Roland Muller

Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen


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besteht dazu bestimmt Einigkeit. Die Schlüsselfrage ist nun aber, wie die Steuerung und Überwachung der öffentlichen Unternehmen durch die Politik (als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger) organisiert sein und wie sie erfolgen soll. Der Umstand, dass öffentliche Unternehmen ausgegliedert sind, macht deutlich, dass die Politik ihnen mehr Autonomie geben wollte als der allgemeinen Verwaltung. Dennoch muss sie ihre Aufsichts- und Steuerungsfunktion wahrnehmen können.

      Aus der Sicht der Autoren lassen sich einige Grundsätze der politischen Steuerung öffentlicher Unternehmen festhalten, aus denen operative Lösungen abgeleitet werden können:

      1 Gewährleistungs-Optik: Im Vordergrund steht immer der Auftrag der Politik, eine optimale Versorgung der Gesellschaft mit öffentlichen Leistungen sicherzustellen.

      2 Strategische Angaben: Ist eine öffentliche Unternehmung in die grössere Selbständigkeit entlassen, so kann und soll sie nicht mehr über detaillierte Eingriffe in die operative Tätigkeit geführt werden. Vielmehr ist die Politik gefordert, der öffentlichen Unternehmung klare strategische Vorgaben zu machen: Wie soll sie sich positionieren? Was soll ihre Rolle im Staat sein? Auf welche Entwicklungen soll sie sich vorbereiten? Diese Vorgaben werden in der Folge als Eignerziele bezeichnet.

      3 Management by Exception: Auch wenn sich die Politik im Regelfall auf die strategischen Vorgaben beschränken soll, so bleibt sie oft auch für operative Entwicklungen politisch verantwortlich. Daher kann es im Einzelfall notwendig sein, dass politische Überlegungen in operative Entscheidungen einfliessen. Dies kann aber nur die Ausnahme sein – die Regel muss bleiben, dass die Strategische Führungsebene gemeinsam mit der Operativen Führungsebene die Geschicke der Unternehmung lenkt.

      4 Transparenz: Eine Vergrösserung der Autonomie einer staatlichen Organisation will kompensiert sein. Vermeintliche Einflussmöglichkeiten der Politik, die sie zugunsten einer strategischen Führung aufgeben muss, vergrössern das Misstrauen gegenüber der öffentlichen Unternehmung. Dies kann oft nur durch grosse Transparenz kompensiert werden. Transparente Prozesse der personellen Besetzung der Strategischen und der Operativen Führungsebene, transparente Rechnungslegung, transparente Leistungs- und Wirkungsberichte sind die Grundlage für Vertrauen gegenüber dem öffentlichen Unternehmen.

      5 Vermeidung von Interessenkonflikten: Erfolgt eine politische Einflussnahme auf das öffentliche Unternehmen, so besteht eine Gefahr von Interessenkonflikten. Insbesondere in der kleinen Schweiz ist es nicht immer einfach, genügend gute Leute für politische Ämter und Vorstandsfunktionen zu finden. Die Versuchung einer Ämterkumulation ist daher latent vorhanden. Wer aber zu viele Ämter an sich zieht, läuft Gefahr, dass zwischen den verschiedenen Rollen Interessenkonflikte auftreten, die kaum überwindbar sind.

      6 Einsitznahme von Exekutivmitgliedern: Grundsätzlich sollten Mitglieder der Exekutive nicht direkt Einsitz in die Strategische Führungsebene eines öffentlichen Unternehmens nehmen. So sollten z.B. Regierungsräte eines Kantons nicht Mitglieder des Verwaltungsrates des kantonalen Elektrizitätsversorgungsunternehmens sein. Dabei ist die betroffene Person einem dauernden Interessenkonflikt ausgesetzt. Im angeführten Beispiel müsste der Regierungsrat als Vertreter des Kantons auf möglichst tiefen Energiepreisen bestehen, als Mitglied der Strategischen Führungsebene müsste er zur Verbesserung der Rentabilität aber möglichst hohe Energiepreise ansetzen. Vor diesem Hintergrund wird die Thematik vertieft und die Vor- und Nachteile einer Einsitznahme dargelegt. Die Entscheidung hat letztlich jedes einzelne Mitglied der Exekutive selbst zu treffen, falls nicht eine übergeordnete Regelung den Umgang im Grundsatz definiert (6.4 Einsitznahme der Exekutive in der Strategischen Führungsebene, 118).

      7 Orientierung an der Privatwirtschaft: Auch wenn öffentliche Unternehmen wesentlich unterschiedliche Kontextbedingungen vorfinden, gelten viele Grundprinzipien der Unternehmensführung auch für sie. Eine Orientierung an den Praktiken der Privatwirtschaft ist daher stets eine bereichernde Quelle in der Ausgestaltung der eigenen Strukturen und Prozesse im öffentlichen Unternehmen. Damit ist allerdings keine blinde Übernahme gemeint, sondern eine intelligente Auseinandersetzung mit Instrumenten, welche sich in der Privatwirtschaft bewährt haben.

