arbeitet man mit der Reinigung des eigenen Blutes und der Isolierung von Stammzellen. Nachdem das verjüngte, gesäuberte Blut wieder in den Körper zurückgespritzt ist, kann man einwandfrei die Erfolge an der Haut erkennen. Das behaupten jedenfalls die ästhetischen Chirurgen. Eine Reihe weltberühmter Musiker und Hollywood-Stars hat sich durch solche jährlichen Blutwäschen zumindest äußerlich relativ fit gehalten. Damit sind wir auch schon bei den größten Problemen des Alterns.
Eines davon ist der Lebenswandel. Man muss sich gar nicht allzu sehr bemühen, um sich selbst ein paar Jahre Lebenszeit abzuzwacken. Es genügt schon, zu viel Zeit in der prallen Sonne zu verbringen. Als man Krebs noch nicht diagnostizieren konnte, brachte niemand Sonne und Krankheit in Verbindung. Heute wissen wir, dass uns die UV-Strahlen unseres nächsten Sterns, der uns das Leben auf der Erde überhaupt ermöglicht, auch ein paar Jährchen Lebenszeit verbrennen können, wenn wir sie falsch dosieren.
Natürlich war auch das Essen immer ein Thema, wenn es darum ging, möglicherweise früher abtreten zu müssen als nötig. Allerdings haben die Übeltäter ziemlich häufig gewechselt.
Einmal war es das Fett. Da liefen zaundürre Schauspielerinnen in unzähligen Hollywood-Filmen mit fettarmen Dressings über die Kinoleinwände. Vor allem Amerikaner produzierten haufenweise Low-Fat-Produkte, mit denen sie zuerst die Regale der Supermärkte und dann die Käufer vollstopften.
Was damit erreicht wurde, war allerdings das Gegenteil von dem, was die Offensive gegen das Fett eigentlich sollte. Die möglichst fettlose Ernährung macht die Menschen immer dicker und dicker. In Amerika, wo es in weiten Teilen viel schwieriger als in Europa ist, sich gesund zu ernähren, ist Adipositas zur Volkskrankheit Nummer eins geworden. Gleich neben dem Diabetes, der ja eine Art Zwilling der Fettleibigkeit ist. Fett war also nicht der Bösewicht.
Als Nächstes stellte man die Kohlenhydrate an den Pranger. Das waren die Jahre der Fisch-und-Gemüse-Diäten. Alles, nur keine Nudeln. Irgendwas, wenn’s nur keine Kartoffeln sind. Jeden Monat winkten neue proteinreiche Abnehmformeln von den Titelblättern der Zeitschriften. Lebensjahre hat man damit nicht herausgeschunden.
Für einen Molekularbiologen sind das alles Spielwiesen mit Blumen in den buntesten Farben. Trotzdem kam ich nicht direkt dort an.
Mein persönlicher Zugang, der mich in die Arme der Altersforschung gelotst hat, war ein Umweg. Schon seit meiner Kindheit wollte ich Musiker werden. Mit 16 bin ich zur Philosophie übergelaufen. Allerdings störte mich bald, dass ich mir nicht, wie ich angenommen hatte, selbst meine Gedanken machen konnte, sondern die anderer Menschen auswendig lernen sollte. Da meine Mutter, die auf mich wie vermutlich jede Mutter auf jeden Sohn ihren Einfluss hatte, Ärztin ist, kam als Nächstes die Medizin in Betracht.
Meine Mutter hatte sich eine geschickte Taktik ausgedacht, um mir klarzumachen, worauf ich mich da einlassen wollte. Sie traf sich mit ihrer besten Freundin, ebenfalls eine Ärztin, mit mir zum Kaffee, und die beiden unterhielten sich vor mir ganz beiläufig über den Alltag in einer niedergelassenen Praxis. Über die fünfzig, sechzig Patienten täglich, über die eingebildeten und echten Krankheiten, die Wunden und Wehwehchen. Diese Seite der Medizin war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Meine Mutter hatte offenbar vorher gewusst: Ich wollte im Umfeld für die Menschen arbeiten, nur nicht unmittelbar an ihnen. Und da kam die Molekularbiologie ins Spiel. Das Fach war gerade so richtig im Kommen. Da ging es um Genetik und die Zukunft der Medizin.
Wie funktioniert die Zelle?
Was passiert auf der biochemischen und genetischen Ebene?
Welche Moleküle bestimmen unsere Krankheiten und wie?
Da war die Entscheidung gefallen. Meine Tante, eine Zellbiologin in Kroatien, besorgte mir Fachliteratur und ich verschwand zwischen den Seiten. Ich kippte total hinein in die Welt der Moleküle. Es war wie früher in der Schule. Als Zehnjähriger habe ich viel geschwänzt, war aber vermutlich der einzige Schüler, der dabei nicht in Begleitung eines Mädchens oder eines Fußballs war. Ich war in der Bibliothek und traf mich mit der griechischen und nordischen Mythologie. Mit 17 vergrub ich mich in die Grundwerke der Biochemie und Molekularbiologie.
