Interessenlagen ausgegangen wird und welche Konsequenzen dies für die Zusammensetzung der Strategischen Führungsebene und für deren hauptsächliche Aufgabe hat. An dieser Stelle wollen die Autoren aber noch bewusst breiter bleiben. Die Frage ist hier, wie sich der Eigner mit seinen Interessen in die Organisation einbringen will.
Theoretische Perspektive | Interessenlage | Auswahlkriterien für Mitglieder der Strategischen Führungsebene | Aufgabe der Strategischen Führungsebene | PCG-Modell |
Agency-Theorie | Zwischen Eigner und Managern besteht ein Interessenkonflikt | Repräsentanten der Eigner | Konformität mit den Interessen der Eigner sicherstellen | Compliance Modell |
Stewardship Theorie | Eigner und Manager haben dieselben Interessen | Experten | Leistung der Organisation verbessern | Partnerschafts modell |
Demokratische Perspektive | Zwischen Öffentlichkeit und Eigner / Management besteht ein Interessenkonflikt | Demokratisch legitimierte Laien-Repräsentanten | In politischen Prozessen die Organisation steuern | Demokratisches Modell |
Stakeholder Theorie | Zwischen relevanten Anspruchsgruppen und Eigner / Management besteht ein Interessenkonflikt | Repräsentanten der Anspruchsgruppen | Interessen der Anspruchsgruppen vertreten | Stakeholder Modell |
Tabelle 2: Konzeptionelle Ansätze der Public Corporate Governance (Comforth 2003)
Sieht sich der Eigner primär als Auftraggeber («Principal» in der Agency-Perspektive), so wird er versuchen, klare Aufträge und Ziele zu definieren, die zu erreichen sind. Typischerweise wird er Anreize für das Management setzen, diese Ziele zu erreichen, und er wird vor dem Problem stehen, die Zielerreichung kontrollieren zu müssen. Das kann er unter anderem tun, indem er seine Vertreter in die Strategische Führungsebene entsendet, die die «Compliance» (Einhaltung der Vorgaben) überwachen.
Im Ansatz der Stewardship-Perspektive versteht sich der Eigner als Teil der Organisation, in die er sich partizipativ und begleitend einbringen will. Gemeinsam mit dem Management entwickelt der Eigner (bzw. seine Vertreter in der Strategischen Führungsebene) Strategien, um die Leistungserbringung der Organisation zu verbessern. Zwischen Eigner und Management besteht ein Partnerschaftsverhältnis.
Die demokratische Perspektive betont ihrerseits die Notwendigkeit einer demokratisch legitimierten Steuerung der öffentlichen Unternehmung. Innerhalb einer Strategischen Führungsebene laufen ständig (auch) politische Entscheidungsprozesse ab, die unter anderem auch von ideologischen Vorstellungen der Mitglieder geprägt sind. Aus diesem Grund kann es relevant sein, die verschiedenen Ideologien in der Strategischen Führungsebene vertreten zu wissen. Sie hat dann die Aufgabe, die Arbeit des Managements und der Organisationsmitglieder aus politischer Warte zu beurteilen und Einfluss zu nehmen.
Die Perspektive der Anspruchsgruppen (Stakeholder) schliesslich geht davon aus, dass es legitime Interessen von Anspruchsgruppen der Organisation gibt, die zu berücksichtigen sind – und die in keinem der oben erwähnten Modelle genügend erfasst würden. Die formalisierten Prozesse der Demokratie etwa schliessen all jene Stakeholder aus, die nicht Bürgerinnen und Bürger sind. Besteht ein Interessenkonflikt zwischen Eigner (bzw. dessen Vertretung, der Regierung) oder Management und den Anspruchsgruppen, so sind die Interessen der Anspruchsgruppen durch geeignete Mittel in die Entscheidungsprozesse der Organisation mit einzubeziehen. Die oben beschriebenen Perspektiven schliessen sich gegenseitig nicht aus, sondern in der konkreten Ausgestaltung der Public Corporate Governance werden sie unterschiedlich gewichtet. In ihrer Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass sie zunehmend komplex sind, mit anderen Worten: Das Compliance-Modell ist (konzeptionell) am einfachsten, das Partnerschaftsmodell ist bereits anspruchsvoller, die demokratische Perspektive steigert die Komplexität zusätzlich, und schliesslich führt eine konsequente Umsetzung der Anspruchsgruppen-Perspektive zu sehr hohen Ansprüchen an die Public Corporate Governance. In ganzheitlich orientierten Prozessen ist nämlich immer wieder neu zu beurteilen, welches die legitimen Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen sind und wie sie in die Steuerung der öffentlichen Unternehmung einbezogen werden sollen (Mastronardi 2007). In der Wahl des Steuerungsmodells ist daher auch zu berücksichtigen, welche Komplexität notwendig ist und ob die Akteure in der Lage sind, mit ihr umzugehen.
