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Friedlaender / Mynona und die Gestalttherapie


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Stufe wieder, und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit kommt erneut zum Zuge, das Selbst entwickelt seine sozialen Kompetenzen weiter; es lernt, das zuvor in seiner Stärke entwickelte Ego wieder zurück zu nehmen und sich in der Gemeinschaft anzupassen, über das sich das Selbst auch definiert. Doch die Ego-Entwicklung ist noch nicht genügend gereift, als dass sie hier so einfach abgeschlossen sein könnte. Sie verschafft sich auf der ORANGEN Stufe erneut die primäre Beachtung. Hier erfährt sich das Selbst wieder in seinen individuellen Möglichkeiten, der Einzelne kann nun seine rationalen Kompetenzen anwenden und ausbauen und seine erfolgsorientierten Bestrebungen, seine Freude an Leistung und Wettbewerb ausleben – ein personales Selbst entsteht.

      Am Ende der ORANGEN Ebene hat das Selbst fünf große Entwicklungsstufen durchlaufen. Bei Beck & Cowan und auch bei Kegan scheint sich das Pendeln der Polaritäten durch die Stufen hinweg fortzusetzen, das heißt, auf der GRÜNEN Stufe wäre jetzt wieder der Pol der Zugehörigkeit im Vordergrund. Dafür spricht natürlich, dass hier tatsächlich Gemeinschaft ein hoher Wert ist, dass das Bewusstsein ökologisch oder weltzentrisch wird usw. Andererseits – und das ist nicht sekundär – geht es auf GRÜN um Selbstverwirklichung, um das Aufspüren und Realisieren der eigenen Bedürfnisse.

      Daher stelle ich die Hypothese auf, dass nun auf GRÜN ein spektakulärer Prozess seinen Anfang nimmt: die Integration von Polaritäten.

      GRÜN – Integration der Polaritäten wird vorbereitet

      Mit der GRÜNEN Ebene beginnt man, Vielfalt zuzulassen (Pluralismus), und man ist relativistisch; man verfügt über die kognitiven Möglichkeiten, in Wechselbeziehungen zu denken, und man kann Ereignisse in ihrer Vernetzung aus externer Perspektive wahrnehmen.

      Wenn diese Kompetenzen im fortgeschrittenen Stadium von GRÜN tatsächlich umgesetzt werden, dann kommt es zwangsläufig zu einem inneren Konflikt:

      Früher oder später kommt man in einen Widerspruch zwischen den Rechten, die man aus der eigenen Selbstverwirklichung ableitet, und dem Wert, allen Lebewesen gleiche Rechte zuzugestehen, denn beide Werte gelten gleichermaßen auf GRÜN. Zum ersten Mal bricht dieser Werte-Konflikt explizit auf einer Ebene auf, ohne dass einer der beiden Werte in den Hintergrund zurückweicht. Auf den vorhergehenden Stufen mussten die Pole sozusagen getrennt zur Reife gebracht werden, bis sie nun auf GRÜN aneinander reifen müssen.

      Dieser Reifungsprozess stellt eine enorme Anforderung an das Selbst dar. Etwas, das bis zu dieser Stufe unvereinbar war, prallt nun aufeinander und verlangt eine Lösung, die keine weitere Abspaltung erlaubt. Der Weg der Abspaltung ist nun versperrt: zum einen, weil er sich nach den Werten dieser Stufe verbietet, zum anderen, weil das Bewusstsein entwickelt genug ist, um zu erkennen, dass weitere Abspaltung sinnlos ist, dass darin kein Fortschritt, keine Entwicklung mehr liegen kann.

      Aber was dann? In der Theorie ist die Antwort einfach: Es geht um Integration, um Transzendieren und Umfassen, wie es bei Wilber heißt, wenn es um die Drehpunkte die Stufenübergänge geht. Aber was heißt das hier konkret?

      Meiner Auffassung nach wird hier auf GRÜN die Integration der Pole vorbereitet, bevor sie auf der nächsten Ebene vollzogen wird. Es ist bereits eine große Leistung, beide Pole gleichwertig nebeneinander auftreten zu lassen, den sich daraus ergebenden Widerspruch zuzulassen und zu versuchen, beiden Seiten gerecht zu werden. Die GRÜNE Leistung besteht darin, aus dem durch die bisherigen Stufen hindurch praktizierten Weg der Abspaltung der Polarität in Pole auszusteigen und den Konflikt, der sich aus dem Aufeinandertreffen beider Pole ergibt, auszuhalten. Die GRÜNE Lösung dieses Konflikts kann noch nicht die große Integration sein, dafür ist noch eine weitere Transformation nötig. Die Voraussetzung für eine solche Transformation wird jedoch auf GRÜN geschaffen, indem man sich an der Quadratur des Kreises müht: Man versucht, beiden Polen gerecht zu werden, Lösungen dafür zu finden, in Gemeinschaft zu leben und den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das bedeutet, sowohl dem eigenen Bedürfnis nach Zugehörigkeit nachzugehen als auch dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Oder noch einmal anders ausgedrückt: anderen Menschen Selbstverwirklichung zuzugestehen bzw. sie darin zu unterstützen und eigene Grenzen zu erweitern etc.

