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Nest eines Hausrotschwanzes (Phoenicurus ochruros) mit Nestlingen in einer Gebäudenische
Neben den Gebäudefassaden können auch Dächer Ersatzlebensräume bieten. Sie sind der Sonneneinstrahlung, aber auch Wind, Niederschlägen und Kälte stark ausgesetzt. Auf den Dächern kommt es daher zu extremen Schwankungen bezüglich Temperatur und Feuchtigkeit. Mit solchen stark und schnell wechselnden Bedingungen kommen nur besonders angepasste Arten zurecht, insbesondere Flechten, Moose, aber auch einige höhere Pflanzen. Neben der Nutzung durch Vögel als Sing- oder Jagdwarte können besonders alte Dächer mit ihren Nischen auch als Niststandorte dienen. Eine Sonderstellung nehmen die Flachdächer ein: Werden diese nicht von Menschen genutzt, so sind sie oft mit Kies oder einer extensiven Begrünung bedeckt. Derart «unberührte» Standorte können eine erstaunliche Artenvielfalt entwickeln. Auf großen ausgedehnten Flachdächern wurden sogar schon verschiedene bodenbrütende Vogelarten, u.a. der vielerorts seltene Kiebitz (Vanellus vanellus), nachgewiesen.
Verschiedene Tierarten besiedeln nicht nur die Gebäudehülle, sondern auch das Gebäudeinnere. Während einige nur in selten benutzten Teilen wie Dachstock oder Keller anzutreffen sind, gibt es auch solche, die sogar in unseren Wohnungen leben und mit denen wir das Bett teilen.
Wo gebaut wird, entstehen immer wieder neue Materialdepots und Rohbodenflächen. Diese werden von Pflanzen meist rasch besiedelt.
Baustellen
Es gibt wohl keine Stadt, wo nicht stets irgendwo mindestens eine große und viele kleine Baustellen in Betrieb sind. Besonders auf größeren Baustellen, die längere Zeit bestehen, siedeln sich gerne bestimmte Tiere und Pflanzen an. Charakteristisch für Baustellen sind die offenen und durch den fehlenden Humus auch nährstoffarmen Bodenoberflächen. Dort gibt es trockene und sandige, aber auch schlammige Bereiche oder sogar temporäre Gewässer. Meistens gibt es auch Bereiche, wo längere Zeit nicht gearbeitet wird und daher auch potenzielle Bewohner nicht gestört werden. Arten, die unter den kargen Baustellenbedingungen leben können, werden als Pionierarten bezeichnet. Unter diesem Begriff fasst man Tiere und Pflanzen zusammen, die erst kürzlich entstandene Lebensräume besiedeln. Sie kommen mit dem knappen Nährstoffangebot und den harschen und schnell wechselnden Lebensbedingungen besonders gut zurecht. Ohne neue Störungen des Lebensraumes werden sie aber in der Regel bald einmal durch nachfolgende Arten verdrängt. Pionierarten sind daher auf immer neue Pionierstandorte angewiesen. Sie sind in der Regel auch sehr mobil. Die Pflanzen unter den Pionierarten verfügen hierzu über entsprechend angepasste Ausbreitungsstrategien. Typische Pionierarten sind Klatschmohn (Papaver rhoeas) und gewisse Schmetterlingsblütler. Letztere können durch eine Symbiose mit Bakterien den Luftstickstoff in den Bodenporen zu mineralischem Stickstoff umwandeln. So erhalten die Pflanzen auch auf kargen Böden genügend Nährstoff. Als Gegenleistung erhalten die an den Wurzeln lebenden Knöllchenbakterien von der Pflanze Zuckerstoffe.
Der Klatschmohn (Papaver rhoeas) ist eine Pionierart, die oft auf Baustellengeländen zu finden ist.
