Heike Fischer

Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln


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im Zeittakt. Die Ausrichtung auf Produkte, die auf »Sozialmärkten« angeboten und in Leistungskatalogen aufgelistet werden, führt von den spezifischen Bedürfnissen der Menschen weg. Das lässt sich mit formalen Qualitätssystemen, d. h. Standards, die zwischen Kostenträgern und Einrichtungen ausgehandelt werden, allein nicht ausgleichen.

      Angesichts jüngster Marktexzesse und wiederkehrender Krisen muss der Glaube an effiziente und zum Gleichgewicht tendierende Märkte – selbst in der Welt des Profitstrebens – als widerlegt gelten. Welchen Sinn sollte es also haben, Systeme in anderen gesellschaftlichen Bereichen marktlich zu koordinieren? Speziell, wenn es sich dabei um Organisationen handelt, die öffentliche Güter bereitstellen oder gemeinnützig arbeiten. In den meisten Feldern der sozialen Arbeit, der Patientenversorgung oder der öffentlichen Verwaltung ist Wettbewerbslogik nicht angemessen. Viel naheliegender sind dagegen Prinzipien der Gegenseitigkeit, Solidarität und Kooperation.

      Im Non-Profit-Sektor muss sich also der Organisationserfolg in erster Linie an den originären Non-Profit-Zielen messen lassen. Umso erstaunlicher ist es, dass bei Umstrukturierungen so häufig ökonomische Ziele die Hauptrolle spielen. Schließlich sind die jeweiligen Non-Profit-Werte und -Funktionen nicht nur für die jeweilige Zielgruppe wichtig, sondern auch für die Reputation der Einrichtung. Letztlich wird die Organisation daran gemessen, ob sie ihrer wertegebundenen Ausrichtung gerecht wird. Keine NPO kann Vertrauen allein aus wirtschaftlichem Erfolg generieren.

      In der Gesellschaft übernehmen NPO das, was profitorientierte Organisationen nicht leisten können. Profit- und Non-Profit-Bereiche ergänzen sich. Viele NPO gehen denn auch auf Initiativen zurück, durch Märkte produzierte Ungerechtigkeiten und Krisen abzufedern. Bürgerschaftliches Engagement ist eine Triebfeder vieler genossenschaftlicher Organisationen. Bürgerbeteiligung oder soziale Inklusion, Minderheitenrechte und Selbstbestimmung oder Verantwortung für die Umwelt haben in den Leitlinien vieler Non-Profit-Organisationen einen hohen Stellenwert.

      Ohne das entsprechende Engagement zivilgesellschaftlicher Organisationen, ohne den Beitrag kirchlicher und säkularer Wohlfahrtsverbände im Rahmen sozialer Hilfssysteme und ohne das breite Spektrum von Non-Profit-Zwecken wäre unsere Gesellschaft sehr viel ärmer und es stünde schlecht um den sozialen Zusammenhalt.

      Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen, weshalb der Paradigmenwechsel von der Bedarfs- zur Marktorientierung kritisch zu bewerten ist. Immer mehr Menschen beschäftigt die Frage, wie Mehrwert geschaffen werden kann, der nicht nur dem Geldverdienen dient, sondern Grundbedürfnisse eines »guten Lebens« und eines »guten Miteinanders« stärker berücksichtigt. Ökonomische Faktoren erscheinen heute überbewertet. Der Nachholbedarf bei Entwicklungskonzepten im Non-Profit-Bereich liegt eher bei der Konturierung der jeweiligen Non-Profit-Identität und der Stabilisierung ausgleichender Non-Profit-Funktionen.

      NPO sollten sich nicht in Profit-Organisationen zweiter Klasse wandeln, sondern ihre Identität stärken, indem sie Entwicklungsmaßnahmen in erster Linie an den jeweiligen Organisationszwecken ausrichten. Profilrelevant sind Kriterien, die das Vertrauen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen in die NPO rechtfertigen. Wozu gibt es uns als Organisation? Wer profitiert am meisten von unserer Arbeit? Was würde fehlen, wenn es uns nicht gäbe? Auf welche Werte stützt sich unsere Vitalität? Solche und ähnliche Fragen helfen, nachhaltige Erfolgskriterien zu identifizieren. Non-Profit-Werte gehören nicht nur in Präambeln und Leitbilder, sondern müssen auf allen Ebenen der Organisationspraxis und systematisch verankert und gepflegt werden.

      Die Wurzeln der Staatsnähe des Non-Profit-Bereichs in Deutschland reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Die Verflechtung von öffentlichen Institutionen mit den freien Trägern der Wohlfahrtspflege ist vielfältig. Der Staat kann nicht alle Leistungen, für die er politisch verantwortlich ist, selbst erbringen. Die Übertragung staatlicher Aufgaben an nichtstaatliche Organisationen entspricht dem Subsidiaritätsprinzip. Dieses politische und gesellschaftliche Ordnungsprinzip ist in der Sozialgesetzgebung (Sozialgesetzbuch/SGB XII, § 5) verankert und weist nichtstaatlichen Organisationen den Vorrang bei der Erstellung sozialer Dienstleistungen zu. Diese Festschreibung regelt also eine spezifische Form der Partnerschaft zwischen dem Staat und Teilen des Non-Profit-Sektors, bedeutet aber auch wechselseitige Abhängigkeit.

