenden kommen mit dem Leistungsdruck nicht zurecht. Sie haben Schwierigkeiten, die gesetzten Lernziele zu erreichen. Prüfungsängste hindern sie, in Examenssituationen die erforderliche Leistung zu erbringen. In den Prüfungen erzielen sie dann ungenügende Noten. Gleich geblieben sind auch persönliche Problemstellungen und Kriseninterventionen.

      FZ: Wann werden Kriseninterventionen nötig?

      JA: Plötzlich auftretende schwierige Lebenssituationen können sie erforderlich machen. Das kann beispielsweise nach dem Ende einer Liebesbeziehung sein. Es kann sich auch um Depressionen oder Angstzustände handeln, die unmittelbar nach persönlichen Belastungssituationen auftreten. Es treten etwa akute Konflikte mit den Eltern auf, denn bei den Studierenden handelt es sich ja um Erwachsene, die vorwiegend aus finanziellen Gründen noch zu Hause wohnen. Dominant sind jedoch Leistungsprobleme – insbesondere während des Assessmentjahres, während dessen der grösste Teil der Selektion erfolgt. Die starke Konzentration der Prüfungen am Ende des Semesters kann bei Studierenden Versagensängste auslösen. Kriseninterventionen können auch bei akuten Problemen während der Ausarbeitung der Bachelorarbeit notwendig sein.

      FZ: Das letzte Jahrzehnt hat viele Neuerungen gebracht. Was spüren Sie davon in Ihrem Alltag?

      JA: Das Studium war schon zur Zeit des Technikums sehr anspruchsvoll. Die verschiedenen Reformen haben die Anforderungen an die Studierenden nicht einfach erhöht. Zu erwähnen sind aber einige wichtige Veränderungen. Zum einen wurden mit der Umsetzung des Bologna-Prozesses die Prüfungen ans Semesterende verlegt. Diese Verlagerung hat aus der Sicht der psychologischen Beratung die Situation der Studierenden in doppelter Weise verschärft: Zum einen ist der Prüfungsdruck heute deutlich höher, und zum anderen sind die Studierenden erst am Semesterende wirklich mit ihrer eigenen Leistungsfähigkeit konfrontiert.

      FZ: Was bedeutet diese Entwicklung für Ihre Beratungstätigkeit?

      JA: Heute kommen viele Studierende erst nach den ersten Modulendprüfungen in die Beratung, weil sie sich erst zu diesem Zeitpunkt eingestehen, dass sie den Anforderungen fachlich nicht entsprechen können. Diese Tatsache verschlechtert die Beratungssituation: Sie wird viel häufiger zur Krisenintervention.

      FZ: Welche weiteren Veränderungen sind erfolgt?

      JA: Zum Zweiten wurde im Zuge der Angleichung des Technikums an ein Hochschulstudium die Semesterwochenzahl deutlich verringert (von 19 auf 14 Wochen), ohne dass der Stoffumfang in den einzelnen Fächern wesentlich reduziert wurde. Weil im heutigen System die Module mit dem Ende des Semesters in der Regel abgeschlossen werden, fällt auch die unterrichtsfreie Zeit zwischen den Semestern als Lernzeit weg. Diese Konzentration des Lernprozesses auf eine deutlich geringere Zeitspanne führt für die Studierenden zu einem stärkeren Leistungsdruck. Nicht alle sind ihm gewachsen.

      Und als Drittes führt die Verlegung der Prüfungen ans Semesterende sowie ein höheres Mass an Selbststudium dazu, dass für den Erfolg der Studierenden auch ein stärkeres Selbst- und Zeitmanagement massgeblich wird. Viele Studierende sind nur unzureichend oder überhaupt nicht auf diese Lernsituation vorbereitet. Deshalb kommen sie in Schwierigkeiten. In der Beratung können diese Probleme gut bearbeitet werden – vorausgesetzt, dass die Studierenden frühzeitig in die Beratung kommen.

      FZ: Sie sprachen bisher in erster Linie vom Assessementjahr. Wie nehmen Sie die Situation im weiteren Studienverlauf wahr?

      JA: Diese Verschärfung der Studiensituation gilt hauptsächlich für das erste Studienjahr. Im zweiten und dritten Studienjahr kann gegenüber der Vor-Bologna-Zeit von einer Erleichterung gesprochen werden, da hier nicht mehr jedes Semester bestanden werden muss, sondern eine bestimmte Anzahl Module. Module können bis zu einem gewissen Grade wiederholt bzw. durch andere ersetzt werden.

      Eine Anmerkung sei hier noch angefügt: Es gibt ein Phänomen, das sich zu den dargelegten Punkten eher gegenläufig verhält. Ich stelle fest, dass im Vergleich zu früher mehr Studierende das Gefühl haben, dass sie neben dem Studium noch arbeiten können bzw. müssen. Das hängt zweifellos mit unzureichenden Fördermassnahmen für Studierende, aber auch mit einem neuen Selbstverständnis der jungen Erwachsenen zusammen. Jedenfalls führt diese Haltung zu Problemen, die die Studierenden dazu veranlassen, die Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Studierenden unterschätzen den psychischen und zeitlichen Aufwand für das Studium. Sie merken dann erst nach der Hälfte des Semesters, dass sie unter Druck geraten und die Stoffmenge nicht bewältigen können.

      FZ: Sie haben als Studienberaterin ursprünglich am Technikum Winterthur begonnen, also in einem traditionellen Fachhochschulbereich. Haben Sie inzwischen auch Berührungspunkte mit den neuen Fachhochschulbereichen?

      JA: Beim Übergang zur Fachhochschule sind sowohl durch Fusionen als auch durch die Akademisierung von Berufsgattungen neue Bereiche zur ZHAW hinzugekommen. In der Beratungsstelle der ZHAW bin ich auch für diese zuständig. So habe ich neu u. a. Kontakte mit Studierenden aus den Studiengängen Wirtschaft, Übersetzen, Journalismus und Organisationskommunikation, Life Sciences und Facility Management sowie Gesundheit.

      FZ: Stellen Sie grosse Unterschiede etwa zwischen Studierenden aus den