Vorteile durch Symbiose
Rohböden, wie sie auf natürlichen Pionierstandorten oder auch auf Baustellen zu finden sind, zeichnen sich meistens durch Nährstoffknappheit aus. Einer dieser knappen, aber wichtigen Pflanzennährstoffe ist Stickstoff. Stickstoff ist mit rund 78 % der Hauptbestandteil unserer Luft und daher auch im trockenen Porenraum des Bodens überall vorhanden. Aber dieser elementare Stickstoff (N2) kann von den Pflanzen nicht genutzt werden. Über die Wurzeln können ihn die Pflanzen nur in mineralischer Form (z.B. Nitrat) aufnehmen. Durch die Symbiose mit bestimmten Bakterien, den sogenannten Knöllchenbakterien, können die Pflanzen aber den Stickstoff in der Bodenluft nutzen. Nach der «Infektion» der Wurzelzellen mit den Bakterien, veranlassen diese eine Teilung und Vergrößerung der Wurzelzellen. Dies führt zu knöllchenartigen Verdickungen der Wurzeln, an denen die Bakterien den elementaren Stickstoff in pflanzenverfügbaren mineralischen Stickstoff umwandeln. Im Gegenzug zu dieser «Dienstleistung» erhalten sie von der Pflanze organische Kohlenstoffverbindungen. Durch den Abbau dieser Verbindungen können die Bakterien die Energie gewinnen, die sie zum Leben benötigen.
Industriebrachen
Nicht mehr genutzte Industrieareale werden erstaunlich schnell von Pflanzen und Tieren besiedelt.
Zu einer Stadt gehört fast immer auch Industrie, und damit Industriebrachen, die zumindest vorübergehend nicht mehr oder nur noch teilweise genutzt werden. Der Verfall und oft auch die problematischen Altlasten aus jahrzehntelanger Produktion und Nutzung bergen oft große ökologische Risiken und Gefahren. Gleichzeitig laufen hier aber auch sehr interessante ökologische Prozesse ab. Auf Industriebrachen kann man beispielsweise sehen, wie sich Tiere und Pflanzen wieder ansiedeln und solche Areale zurückerobern. Dabei ist es oft erstaunlich, wie schnell dieser Prozess vor sich geht: Erste Pflanzen suchen sich Wege durch Mauerwerk, Straßenbeläge und Betonplatten, vom Wind oder Regenwasser angesammeltes mineralisches und organisches Material ermöglichen zusammen mit Mikroorganismen Bodenbildungsprozesse, und verstopfte Abflüsse lassen Stillgewässer entstehen, die rasch von ersten Wassertieren besiedelt werden. Das Artenspektrum in solchen Gebieten ist oft groß und kann je nach vergangener Zeit neben den Pionierarten auch zahlreiche andere Arten umfassen. Abhängig vom Standort und Sukzessionsgrad sind ganz unterschiedliche Arten anzutreffen. In den frühen Stadien sind es oft Moose, Mauerpfefferarten und bestimmte Gräser. Bald einmal folgen auch auffälligere Blütenpflanzen wie der Gewöhnliche Natternkopf (Echium vulgare), Greiskräuter (Seneccio sp.) und Goldruten (Solidago sp.). Schon früh treten die ersten Gehölzarten auf, wie Weiden (Salix sp.), Birken (Betula sp.), aber auch Neophyten wie Sommerflieder (Buddleja davidii) oder die Gewöhnliche Robinie (Robinia pseudoacacia). Unter den Tieren gibt es zahlreiche wirbellose Arten wie Spinnen und Insekten, die sich von den Pflanzen ernähren oder andere Wirbellose jagen. Unter den Wirbeltieren können Arten wie die Mauereidechse (Podarcis muralis) sehr häufig sein. Aber auch zahlreiche Vogelarten, Mäuse und Füchse (Vulpes vulpes) leben gerne in solchen Gebieten.
Zu den Pionierarten gehört auch der Gewöhnliche Natternkopf (Echium vulgare).