2 Für den folgenden Abschnitt wurden Textteile der Autoren aus folgenden Werken entnommen: Müller (2009): Bericht der Arbeitsgruppe zur Corporate Governance für Organisationen und Unternehmen im öffentlichen Sektor des Landes Liechtenstein; Schedler und Proeller (2009): New Public Management; Sonderegger (2004): Public Governance in kommunalen Elektrizitätsversorgungsunternehmen; Schedler, Gulde et. al. (2007): Corporate Governance öffentlicher Unternehmen – Fragen zur Führung staatlicher Unternehmen; Sonderegger und Schedler (2010): Betriebliche Steuerung von kommunalen Elektrizitätsversorgungsunternehmen.
3 Public Corporate Governance in der Übersicht
3.1 Einführung
Öffentliche Aufgaben oder Aufgaben, welche in einem öffentlichen Interesse sind, können wie folgt erfüllt werden:
a) durch die Verwaltung;
b) durch unselbständige Einheiten, welche der Verwaltung direkt unterstellt sind (ohne Rechtspersönlichkeit);
c) durch verselbständigte Einheiten (Unternehmen) mit eigener Rechtsperson (z.B. selbständige öffentlich-rechtliche Anstalten, privatrechtliche Aktiengesellschaften);
d) durch Organisationen und Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist (Minderheitsbeteiligung);
e) durch Organisationen, in denen vom Staat delegierte Personen (z.B. Exekutive) Aufgaben in der strategischen Führung wahrnehmen (z.B. im Verwaltungsrat) und für welche eine Staatshaftung übernommen wird.
In diesem Handbuch wird eine Fokussierung auf die Themen c) und d) vorgenommen.
3.2 PCG für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung
Für öffentliche Unternehmen, die nicht rein ökonomisch funktionieren können und einer besonderen Legitimation bedürfen, ist die Führung, Steuerung, Kontrolle und Aufsicht komplexer als in der Privatwirtschaft. Im Rahmen der Entwicklung von adäquaten Instrumenten setzen die Autoren zur Verbesserung der Übersicht über die Thematik folgende Darstellung ein.
Abbildung 4: Public Corporate Governance in der Übersicht für Unternehmen im mehrheitlichen Besitz der öffentlichen Hand (eigene Darstellung)3
Die Abbildung 4 zeigt, mit welchen Elementen die Corporate Governance von öffentlichen Unternehmen zu strukturieren ist. Zu beachten ist die Linie in der Mitte der Grafik, welche die Ebenen der Politik von derjenigen des Unternehmens trennt. Auf der politischen Ebene wird zwischen Aufgaben der Legislative und der Exekutive unterschieden. Die Unternehmensebene ist ebenfalls durch zwei Unterebenen gekennzeichnet: die Strategische und die Operative Führungsebene. Die Strategische Führungsebene heisst in der Praxis Verwaltungs-, Stiftungs- oder z.B. in Deutschland, Aufsichtsrat. Die Operative Führungsebene stellt die Geschäftsleitung dar.
f) Gesetzliche Grundlage
Das öffentliche Unternehmen wird auf der Grundlage eines Gesetzes oder eines Reglementes formell gegründet.
f) Eignerstrategie
In der Eignerstrategie werden die Leitplanken für das Unternehmen und seine Entwicklung aus der Perspektive des Eigners definiert. Sie dient der Exekutive, sich selbst klare Vorstellungen über die Absichten mit dem Unternehmen zu geben. Die Eignerstrategie wird durch die Exekutive zusammen mit der Strategischen Führungsebene entwickelt, verabschiedet und dem Parlament zur Kenntnis gebracht. Gegenüber dem Unternehmen formuliert der Eigner seine Ziele, die zu erreichen sind.