Ruth Meyer

Lebenskompetenzen erweitern (E-Book)


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für Kompetenz, Ressourcen und Performanz lautet: Kompetenz ermöglicht es, Anforderungen in komplexen Situationen erfolgreich und effizient zu bewältigen. Dazu braucht es Ressourcen aus den Bereichen Wissen (Kenntnisse), Können (Fertigkeiten) und Wollen (Einstellungen, Werte). Beobachtet und bewertet wird im Endeffekt die Performanz, das heißt die sichtbare Handlung und das gezeigte Verhalten in einer konkreten Situation.

      Furrer (2009) verwendet die Begriffe «kompetenzorientiert planen», «ressourcenorientiert unterrichten» und «performanzorientiert prüfen». Dieser didaktische Dreiklang ist sehr einleuchtend. Er wird in diesem Kapitel noch etwas ausgeführt, um damit die Grundlagen zu schaffen, dieselben Begrifflichkeiten dann auf die Erweiterung der Lebenskompetenzen im Unterricht und in der Beratung zu übertragen (→Kapitel 2, 3 und 4).

      Lebenskompetenzen sind synonym mit Soft Skills und bezeichnen diejenigen Kompetenzen, die eng mit der Persönlichkeit eines Menschen verbunden sind und seine Identität prägen. Lebenskompetenzen sind nicht an bestimmtes Fachwissen oder an spezifische Berufe gebunden, und auch weniger gebildete Menschen können weit entwickelte Soft Skills haben.

      In diesem Buch werden Kompetenzen immer im Hinblick auf Lernen und Entwicklung betrachtet. Mit den Worten von Erpenbeck und von Rosenstiel: «Das Lernen unter den Bedingungen von Komplexität, Chaos und Selbstorganisation, das Lernen in der Risikogesellschaft erfordert eine neue Lernkultur – eine Kultur des selbstorganisierten, die Risiken von Komplexität und Chaos bewältigenden Lernens. Das wichtigste Produkt dieses Lernens sind Kompetenzen, die das entsprechende selbstorganisierte soziale Handeln ermöglichen» (Erpenbeck & von Rosenstiel 2007, S. XX).

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      Kennzeichnend für Kompetenz sind die Zielorientierung, die Selbstständigkeit, das Ergreifen von Initiative, die Übernahme von Verantwortung, der Einbezug des Beziehungs- oder Kooperationsumfeldes sowie ein reflektierter Umgang mit den verwendeten Mitteln (Kadishi 2001).

      Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen erkennt man daran, dass

      •handlungs- und anwendungsorientiert gelernt wird;

      •verschiedene Fähigkeiten vernetzt und kombiniert werden;

      •das Wissen systematisch aufgebaut und vernetzt wird, damit es nachhaltig und anschlussfähig wird;

      •klar und deutlich erkennbar ist, was gelernt werden soll;

      •die Lernangebote zu grundlegenden Einsichten bei den Lernenden führen und

      •mit anderen interagiert wird.

      Ein Möbelstück nach Kundenwünschen anzufertigen, eine Software zu testen, Patientinnen im Krankenhaus zu pflegen, Mitarbeitergespräche zu führen oder ein Festessen für mehrere Personen zuzubereiten, sind typische Beispiele für berufliche Kompetenzen.

      Ob eine Person über eine Kompetenz verfügt, ist eine Zuschreibung. Formal erfolgt diese aufgrund von strukturierten Beobachtungen (Assessments), Leistungsausweisen (Kompetenznachweisen) sowie ausgewiesenen Erfahrungen (Portfolios).

      Im Alltagsverständnis entwickelt man sehr schnell ein inneres Bild davon, wie kompetent jemand ist. Wenn man dieses innere Bild «der genau richtigen Person für etwas» analysiert, stellt man fest, dass neben Wissen («er oder sie versteht etwas davon») und Können («sie oder er kann das, hat das im Griff») auch Wollen beteiligt ist («er oder sie bringt das nötige Feuer mit»). Schubiger (2013) spricht denn auch sehr praxisnah davon, dass eine Person über Wissen, Können und Wollen verfügen muss, um einer definierten Anforderungssituation gewachsen zu sein – und diese einprägsamen Bezeichnungen werden im vorliegenden Buch im Zusammenhang mit Kompetenzen durchgängig verwendet.

