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Historische Begegnungen


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verbleibt die Stadt im Kriegszustand. Karl IV. und Albrecht sprechen sich in Baden aus, bevor der König zu seiner Italienreise aufbricht.

      Der nun bald fünf Jahre dauernde Konflikt kommt erst im Sommer 1355 nach der Rückkehr des zum Kaiser gekrönten Karl aus Italien zu einem Ende. Am 23. Juli 1355 vermittelt er in Regensburg den nach dieser Stadt benannten Friedensschluss. Rudolf Brun und Zürich verpflichten sich, den Schiedsspruch bedingungslos anzuerkennen. Kriegsmüde und innerhalb der Reichsstädte isoliert, muss sich Brun mit seiner Stadt auf Druck des Kaisers wieder auf Habsburg-Österreich zubewegen. Zürich wird verpflichtet, die Habsburger bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Waldstätte und Luzern zu unterstützen. Folgerichtig tritt Brun 1356 wieder in ein Bündnis mit Habsburg-Österreich ein. Für Glarus und Zug bedeutet dies eine Rückkehr unter habsburgische Oberhoheit. In Glarus wird Brun gar Garant dafür. Ab 1359 diente er im herzoglichen Rat und erhält dafür eine Rente, die auf den habsburgischen Steuern in Glarus versichert ist. Vogt in Glarus ist sein Parteigänger Gottfried Mülner.

      Mittel- und längerfristig, in Zug bereits ab 1365, erweisen sich aber die mit den Waldstätten und Zürich geschlossenen Bündnisse als tragfähiger. Entgegen den Interessen Habsburg-Österreichs bestätigt Kaiser Karl IV. den Eidgenossen ihre Bündnisse 1360 und 1362. Die Situation aus der Zeit vor 1350 scheint vordergründig wiederhergestellt. Und trotzdem zeichnet sich ein grundlegender Wandel ab, und zwar sowohl auf Seiten der habsburgischen Dynastie wie auch auf Seiten der Führungsgruppen in der Eidgenossenschaft. Darauf ist zum Abschluss noch einzugehen.

      Der Anfang vom Ende? Rudolf Brun und Agnes von Ungarn als Teil einer abdankenden Generation

      Rudolf Brun hält sich als herzoglicher Rat im Sommer 1360 in Thann im südlichen Elsass auf und bezeugt mit seinen Ratskollegen die Übergabe der Besitztümer des Bistums Chur für acht Jahre an Habsburg-Österreich. Wenige Wochen später stirbt er. Er wird in der Peterskirche in Zürich, deren Patronat er 1345 selbst gekauft hatte, begraben. Brun fühlt sich bis zu seinem Tod als Teil des vorderösterreichischen Adels und sucht die Nähe zu den habsburgischen Herzögen. Nach dem Tod von Albrecht II. 1358 ist dies der junge und äusserst ehrgeizige Rudolf IV., Schwiegersohn des Kaisers. Rudolf treibt den Ausbau der habsburgischen Besitzungen in Schwaben und der heutigen Schweiz intensiv voran. Vor Augen hat er eine Wiedererrichtung des seit dem Interregnum Mitte des 13. Jahrhunderts zerfallenen Herzogtums Schwaben. Die Stadt Zürich ist nach wie vor von starken Positionen von Habsburg-Österreich umgeben, und Bruns Ziel, ein städtisches Territorium vor allem am oberen Zürichsee aufzubauen, ist mit dem Regensburger Frieden vorerst gescheitert. Und trotzdem bleibt mit dem Bündnis mit den Waldstätten, Luzern und Bern etwas bestehen, das längerfristig Bestand haben wird. Bruns Nachfolger als Bürgermeister Zürichs wird Rüdiger Manesse. Manesse sucht verstärkt die Nähe zum Reich und erreicht schon 1362 eine Privilegienbestätigung des Kaisers für die Stadt. Die eidgenössisch gesinnte Partei in Zürich erstarkt. Herzog Rudolf ist unterdessen mit seinen Anmassungen bei seinem kaiserlichen Schwiegervater in Ungnade gefallen.

      Nicht nur in Zürich bahnen sich Änderungen an. In den folgenden 25 Jahren werden auch die Führungsgruppen in den Waldstätten, die noch Beziehungen zum habsburgischen Adel haben, gestürzt oder ausgewechselt. Die Ära der Attinghausen in Uri ist mit dem Tod von Landammann Johann von Attinghausen 1359 zu Ende. Im gleichen Jahr löst das Land Uri einen grossen Teil der Rechte von verschiedenen Klöstern im Tal aus. Die Hunwil in Obwalden werden 1382 gestürzt, der Luzerner Schultheiss Peter von Gundoldingen zwei Jahre später. In Zürich stehen sich bis nach der Schlacht bei Sempach eine eidgenössisch und eine habsburgisch orientierte Partei gegenüber. Die Optionen sind auf beiden Seiten noch offen. 1393 gibt es einen Annäherungsversuch an Habsburg-Österreich, der aber rasch gestoppt wird. Und 50 Jahre später wechselt Zürich tatsächlich noch einmal die Seiten und nähert sich Habsburg-Österreich an. Der Alte Zürichkrieg zwischen 1436 und 1450 zeigt auf, dass die alten Fronten immer noch offen sind und auch ein anderer Ausgang möglich gewesen wäre.

