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Dr. Slaven Stekovic
Der Jungzellen-Effekt
Alle Rechte vorbehalten
© 2018 edition a, Wien
Cover: JaeHee Lee
Gestaltung: Lucas Reisigl
ISBN 978-3-99001-277-2
E-Book-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
INHALT
Gesundheitsspanne statt Lebensdauer
Der Selbstversuch: Erziehe deinen Körper
FAST SCHON FASTEN
Sie hieß Matusa und wurde 110 Jahre alt. Matusa Rubic. Meine Urgroßmutter. Ich kannte sie nicht. Aber mit ihr hat alles begonnen. Alles, das ist mein wissenschaftliches Aufgabengebiet, die Altersforschung.
Ich sage das gleich einmal vorweg, weil es immer das Erste ist, was die Leute mich fragen. Wenn ich irgendwo mit Menschen zusammenkomme und man sich erzählt, wer man ist und was man so macht, läuft das bei mir meistens nach demselben Prinzip ab.
»Slaven Stekovic«, sage ich, »ich bin Molekularbiologe.«
»Ah, Molekularbiologe, interessant«, sagen die meisten.
Dann entsteht eine Pause. In dieser ergibt sich oft ein ganz anderes Thema und der Molekularbiologe ist vergessen. Manchmal jedoch fragen die Leute weiter. Üblicherweise: »Was genau macht denn eigentlich ein Molekularbiologe?«
»Unterschiedlich«, antworte ich. Aber damit komme ich selten durch. Deshalb ergänze ich, bevor mich jemand womöglich für unhöflich hält: »Ich zum Beispiel beschäftige mich mit dem Altwerden.«
Meist entsteht wieder eine Pause. Die Leute schauen mich an und sind nicht sicher, was sie von mir halten sollen. Ich kann das verstehen, mir ginge es wahrscheinlich genauso, würde ich mir gegenüberstehen: einem unverkennbar jungen Mann, vermutlich keine dreißig, was derzeit gerade noch richtig vermutet ist, der seine Tage mit dem Altern verbringt.
»Aha«, sagen die meisten.
»Jetzt schon?«, fragen manche.
Wie kommt ein junger Mann nur auf so was, denken alle. Was hat so einer mit Altersforschung am Hut?
»Die Matusa ist schuld«, sage ich dann, oft schon, bevor die Frage tatsächlich gestellt ist. »Die Matusa war meine Urgroßmutter«, erkläre ich. »Sie ist mit 110 friedlich eingeschlafen, und sie war nicht die Einzige in meiner Familie, die dermaßen alt geworden ist.«
»Wirklich?«, fragen die meisten. »110 Jahre?«
»Ja«, sage ich, »die Frauen der mütterlichen Seite meiner Verwandtschaft hatten allesamt die Tendenz, sehr alt zu werden und dabei ziemlich gesund zu bleiben. Mit über neunzig standen sie noch fest im Leben. Und wenn es dann doch irgendwann vorbei war, waren sie immer noch so fit, dass sie mit beiden Beinen ins Grab hätten springen können. Sie waren sozusagen Instanzen des gesunden Alterns.«
Irgendwann habe ich mich gefragt: warum eigentlich?
Und stieß auf das Fasten.
Ich stieß noch auf einiges mehr im Lebensstil meiner Verwandtschaft, was sich mit aktuellen Forschungsergebnissen deckt.
Zum Beispiel, wieso der Mensch älter wird, wenn er genug schläft.
Warum er nicht gar so alt wird, wenn er zu viel schläft.
Weshalb er am ältesten wird, wenn er zur richtigen Zeit schläft.
Wie viel Lebenszeit ihn eine Käsekrainer kosten kann.
Was Tomaten mit Mozzarella und Olivenöl mit dem Lebensalter zu tun haben.
Wieso Nudeln vor dem Schlafengehen nicht das beste Rezept sind, um hundert Jahre alt zu werden.
Warum Menschen miteinander älter werden als alleine.
Wie der Alkohol Lebensjahre schluckt.
Warum Frauen älter werden als Männer.
Meine Vorfahren haben mir die meisten der Antworten über Generationen hinweg vorgelebt. Allen voran Matusa. Die mütterliche Linie meiner Verwandtschaft stammt aus den kroatischen Bergen im Hinterland von Split. Die Unerbittlichkeit dieser Gegend erlegte ihnen einen extrem harten Alltag auf. Einfachheit und Bescheidenheit wurden Tradition. Die Lebensumstände waren ungemütlich, die Lebensbedingungen bitter. Heute würden wir so ein Leben eine Mühsal nennen. Und doch war es im Hinblick auf ein hohes Alter in geistig und körperlich guter Verfassung besser als jeder Überfluss, der uns heute so selbstverständlich zur Verfügung steht.
Aber dazu kommen wir noch.
Es war natürlich nicht nur Matusa, die meine Berufswahl beeinflusste. Sie erweckte nur das erste Interesse in mir. Allerdings ist es irgendwie kurios, dass auch der zweite wichtige Impuls dazu, was ich mit meinem Leben anstellen könnte, aus der Verwandtschaft kam. Schon als Teenager zeigte sich bei mir das Familienleiden: zu hoher Blutdruck. Die Idee zur Altersforschung lag mir sozusagen im Blut.
Meine Diagnose bekam ich mit 17, nicht unbedingt überraschend. Herrje, ich auch, oje, naja. Wenn sich die ganze Familie mit demselben Thema herumschlägt, macht niemand ein großes Theater. Noch dazu waren die Werte nicht komplett außer Rand und Band. Meinen übereifrigen Blutdruck sah ich nur in Form von Zahlen auf einem Messgerät. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mich irgendwie gestört hätte.
Das kommt daher, dass Bluthochdruck ein zutiefst hinterhältiger Kerl ist. In Wahrheit weiß man nicht einmal, dass er überhaupt da ist. Still und heimlich tut er sein Tagwerk, aber kein Mensch bekommt wirklich mit, was er dabei anrichtet, bis es tatsächlich ernst wird. Okay, hin und wieder hat man Ohrensausen, es bricht einem der Schweiß aus oder man fühlt sich wie jemand, der es eilig hat und dem gerade fünfmal hintereinander der Parkplatz vor der Nase weggeschnappt wurde. Aber sonst? Ab und zu war ich auch ohne Parkplatzsuche ein bisschen aufgeregt, aber das war schon alles. Man spürt nichts, insbesondere als junger Mensch.
Das Einzige, was mich daran erinnerte, dass in meinem Körper etwas nicht ganz in Ordnung war, waren die Messungen und ein Medikament, das ich einnehmen musste. Besser gesagt: einnehmen