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Historische Begegnungen


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Tagesstrecke von seiner Heimatstadt gelegen. Freiherr Heinrich von Tengen will in der Anwesenheit einer Reihe illustrer Zeugen, zu denen auch Brun gehört, ein Eheversprechen für seine Tochter Herzlauda gegenüber Walter von Hallwyl leisten. Walter ist der Sohn des Johannes von Hallwyl, wichtigster Vertreter der Habsburger in den sogenannten Vorlanden und rechte Hand von Herzog Albrecht II. und seiner Schwester Agnes. Nach Brugg geladen sind zusammen mit Brun eine Reihe bedeutender Adliger, so zum Beispiel die Schultheissen von Schaffhausen und Winterthur sowie Johannes Mülner und Heinrich Biber, Vertreter wichtiger Zürcher Familien, die in engen Beziehungen zu den Habsburgern stehen.

      Der Weg von Zürich nach Brugg führt Brun am Kloster Wettingen vorbei, wo Johann von Habsburg-Laufenburg, Herr in Rapperswil und Lehensmann von Herzog Albrecht II. von Österreich, begraben liegt. Um diesen scharte sich, als Rudolf Brun nach dem Umsturz von 1336 starker Mann in Zürich geworden war, die Opposition. Am 21. September 1337 fiel der Rapperswiler vor der Burg Grinau am Zürichsee im Kampf gegen die Zürcher.

      Vielleicht macht Brun auch in Baden dem habsburgischen Landvogt Burkart von Ellerbach seine Aufwartung. In Gebenstorf setzt er mit der Fähre über die Reuss nach Windisch über, wie bereits König Albrecht I. am 1. Mai 1308, bevor dieser von seinem Neffen Johann und dessen Gefolgschaft umgebracht wurde. Am Ort des Königsmords, am Weg und in Sichtweite zur Stadt Brugg, gebaut auf den Ruinen des römischen Legionslagers Vindonissa, steht das Kloster Königsfelden. Vor wenigen Jahren erst fertig erbaut, ist es mit seinen frisch eingesetzten, leuchtend farbigen Chorfenstern bereits weitherum bekannt. In Königsfelden residiert auch Agnes, die Schwester Herzog Albrechts II. und verwitwete Königin von Ungarn. Man kann sich vorstellen, dass Rudolf Brun und Agnes von Ungarn einander bei dieser Gelegenheit begegneten.

      Die illustre Gesellschaft trifft sich in der kleinen Stadt Brugg wahrscheinlich im Habsburger Stadtschloss, einem mächtigen, quadratischen Bau mit kleinen Fenstern, der im Vergleich zur filigranen neuen Kirche in Königsfelden altertümlich wirkt. Das Brugger Stadtschloss ist neben dem Stein in Baden Absteige der Habsburger Herzöge bei ihren Aufenthalten in den alten Einflussgebieten und liegt in Sichtweite der Stammburg auf dem Wülpelsberg.

      Über die Zeremonie im Stadtschloss zum Eheversprechen und die spätere Hochzeitsfeier wissen wir nichts. Offensichtlich ist aber, dass sich Bürgermeister Rudolf Brun dem Umfeld des habsburgischen Dienstadels zugehörig fühlt. Eigentlich erstaunlich, versucht er doch zur gleichen Zeit, die Reichsstadt Zürich vor der Abhängigkeit der mächtigen Herzöge zu bewahren. Wenige Jahre später sucht er zu diesem Zweck gar den Schulterschluss mit den Waldstätten; einen Schulterschluss mit Folgen, wird dieser doch zu einer der Keimzellen der Eidgenossenschaft. Um Bruns Handeln zu verstehen, braucht es eine kurze Rückblende auf sein Leben und auf die Umwälzungen vor, während und nach der Zürcher Zunftrevolution im Jahr 1336.

      Rudolf Brun: der neue Machthaber von Zürich

      Rudolf Brun war um das Jahr 1300 als Sohn des Ritters und Ratsherrn Jakob Brun geboren worden. Sein Vater war zwischen 1305 und 1309 Schultheiss gewesen. Die Familie gehörte zu den ritteradligen Geschlechtern, verschwägert unter anderem mit der bedeutenden Adelsfamilie der Mülner. Die Bruns hatten ihren Wohnsitz an der Ecke Rindermarkt/Neumarkt, in unmittelbarer Nähe der markanten Wohntürme der damals in Zürich dominierenden Familie Bilgeri. Die Bilgeri waren durch Gewerbe und Handel in der aufstrebenden Textilstadt zu Reichtum gelangt und hatten in den Räten zusammen mit den Kaufleuten gegenüber dem Ritteradel die Mehrheit erlangt.

      Rudolf Brun war 1332 Mitglied des Rats geworden. Sein Bruder Jakob und er waren in diesen Jahren in verschiedene Gerichtshändel verwickelt und scheinen zu den Kaufleuten in Gegnerschaft gestanden zu haben. Die Zürcher Edelleute trafen sich gern in der Trinkstube bei der Witwe Heinrichs von Lunkhofen im oberen Wettingerhaus hinter dem Limmatquai. Dort kam es zwischen den Kaufleuten und dem Ritteradel immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen, mitunter auch zu Raufereien.

