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Welche Bildung braucht die Wirtschaft?


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sein zu lassen. Sofort zu intervenieren. In Aktivismus zu verfallen. Das tut weder der Wirtschaft gut noch der Schule.

      Was tun? Die Hände in den Schoß legen, das Laissez-faire pflegen? Das geht auch nicht. Jeder Bauer, Lehrer, Unternehmer weiß: Man darf weder am Trieb ziehen, noch dem Treiben bloß zusehen. Man muss etwas tun. Mengzi sagt es so: Man hackt, man jätet, man lockert den Boden. Kurz: Man pflegt und hegt. Man kultiviert.

      Es gibt viel zu kultivieren – auch in Bildung und Wirtschaft. Denn die Welt ist nicht so, wie sie sein sollte. Welche Welt Wollen Wir? Unter diesem Motto stehen die Symposien, die das Lassalle-Institut seit Jahren durchführt. Kurz und bündig: Wir wollen eine Welt für alle! Man darf ruhig das eine herausheben. Eine Welt – oder keine.

      Leben ist isoliert nicht denkbar. Es ereignet sich in einem subtilen Netzwerk, das keine Grenzen kennt. Diese Einheit allen Lebens ist uns vorgegeben. Wir können sie nicht herstellen, indem wir gleichsam von außen ein Netz über Dinge und Menschen werfen und versuchen, sie so zusammenzuhalten. Was wir tun können: uns der grundlegenden Vernetzung der einen Welt innewerden. Diese Erfahrung der Einheit im Leben – gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch – Realität werden lassen. Ja: Wir können dazu beitragen, dass sich die implizite Einheit allen Lebens manifestiert. Dass inmitten der konkreten Vielfalt und Verschiedenheit eine Gemeinschaft von Rassen, Religionen, Kulturen und Nationen die Einheit aller Menschen möglich wird.

      Das verlangt ein verändertes Bewusstsein. Ein weites, offeneres Denken. Offener, spontaner, kreativer: Wir sind, so Helmut Geiselhart, unterwegs zu einem neuen Menschentyp. Und Carl Bossard erinnert uns daran, dass junge Menschen – nicht nur junge – Werte wollen und nicht nur Worte. Und sie wollen – und brauchen! – Bildung, nicht nur Aus-Bildung.

      Es stellt sich für Verantwortliche in der Wirtschaft, Politik, Erziehung und Bildung die Frage: Welche Werte wollen wir verwirklichen? An welchem Menschenbild uns orientieren? Am homo faber, am homo oeconomicus oder am homo sapiens sapiens? Oder an den Prinzipien des universellen Ethos, wie Hans Küng sie formuliert und das Parlament der Weltreligionen sie 1993 in Chicago verabschiedet hat? Eine Kultur der Gewaltfreiheit und die Ehrfurcht vor dem Leben; eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung; eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit; schließlich eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau.

      Wie müssen Wirtschaft und Bildung aussehen, in denen Raum ist, Freiraum und Spiel-Raum, zur Pflege dieser Haltungen? Spätestens seit Josef Piepers Muße und Kult und Zucht und Maß wissen wir, dass nur wer Zeit hat und sich Zeit nimmt, wer auch mal müßig geht und innehält, Maß zu halten versteht. Maßhalten ist zwar nicht die erste Tugend – das ist die Klugheit – und nicht die wichtigste – das ist die Gerechtigkeit –, wohl aber die heute aktuellste.

      Ich lade Sie ein: Jetzt, im Eintreten in unser gemeinsames Nachdenken über Bildung und ihre Ziele, tief Atem zu holen. Im Hier und Jetzt anzukommen mit dem Wort von Rose Ausländer: Mein Atem heißt jetzt.

Thomas Philipp * 1965, studierte Katholische Theologie und Geschichte in Tübingen, Paris und Heidelberg und wurde mit einer Arbeit über das Menschenbild der Psychosomatischen Medizin promoviert. Tätigkeiten als Jugend- und Studierendenseelsorger sowie in der Bildungsarbeit. Seit 2006 leitet er das aki, die Berner Katholische Hochschulseelsorge. Veröffentlichungen zwischen Theologie, Psychotherapie, Spiritualität und Bildung.

      Wonach wir fragen

      Die Atmosphäre, die Sprache, das Menschenbild einer Universität, einer Schule, eines Bildungswesens sind nicht in Stein gehauen. Sie entwickeln sich. In den letzten zwanzig Jahren haben betriebswirtschaftliche Begriffe – Effizienz, Steuerung, Output, Kompetenz – pädagogische und philosophische Leitbegriffe – Reife, Verantwortung, Eigenständigkeit, Selbstfindung – weitgehend verdrängt. Die Konzentration auf das Messen, Kontrollieren und Nachsteuern prägt gleichermaßen die Bologna-Reform, die sogenannten Bildungsstandards, ihre Erhebung durch Multiple-Choice-Tests und die Verkürzung der Schulzeit bis zur Matur in den meisten Schweizer Kantonen und deutschen Bundesländern. Auch zeitlich fällt das Auftreten dieser Maßnahmen – im Folgenden kurz Reformen – weitgehend zusammen.