      Das führt nicht selten zu Formen des Selbstbetrugs der einen oder anderen Richtung, die aufgedeckt und durchlitten werden müssen. Da werden der Gruppenharmonie eigene starke Interessen geopfert, die sich dann andernorts Bahn brechen. Es werden Ideologien von Gleichheit vertreten, die so nicht gelebt werden können (einfach weil sie nicht der Realität entsprechen). Es werden Hierarchien (auch Holarchien) geleugnet, weil sie mit den Werten unvereinbar scheinen etc. Das alles muss ausprobiert, ausgehalten und durchlebt werden, wenn man Polarität nicht mehr verdrängt, sondern die Pole aufeinander prallen lässt.

      Gegen Ende von GRÜN hat man erfahren, dass es nicht die Lösung gibt für diesen Konflikt, denn es kann keine klare, inhaltlich eindeutige Anweisung geben, wie man konkret Polarität leben kann. GRÜN hat es mit der Anweisung versucht: Beide Pole sind gleichwertig und stellen keinen Widerspruch dar!

      Damit ist es zum ersten Mal möglich, beide Pole bestehen zu lassen – das ist die großartige Leistung dieser Stufe. Die Gefahr dabei ist, dass Unterschiede nivelliert, also Differenzen geleugnet werden (beispielsweise Geschlechterdifferenzen). Im Idealfall jedoch hat man erfahren, dass die Pole gleichwertig sind, also keiner der Pole per se richtig oder falsch ist. (Eine Grundidee, die uns schon im Quadrantenmodell begegnet ist, denn alle Perspektiven sind gleichwertig, keine ist wichtiger als eine andere etc.) Damit ist auch klar, dass die Antwort für einen angemessenen Umgang nicht mehr darin liegen kann, sich ein für alle Mal für eine der beiden Seiten zu entscheiden. Mit dieser grundsätzlich neuen Einsicht sind nun die Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten von GRÜN umfassend ausgeschöpft und der Prozess der Integration der Pole muss sich auf der nächsten Stufe fortsetzen.

      GELB – Integration der Polaritäten – von der ersten zur zweiten Ordnung

      Mit GELB, der integralen Stufe, begegnen wir nicht nur in der bei jedem Stufenübergang üblichen Weise neuen Herausforderungen. Dem tragen die Modelle von Wilber Rechnung, indem sie mit Beginn der integralen Stufe (bei Wilber Schau-Logik7 genannt) den transpersonalen Bereich eröffnen, und die Spiral Dynamics von Beck & Cowan sprechen bis zu GRÜN von der »ersten Ordnung menschlicher Entwicklung« (first tier) und beginnend mit GELB von der »zweiten Ordnung menschlicher Entwicklung« (second tier). Dort heißt es:

      »Wer aus der ersten Ordnung (First Tier) heraustritt, sieht zu viel und aus zu vielen Blickwinkeln, um eine Einfachheit anzunehmen, die nicht vorhanden ist. Jetzt, da die Lebensbedingungen1-6 [die ersten sechs Stufen oder WMems8] Geschichte sind, beginnen Urteile, welche die gesamte Spirale überblicken, den grünen Relativismus abzulösen. Die Realisierbarkeit von individuellen wie von Gruppenaktionen vergrößert sich, und auch die Fähigkeit des Einzelnen, zugleich mit Vielfalt und Komplexität umzugehen, wächst. Ein bisschen Disharmonie erscheint nun natürlich und die eigene Toleranz für offene Widersprüche nimmt zu. […] Eine ganz neue Denkweise schickt sich an, zu entstehen, während das gelbe WMem die zweite Ordnung (Second Tier) der menschlichen Existenz zum Leben erweckt.« (Beck & Cowan 2011, 434 f.)

      An anderer Stelle sprechen sie im Zusammenhang mit der ersten Ordnung (First Tier) der menschlichen Entwicklung von der Phase des »Handlungsmenschen«, die gewissermaßen den »Gipfel unserer Primatennatur« darstelle. (ebd. 436) Und zum Übergang von GRÜN zu GELB führen sie weiter aus:

      »Jedes Aufleuchten eines neuen WMems ist ein großer Schritt in der Entwicklung der Menschheit. Doch der Übergang von GRÜN nach GELB ist ›ein bedeutsamer Sprung‹, so Graves9, der uns von den Subsistenzebenen der ersten Ordnung zu den Seinsebenen der zweiten Ordnung (Second Tier) führt. Das ist nicht bloß eine neue Stufe auf der Treppe der Entwicklung. Die grünen Probleme unter den Lebensbedingungen6 [= die ersten sechs WMems) schließen alle der vorhergehenden Welten – Lebensbedingungen1, 2, 3, 4 & 5 – mit ein und schwingen oft gemeinsam mit ihnen. Unter den Lebensbedingungen7 beginnen die WMeme fast wieder von vorn, ähnlich wie ein musikalisches Thema, das in einer anderen