      Persönliche Differenzen und der Streit um eine neue Münzordnung führten schliesslich zur Neuaushandlung der Machtverhältnisse in der Stadt. Rudolf Brun setzte sich an die Spitze einer Umsturzbewegung, die von den bisher politisch ausgeschlossenen Handwerkern und Krämern unterstützt wurde, aber vor allem die ritteradligen Geschlechter wieder in Rang setzen wollte. Nach dem Sturm auf das Rathaus am 7. Juni 1336 und der Verbannung der wichtigsten, bisher dominierenden Familien aus der Stadt liess Brun eine neue Stadtverfassung verabschieden – den Geschworenen Brief, der den Zünften Mitsprache am Stadtregiment brachte, vor allem aber ihm selbst eine beinahe uneingeschränkte Entscheidungsgewalt. Die neue Zunftverfassung war auf seine Person zugeschnitten. In dieser Form hielt sie sich denn auch nicht lange über seine Lebzeiten hinaus. Die Figur des diktatorischen Bürgermeisters blieb eine Episode in der Zürcher Geschichte.

      Die aus der Stadt vertriebenen Geschlechter sammelten sich in Rapperswil um Graf Johann von Habsburg-Laufenburg. Johann war der Sohn Rudolfs III., der 1296 die verwitwete Elisabeth von Rapperswil geheiratet hatte. Rudolfs Vater Gottfried war ein Vetter von König Rudolf von Habsburg gewesen. 1330 hatte sich die Rapperswiler Linie der Laufenburger in Lehensabhängigkeit der österreichischen Linie begeben, ähnlich wie einige Jahre zuvor die Laufenburg-Kyburg-Linie im Raum Burgdorf und Thun. Die Rapperswiler waren damit Teil des politischen Spiels von Habsburg-Österreich geworden. Ein Konflikt zwischen Rapperswil und Zürich war deshalb potenziell auch ein Konflikt zwischen Habsburg-Österreich und Zürich.

      Das Brun’sche Zürich und die Habsburger fanden sich jedoch rasch wieder, trotz den gewaltsamen und blutigen Auseinandersetzungen im September 1337. Seit Juni dieses Jahres weilte Herzog Albrecht II. in Brugg und blieb bis Ende Jahr in der Gegend. Zusammen mit Rudolf von Aarburg, Vertrauensmann von Agnes von Ungarn, vermittelte er auf den 21. November 1337 einen Friedensschluss zwischen den noch unmündigen Nachkommen des vor der Grinau gefallenen Johann von Habsburg-Laufenburg und der Stadt Zürich. Der Friedensschluss wurde kurze Zeit später von Kaiser Ludwig dem Bayern in Augsburg bestätigt. Ende Januar 1340 schliesslich versöhnte Agnes von Ungarn in Königsfelden einen grösseren Teil der Verbannten vom Sommer 1336 wieder mit der Stadt. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Nähe Bruns zu den wichtigsten Entscheidungsträgern der Habsburger ist es nicht erstaunlich, dass sich der Zürcher Bürgermeister wie ein Fisch im Wasser des habsburgischen Hochadels fühlte. Wie weit seine Bekanntschaft mit Agnes von Ungarn ging, wissen wir nicht. Sie werden sich auf Augenhöhe begegnet sein. Brun als hervorragender Vertreter der Reichsstadt, Agnes als Frau zwar ohne rechtliche Kompetenz, als «Mater familias» einer Reichsdynastie aber mit hohem Prestige.

      Agnes von Ungarn: die beste Heiratspartie Europas

      «Es ist überflüssige Arbeit, hervorragende Menschen noch zu loben, gleich als wenn man denen, die im hellsten Sonnenlicht wandeln, eine Fackel vorantragen wollte!» Mit diesen Worten des Sidonius Apollinaris beschliesst Johannes, Abt des Klosters Viktring in Kärnten, 1341 die überschwängliche Beschreibung der Agnes von Ungarn in seiner Geschichte der österreichischen Herzogtümer. Das Loblied auf die verwitwete Königin von Ungarn steht in einem starken Gegensatz zur späteren Wertung der Agnes in der eidgenössischen Geschichtsschreibung, in der sie zwar als weise, aber auch als listige und gar blutrünstige Frau geschildert wird.

      Viktring, ursprünglich Vertrauter von Herzog Heinrich von Kärnten, einem Onkel der Agnes, steht seit der Übernahme des Herzogtums Kärnten durch die Habsburger 1335 in Diensten von Albrecht II. Er ist für diese Zeit die wichtigste historiografische Quelle zur Dynastie und ist damit natürlich auch Partei. Viktring schreibt zu einer Zeit, in der Agnes von Ungarn schon seit über 20 Jahren in Königsfelden lebt. Nach der Ermordung ihres Vaters Albrecht begleitet Agnes zusammen mit ihrer Mutter Elisabeth die Gründung und den Aufbau des Klosters und bringt – nach dem Tod der Mutter und dem definitiven Umzug in den Aargau – Königsfelden zur Blüte. Sie tritt nicht in den Orden der Klarissen ein, fördert und führt aber das Kloster aus unmittelbarer Nähe, lässt sie sich doch östlich des Kirchenchors ein kleines Haus bauen, «ein klein demütig hus, einer klosnerin wonung me zerschetzen denn einer Küngin hoff», wie es in der Königsfelder Chronik heisst. Papst Clemens VI. erlaubt ihr in einer Urkunde vom 31. Juli 1344 explizit, mit kleinem Gefolge nicht nur die Klausur der Klarissen zu betreten, sondern auch den Chor der Kirche mit dem von ihr zweifellos stark beeinflussten