      Ungläubig verfolgte ich das erst rhetorische, dann politische Zerschellen der humanistischen Ideale an, wie es hieß, ökonomischen Notwendigkeiten. Die Versuche, die verantwortliche, neugierige, reifende Freiheit im Mittelpunkt des Bildungswesens zu halten, wirkten hilflos. Auch die europaweiten Proteste von Studierenden im Jahr 2009 erreichten nur Achtungserfolge: das Umschwenken der großen deutschsprachigen Zeitungen und, in Deutschland, die Abschaffung der Studiengebühren.

      Welche Sprache?

      Im Zentrum der Kritik an den Reformen steht die Herrschaft wirtschaftlichen Denkens. Indes hat das Phänomen noch nicht zu einem klaren Begriff gefunden. Viele Kritiker, wie der Kunstprofessor und Latinist Jochen Krautz (2007, 105 ff.), nennen das Phänomen Neoliberalismus[1]. Sie interpretieren es politisch, von Interessen und Drahtziehern her. In Sprache und Haltung ist diese Deutung im linken Milieu beheimatet. Sie ist von der Bewegung gegen die Globalisierung mitgeprägt, was zu unscharfen Rändern führt und ein Ressentiment einschließt.

      In neueren Arbeiten konzentriert Krautz seine Kritik darauf, dass hier die Sprache der Maschine und ihrer Steuerung auf Menschen und ihre Bildung übertragen werde. Das unterlaufe deren Freiheit und Würde. Was man heute Qualitätsmanagement nenne, basiere auf einem technischen, genauer kybernetischen Steuerungsmodell. Bei einer Heizung stelle der Techniker eine gewünschte Temperatur ein (Output-Standard), woraufhin der Kessel (der Unterricht) zu arbeiten beginne. Ein Messfühler (zentrale Prüfungen, PISA) messe die faktische Temperatur und melde das Ergebnis an die Steuerung (Zentralbehörde) zurück, die den Kessel nachsteuere. »Schule erscheint somit als Maschine, die programmiert und von außen gesteuert werden könne. Lehrer sind in diesem System nur noch Techniker, die die Schüler nach Soll-Vorgaben steuern. Das widerspricht dem personalen Menschenbild des Grundgesetzes und unterläuft die Mündigkeit und Selbstverantwortung von Lehrern und Schülern.« Beide handelten nicht mehr selbstverantwortlich, sondern nur noch selbstgesteuert: »Sie richten ihr Handeln an den unhinterfragten Maßgaben des Steuerungssystems aus.« Das Qualitätsmanagement wirke verdeckt, aber massiv normativ. Es unterdrücke die Individualität von Schülerinnen und Schülern wie von Lehrerinnen und Lehrern. Krautz widerspricht: »Weil pädagogisches Handeln keine Technik, sondern eine menschliche Praxis ist, kann sie nicht aus Theorie eindeutig abgeleitet und nicht durch Techniken angeleitet werden.«[2] Darum sei pädagogisch nicht auf Selbststeuerung, sondern auf Gespräch und personale Beziehung zu setzen. Diese Kritik der Reduktion des Menschen zu einem Ding, einem bloßen Objekt, setzt sprachlich an und zielt auf eine ethische Bewertung von den Menschenrechten her. Der Bezug auf das Grundgesetz deutet eine juristische Argumentation an.

      Der Philosoph Julian Nida-Rümelin (2013, 62) kritisiert das Phänomen als bloß instrumentelle Vernunft. Es wolle von »Rationalität nur in Hinblick gegebener Ziele des jeweiligen Akteurs sprechen. Diese Ziele selbst entziehen sich jeder rationalen Beurteilung«. Doch Humanität und Demokratie stünden und fielen damit, dass auch die Ziele der Debatte der vernünftigen Kritik unterlägen. Diese Kritik fasst das Phänomen von seinen erkenntnistheoretischen Voraussetzungen her. In der Tat: Das Ausgreifen der ökonomischen Interpretation auf alle Lebensbereiche setzt die These Gary S. Beckers (1978, 15) voraus, alles menschliche Verhalten könne »betrachtet werden, als habe man es mit Akteuren zu tun, die ihren Nutzen, bezogen auf ihr Präferenzsystem, maximieren«. So gewinne man einen einheitlichen Bezugsrahmen für die Analyse menschlichen Handelns, wie ihn Marx und andere vergeblich gesucht hätten: eine geschlossene Ideologie!

      Der Wirtschaftsethiker Peter Ulrich (2013, 34) spricht von Ökonomismus als einer Weltanschauung, »die sich hinter dem Jargon wertfreier Sachrationalität versteckt, dabei aber die ökonomische Rationalität (Effizienz) zum obersten Wertgesichtspunkt verabsolutiert