Wer damit ganz sicher nie gerechnet hat, ist übrigens meine Chemieprofessorin im Gymnasium. In der Abschlussklasse war ich so eine Niete in dem Fach, dass sie mich sitzen lassen wollte. Daraufhin habe ich sie mit großer Verve angelogen. Ich habe ihr gesagt, dass ich Wirtschaft studieren und Chemie im Leben nicht mehr brauchen werde. Sie war gnädig. Heute habe ich meinen Doktor in Biochemie. Das Leben liebt Ironie.
Von Altersforschung als Spezialgebiet war zu Beginn noch keine Rede. Und dann kam Matusa, meine 110 Jahre alte Urgroßmutter und mit ihr die Frage, warum meine Familie so voller weiblicher Methusalems war und die Männer so deutlich früher abtraten. Diese Diskrepanz brachte mich in die Startlöcher.
Der zweite Grund liegt tief in mir selbst. Ich bin ein Rebell. Autoritäten liegen mir nicht. Die Beschäftigung mit der Alterung ist für mich eine Verneinung des Todes als Autorität. Darauf setzte ich später auch den Fokus in meiner Dissertation, weil ich es als Aufgabe der Forschung sehe, gerade auf diesem Gebiet die Endlichkeit des menschlichen Lebens zu hinterfragen.
Die Verneinung des Todes läuft auf ein paar existenzielle Fragen hinaus:
Müssen wir wirklich sterben?
Was bestimmt unser Ablaufdatum?
Und wie kann man es hinauszögern?
In unserer Gesellschaft konzentriert sich das Verständnis von Alterung ausschließlich auf den Tod. Das beschäftigt mich, weil ich es für die völlig falsche Herangehensweise halte. Alterung hat nichts mit dem Tod zu tun. Alterung hat etwas mit dem Leben zu tun.
GESUNDHEITSSPANNE STATT LEBENSDAUER
Betrachten wir die Geschichte des Lebens eines Menschen, nicht die seines Sterbens. Setzt man sich als Wissenschaftler mit diesem Leben auseinander, hat die Forschung so viel mehr Sinn.
Es geht nicht mehr darum, wie alt ich werde.
Es geht darum: Wie werde ich alt?
Wie lebe ich?
Es ist nicht der Endpunkt, den die Wissenschaft messen will. Es sind die Zwischenstationen. Einer, der es schafft, Forschung in diesem Sinne zu betreiben, ist Professor Frank Madeo, der mich viele Jahre betreut und begleitet hat. Anfang des Jahrtausends hat er als Biochemiker Aufsehen erregt, als er den programmierten Zelltod in einfachen Organismen wie Bierhefe entdeckte. Er war der Erste, der gezeigt hat, dass auch einzellige Organismen in der Lage sind, sich zum Sterben zu entschließen. Alle haben ihn ausgelacht. Warum sollte eine Zelle beschließen, jetzt sterbe ich?
Wie sollte das gehen?
Und wo wäre da der Sinn?
Madeo zeigte, wo der Sinn lag: Auch Zellen können Altruisten sein. Auch ein einzelliger Organismus wie Hefe ist in der Lage, sein eigenes Leben für das Leben seiner Tochterzellen aufzugeben. Unglaublich. Vorher war die gängige Meinung, dass es kaum größere Egoisten gibt, als unsere winzigsten Bestandteile. Die Biologie ist vom Standpunkt der Evolution betrachtet ein einziger Krieg zwischen den Genen. Es gibt ein ganzes Buch darüber, wie egoistisch Gene sind. »Das egoistische Gen« ist der Titel. Darin wird die Selbstsucht der DNA beschrieben, und dass den Genen völlig egal ist, was mit dem Rest des Organismus wird. Sie schauen ausschließlich auf sich selbst. Und dann entdeckt ein italienisch-deutscher Biochemiker in Graz, dass Zellen sich für andere aufopfern.
Einer meiner Kollegen beginnt seine Vorträge über unsere Arbeit immer mit einer Geschichte: »Ich habe eine gute Nachricht für Sie«, sagt er, »bevor Sie heute schlafen gehen, werden Milliarden Ihrer Zellen sterben. Diese Zellen sterben, damit andere leben können. So bleiben wir gesund.«
Besser lässt sich der Geist hinter unserer Arbeit nicht ausdrücken. Es geht nicht um das Negative in der Forschung, es geht um das Positive. Wir sind Diener der Gesellschaft. Wir forschen nach dem, was den Menschen nützt.
Nach dem programmierten Zelltod fragte sich Madeo: Wenn Zellen so zu sterben imstande sind, wie leben sie dann? Mitten in dieser Thematik