      Kompetenzen basieren auf begrifflichem und fachlichem Wissen, Prozessen, Fertigkeiten, Können, operationellen und kognitiven Fähigkeiten, sozialen und emotionalen Fähigkeiten, Einstellungen und Haltungen. Was in diesen Bereichen bei einer Person vorhanden ist, wird als Ressourcen bezeichnet.

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      Ressourcen können sein:

      •Wissen (begriffliches und fachliches Wissen, Kenntnisse): wissensbezogene Elemente, die zur Bewältigung der entsprechenden Handlungssituationen wichtig sind; dazu gehören Theorien, Begriffe und Regeln, aber auch einzelne Daten und Eckwerte;

      •Können (Prozesse, Skills, operationelle und kognitive Fähigkeiten): Abläufe, Prozeduren und Fertigkeiten, die zur Bewältigung von komplexen Handlungssituationen eingesetzt werden können;

      •Wollen (Haltungen und Einstellungen): Motivation sowie Werte und Normen, die das Verhalten in den entsprechenden Handlungssituationen prägen.

      Wenn eine Schreinerin zum Beispiel ein Möbelstück nach Kundenwünschen herstellt, braucht sie demnach unter anderem:

      •Kenntnisse über Holzarten und deren Verwendung, mathematische Kenntnisse, Kenntnisse zur Tragfähigkeit und Stabilität von Verbindungen, Konstruktionsgrundlagen usw.;

      •Bearbeitungstechniken (fräsen, hobeln, schleifen, lackieren usw.), Konstruktionstechniken (verzapfen, dübeln, leimen, schrauben, nageln usw.) und viele weitere Fähigkeiten;

      •Sorgfalt, Motivation, Ausdauer, Genauigkeit, Konzentration, Sauberkeit, kommunikative Fähigkeiten sowie Kundenorientierung.

      Ressourcen werden aus konkreten Handlungssituationen abgeleitet. Ressourcen können geschult und gefördert, teilweise auch formal überprüft werden. Eine Kompetenz wird erworben, indem damit verbundene Ressourcen erarbeitet, vertieft und reflektiert werden (vgl. Kadishi 2001).

      Performanz ist die konkret beobachtbare Ausführung einer Aufgabe (in der Berufsbildung auch häufig «Handlungskompetenz» genannt) in einer typischen Situation in einem typischen Handlungsfeld. Im Rahmen einer einzelnen Performanz werden fast immer mehrere Kompetenzen eingesetzt.

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      Während also unter Kompetenz die latente Fähigkeit einer Person verstanden wird, eine bestimmte Aufgabe auszuführen (z. B. Französisch zu sprechen), versteht man unter Performanz die tatsächliche Ausführung dieser Aufgabe (z. B. jemanden auf Französisch begrüßen). Diese Performanz wiederum kann überprüft und beurteilt werden.

      Beispiele von Handlungskompetenzen aus dem Bildungsplan 2013 für Schreiner/-innen sind:

      •«Schreinerinnen/Schreiner erstellen aufgrund von Planungsunterlagen Werkstofflisten und andere Listen.»

      •«Schreinerinnen/Schreiner wenden beim Zusammenbau von Werkteilen die entsprechenden Verbindungstechniken, Produktionstechniken, Klebstoffe und Spanntechniken unter Einhaltung der Arbeitssicherheit an.»

      Um konkreten Unterricht oder individuelle Förderung planen zu können, müssen die Kompetenzen mit ihren Anteilen an Wissen, Können und Wollen (Ressourcen) genau beschrieben werden. Dies gelingt umso besser, je sorgfältiger eine Analyse der Praxis (Berufsfeld, Tätigkeit, Lebenssituation) durchgeführt wurde. Die benötigten Ressourcen und typischen Situationen werden daraus abgeleitet und die angestrebten Handlungskompetenzen (Performanzen) beschrieben.

      Kompetenzraster