      Im Rahmen von Projekten, welche die Autoren seit Anfang der 2000er Jahre in der Praxis begleiten konnten, zeigte es sich, dass es ein überaus wichtiges Anliegen ist, einfache und übersichtliche Strukturen zu schaffen. Ziel von Public Corporate Governance ist es weiterhin, die Führung, Steuerung, Kontrolle und Aufsicht von staatlichen Unternehmen zu verbessern. Dennoch ist in verschiedenen Organisationen und Verwaltungen zu erkennen, dass oft in einem gut gemeinten Vorsatz Strukturen und Prozesse definiert werden, welche alles andere als einfach zu beurteilen sind.

      Warum erscheinen die Themen Corporate Governance und Public Corporate Governance als kompliziert? Folgende Erkenntnisse dienen als Erläuterung: Es wird nicht konsequent genug versucht, eine Lösung für die jeweilige Situation zu finden. Oder es wird stur versucht, Muster zu übernehmen. Im Weiteren kann die Idee bestehen, dass alle öffentlichen Unternehmen gleich behandelt werden sollen. Tatsächlich muss jedoch die Umsetzung der Public Corporate Governance situativ erfolgen. Es muss dabei auch Rücksicht genommen werden auf die individuellen Umstände des Unternehmens. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass situativ bedeutet, dass Vorgaben und Regelungen zwar konsequent, aber abgestimmt auf das Unternehmen ausgerichtet und umgesetzt werden.

      Es ist die Absicht der Autoren, in diesem Buch Strukturen und Prozesse zu entwerfen und einzuführen, welche einfach in Aufbau und Anwendung sind.

      1 Synonym wird an anderer Stelle auch der Begriff «Eigentümerstrategie» verwendet (z.B. Schedler, Gulde et al. 2007). Dieser Begriff wird in diesem Handbuch nicht verwendet, weil es sich beim Begriff «Eigentum» um einen genau definierten Rechtsbegriff handelt.

      2 Grundlagen

      Im folgenden Abschnitt werden einige grundlegende Aspekte dargelegt, die zur Public Corporate Governance in der Literatur gefunden werden können, was für die Steuerung von öffentlichen Unternehmen aktuell bereits beschrieben ist und welche Konzepte eine Rolle spielen. In der Literatur sind sie bereits ausführlich behandelt worden, weshalb an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung vorgenommen wird.

      Die konzeptionellen Grundlagen basieren auf Erkenntnissen der Betriebswirtschaft, der Rechtswissenschaft und auch, jedoch eher am Rande, der Politikwissenschaft.

      Bei Public Corporate Governance handelt es sich um ein internationales Thema, das wegen der verwaltungsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen national geprägt ist. Dieses Buch diskutiert das Thema vor dem Hintergrund der Praxis und der institutionellen Rahmenbedingungen in der Schweiz und in Liechtenstein. Die Autoren sind allerdings überzeugt, dass viele Grundsätze und Themen auch in anderen Kontexten wesentliche Anregungen geben.2

      Es sind die politischen Instanzen, welche über die Aufgabenbreite des Staates entscheiden. Dies geschieht in den üblichen, demokratisch legitimierten Verfahren. Die Leistungstiefe des Staates ist gegenüber dem ursprünglich eingesetzten Wohlfahrtsstaat eingeschränkt: Der Staat erfüllt nur noch die Aufgaben im Kernbereich der staatlichen Verantwortung selbst. Zu beachten ist, dass die Verantwortung des Staates für ausgelagerte Aufgabenbereiche nicht aufgehoben wird. Seine Rolle im Entwicklungsprozess ist hingegen eine völlig andere: Der Staat soll die Gesellschaft vermehrt aktivieren, indem auch direktere Partizipation der Bürger/Kunden an der Leistungserstellung ermöglicht und gefördert wird. Auch die daraus entstehende Gewährleistungsverwaltung handelt zielgerichtet, jedoch autonomer und mit einem gewissen Verhandlungsspielraum. Über die konkrete Definition der Staatsaufgaben entscheidet nicht der Markt, sondern sie ist nach wie vor das Resultat eines demokratischen Verfahrens.

      Die Grenzen zwischen Staat und Wirtschaft sind nicht klar gezogen, sondern durch Überschneidungen charakterisiert. Durch «Empowerment» der Einwohner sollen diese zur Eigenerstellung öffentlicher Güter angeregt werden. Dies geschieht in vielfältigen Formen der Leistungserbringung, in denen öffentliche und private Verantwortung miteinander verbunden werden. Der traditionelle Staat verändert sich zum Partner,