      Agnes von Ungarn überlebt Rudolf Brun um vier Jahre. Ihren politischen Einfluss als Schiedsrichterin hat sie schon früher eingebüsst. Ihr gescheiterter Vermittlungsversuch zwischen Zürich und Habsburg im Oktober 1351 wird ihrem Ruf als unabhängige Vermittlerin geschadet haben. In der Familie selbst scheint sie aber nach dem Tod ihres Bruders Albrecht 1358 weiterhin eine Rolle gespielt zu haben. Insbesondere vermittelt sie ihren Schützling Johann Ribi Schultheiss aus Lenzburg ihrem Neffen Rudolf als Kanzler. Ribi wird Bischof von Gurk und später von Brixen und entwickelt sich zur wichtigsten Figur um den Herzog über dessen Tod hinaus. Agnes beginnt in dieser Zeit ihren Nachlass zu ordnen. Rudolf bestätigt anlässlich eines Besuchs in Königsfelden an Ostern 1361 sämtliche von Agnes zugunsten des Klosters gemachten Vergabungen und Verordnungen. Agnes betraut Johann Ribi Schultheiss zusammen mit ihrem Neffen Rudolf am 8. Februar 1362 mit der Verwaltung der Güter. Bis kurz vor ihrem Tode kauft sie zugunsten des Klosters Besitztümer, so zum Beispiel Kirche und Dorf Birmenstorf am 11. Juli 1363. Und sie verfügt, dass ihr Haus neben dem Chor der Kirche nach ihrem Tod abgerissen wird. Altersschwach geworden, verstirbt sie im Juni 1364 im hohen Alter von 84 Jahren. Bereits ein Jahr zuvor war es Rudolf IV. gelungen, die Grafschaft Tirol in den Habsburger Machtbereich zu integrieren.

      Die Dynastie gerät nach dem frühen Tod von Herzog Rudolf IV. im Jahr 1365 in eine schwere innere Krise, die mehrere Jahrzehnte andauert. Teilungen und bürgerkriegsähnliche Zustände folgen sich innert weniger Jahre. Der Präsenz und dem Einfluss der Habsburger in den vorderösterreichischen Ländern ist dies nicht zuträglich. Die Katastrophe von Sempach 1386 mit dem Tod von Leopold III. und der Verlust des Aargaus 1415, später weiterer Gebiete in der Ostschweiz, sind auch vor diesem Hintergrund zu verstehen, nicht nur als Ausdruck einer erstarkenden Eidgenossenschaft. Auch das Kloster Königsfelden verliert nach dem Tod der Agnes rasch an Glanz und Prestige.

      Unterschiedliche Deutungen zweier aussergewöhnlicher Persönlichkeiten

      Obwohl sich Rudolf Brun und Agnes von Ungarn auf Augenhöhe begegneten, fällt das Urteil der eidgenössischen Geschichtsschreibung mit Blick auf diese zwei aussergewöhnlichen Persönlichkeiten sehr unterschiedlich aus.

      Rudolf Brun wird als der bedeutendste Politiker Zürichs im 14. Jahrhundert bewertet. Positiv wird vermerkt, dass er stets die Interessen seiner Stadt verteidigte, die Stellung der Stadt innerhalb des Reichs und gegenüber Habsburg-Österreich und den Waldstätten stärkte und eine städtische Territorialpolitik einleitete. In die Schweizer Geschichte eingegangen ist er als der Initiator des Bundes mit den Waldstätten vom 1. Mai 1351. Auch wenn eher aus der Not geboren, blieb das Bündnis für die Zukunft bedeutsam. Der Erfolg der Eidgenossenschaft im 15. Jahrhundert liegt vor allem im Zusammengehen von Städten und Ländern begründet, einem Modell, das im Reichsverband einzigartig blieb. Umgekehrt blieb Brun seiner adligen Herkunft treu, fühlte sich im Umkreis des vorderösterreichischen Adels wohler als unter den Landleuten der Innerschweiz. Und mit seinem fast diktatorisch auf seine Person zugeschnittenen Regime wurde er aus eidgenössischer Perspektive auch ambivalent beurteilt, als ehrgeiziger Emporkömmling, der wenig mit dem später so hochstilisierten demokratischen Ursprung der Eidgenossenschaft gemein hatte. Die oligarchisch geprägten Verfassungen, die keine diktatorischen Alleingänge mehr zuliessen, setzten sich in den Städten durch. In diesem Sinn war Brun eine Person des Übergangs, Vertreter einer zumindest im Raum des schweizerischen Mittellandes verschwindenden Adelslandschaft, der aber Grundlagen für die Zukunft erarbeitet hatte.

      Auch Agnes von Ungarn kann in Bezug auf die Dynastie der Habsburger als Person des Übergangs betrachtet werden. Als Enkelin von Rudolf von Habsburg und Meinhard von Görz-Tirol war sie noch Teil der Generation der grossen Aufsteiger aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Sie lebte nicht mehr das Leben eines kleinen Grafengeschlechts aus dem Elsass und dem Aargau, sondern das einer Reichsfürstin mit Beziehungen in die höchsten Kreise.

      In der eidgenössischen Geschichtsschreibung erfuhr die Person der Agnes eine völlig andere Beurteilung als Rudolf Brun. Sie erhielt in der Befreiungsgeschichte eine Rolle zugewiesen, die zum allergrössten Teil erfunden war: als grausame Rächerin ihres Vaters, die im Blut der Verschwörer vom 1. Mai 1308 watete. Aus der weisen wurde eine listige, aus der politisch begabten eine brutal agierende Frau. Die jüngere