      Im Non-Profit-Bereich profitierten vor allem die Wohlfahrtsverbände durch hohe Wachstumsraten vom Subsidiaritätsprinzip. Die Träger der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland zählen weltweit zu den größten NPO.

      Für die öffentliche Hand bedeutet die vertragliche Ausgliederung von Aufgaben einen Zugewinn an Flexibilität in der Leistungserstellung, und zwar in personeller, zeitlicher und verwaltungstechnischer Hinsicht. Der Staat gründet deshalb auch selbst NPO. Im Rahmen der Verwaltungsreform (Neues Steuerungsmodell) haben solche Ausgründungen zugenommen. Die Nachfrage nach sozialen Diensten und Einrichtungen (z. B. Kinderpflegestellen und Einrichtungen für Jugendhilfemaßnahmen) ist überdies in großen Teilen staatlich gestiftet. Die Steuerung der Produktion, Verteilung und Finanzierung sozialer Dienste finden in Arrangements zwischen dem staatlichen Finanzier und Trägerorganisationen statt (vgl. Buestrich/Wohlfahrt 2008).

      Gemessen an der staatspolitischen Diskontinuität durch mehrere Regimeumbrüche weist Deutschland sozialpolitisch ein großes Maß an Kontinuität auf. Der Non-Profit-Sektor zählt zu den strukturellen Garanten gesellschaftlicher Stabilität. Wobei allerdings die Entwicklung von NPO in der DDR gesondert gewertet werden muss (s. o.: 1. Gewachsene Organisationsformen zwischen Markt und Staat).

      Die sozialpolitische Stabilität in Deutschland ist nicht zuletzt der geregelten Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und freien Trägern geschuldet. Im internationalen Vergleich scheint die dezentrale und plurale Anbieterstruktur für soziale Dienstleistungen vorteilhaft. Eine der Stärken des deutschen Systems ist die verlässliche und ortsnahe Produktion von Dienstleistungen und das hohe Qualifikationsniveau des Personals im sozialen Sektor.

      Die heutige Gewichtung zwischen den drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft in Deutschland ist eine Errungenschaft, die sich aus dem gesellschaftlichen Leben über Generationen hinweg herausgebildet hat. Sozialpolitischen Durchbrüchen gingen kritische Situationen wie Kriege, soziale Unruhen oder schwerwiegende Arbeitskämpfe voraus. Non-Profit-Organisationen spielten in der Abwendung von Krisen und Notsituationen und für den sozialen Fortschritt eine bedeutende Rolle. Das betrifft vor allem die Bereiche Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohnen, Einkommenssicherung und Schutz vor Armut. Errungenschaften wie Sozialversicherung, Tarifvertragswesen und soziale Dienste sind organisatorisch im Non-Profit-Bereich angesiedelt. Sie waren das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen im Kontext unterschiedlicher Machtverhältnisse und wirtschaftlicher Möglichkeiten.

      Die relative Staatsnähe des Non-Profit-Sektors in Deutschland hat Tradition. Ein Grund mag sein, dass z. B. wichtige Reformen »von oben« erfolgten – etwa die schrittweise Modernisierung Preußens (1807-1820) nach der Niederlage gegen Napoleon. Diese Modernisierungswelle umfasste die preußische Verwaltungsreform, die Bauernbefreiung und Entfeudalisierung der Bodenordnung, die Einführung der Gewerbefreiheit sowie eine Finanz- und Heeresreform. Dazu kam noch die Reform des Bildungs- und Universitätswesens mit der Gründung der Berliner Humboldt-Universität (1810). Diese Reformen stützten sich auf Prinzipien der bürgerlichen Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft. Sie bildeten den Boden für die Entwicklung der Naturwissenschaften in Deutschland und der darauf aufbauenden Industrialisierung (Kaufmann 2003, 250 ff.).

      Die Industrialisierung setzte in den 1840er-Jahren ein, wobei die Entwicklung des Kapitalismus mit der Staatsentwicklung Hand in Hand ging. Das Deutsche Reich entstand 1871 aus einem Staatenbund. Die Reichsgeschäfte im Kaiserreich führte zunächst im Wesentlichen die preußische Verwaltung.

      Die Ausbildung höherer preußischer Beamter umfasste neben der Kameralistik und Verwaltungslehre auch Wirtschaftslehre. Schon in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts rezipierte die preußische Beamtenschaft die wirtschaftsliberalen Lehren von Adam Smith. Die Entwicklung des Industriekapitalismus profitierte von staatlichen Garantien, Rechtssicherheit und Hilfen beim Aufbau des Arbeitskräftepotenzials.

      Eine erste Abkehr vom Wirtschaftsliberalismus