zwischen den Verbündeten beilegen, damit keine mächtigen Schlichter anstelle des kaum mehr gegenwärtigen Kaisers eingriffen und die Streitenden nicht nur zur Räson brachten, sondern sie sich gleich ganz unterwarfen. Folgerichtig sagte man sich in solchen Bünden auch gegenseitige Hilfe gegen fremde Bedrohung zu. Nicht zuletzt wollte man damit die städtische «Reichsfreiheit» sichern: Der König als Herr der Reichsstädte war oft versucht, diese an Fürsten zu verpfänden, weil er deren Gefolgschaft oder Geld benötigte. Auch die wirtschaftliche Koordination von Zoll, Münze oder Massen war ein Anliegen vor allem der überlokal tätigen Kaufleute, denen der Landfrieden und die Bündnisse zu dessen Schutz besonders am Herzen lagen. Die Rechtsordnung im Reich war die Voraussetzung der Autonomie, die im Namen Reichsstadt selbst steckte und bedeutete, dem König unmittelbar unterstellt zu sein, keinen anderen Herrn zu haben. Es war deshalb ein Hauptanliegen der Städte, die Reichsordnung selbstständig und miteinander zu gewährleisten, insbesondere in den heiklen Zeiten des Interregnums oder bei dynastischen Wechseln.
Die dazu gegründeten Bündnisse waren selten eine dauerhafte Lösung. Das galt auch für diejenigen, an denen sich Städte aus der heutigen Schweiz beteiligten. Zürich und Basel gehörten zum Rheinischen Bund, der von 1254 bis 1257 bestand und auch – vorwiegend geistliche – Reichsfürsten einschloss; der südwestdeutsche Städtebund von 1327 zählte neben Konstanz, Überlingen, Lindau, Freiburg im Breisgau, Strassburg, Speyer, Worms und Mainz auch Zürich, St. Gallen, Basel und Bern sowie den Grafen von Kyburg-Burgdorf zu seinen Mitgliedern; und 1385 befanden sich Zürich, Bern, Solothurn und Zug im Schwäbischen Bund. Daneben gab es vor allem im Südwesten des Reiches manche Zusammenschlüsse ohne «schweizerische» Beteiligung: die 1354 gegründete, langlebige elsässische Dekapolis von zehn Reichsstädten um Colmar oder 1381 der kurzlebige rheinische Städtebund mit den Zentren Worms und Mainz. 1356 begannen zudem die Hansetage, an denen jeweils Gesandte der rund 70 autonomen Hansestädte um einstimmige Lösungen rangen – ähnlich wie später die Eidgenossen an der Tagsatzung.
Zürich braucht Hilfe
Die Eidgenossen begannen ihre Bündnispolitik ebenfalls in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Dass es dabei um den Ausbau und die Sicherung der Herrschaft lokaler Eliten ging, zeigte sich bei den Verträgen der Reichsstädte Zürich (1351) und Bern (1353) mit den Waldstätten. Zürich war seit 1218 eine Reichsstadt und löste sich danach allmählich von der eigentlichen Stadtherrin, der Äbtissin des Fraumünsters. Sie hatte auch Besitzungen in Uri, die eine der Brücken in die Innerschweiz bildeten. Ausgangspunkt für Zürichs Bündnis mit den ländlichen Gebieten war allerdings eine Zunftrevolte, die der ritterbürtige Rudolf Brun 1336 zum Erfolg geführt hatte. Nach Strassburger Vorbild wurde daraufhin der erste «Geschworene Brief» verfasst, eine Verfassung, die Brun zum Bürgermeister auf Lebzeiten und rund ein Fünftel der Stadtbewohner zu vollwertigen Bürgern machte. Die bisher herrschenden Adligen und Kaufmannsgeschlechter wurden in der «Gesellschaft zur Constaffel» zusammengefasst, die weiter vornehm blieb, ihren politischen Einfluss aber allmählich an reich gewordene Handwerker verlor. Die Vertreter der (ab 1440) zwölf Zünfte überwogen im Grossen Rat, der die Bürgerschaft repräsentierte, nach Zahl klar diejenigen der Constaffel; die alltäglichen Regierungsgeschäfte lagen bei einem Kleinen Rat. Ähnliche Verfassungen waren im deutschsprachigen Raum die Regel. Sie waren nicht demokratisch im Sinn von freien Wahlen unter gleichberechtigten Bürgern. Aber ein Grosser Rat mit, wie in Zürich, rund 200 Mitgliedern erlaubte in Städten mit etwa 5000 Einwohnern – wenn man Frauen, Kinder, Unterbürgerliche und Auswärtige abzieht – einem Grossteil der Bürgerfamilien die Mitsprache.
Nach Bruns Umsturz emigrierten etliche unterlegene Patrizier in das nahe Rapperswil, das nach ihrem gescheiterten Putschversuch, der «Mordnacht» von 1350, durch Zürich zerstört wurde. Die verwüsteten Gebiete gehörten jedoch einer habsburgischen Nebenlinie, sodass Herzog Albrecht II. militärisch eingriff und auch Rapperswil als vorderösterreichische Stellung wieder aufbaute. Der innerzürcherische Konflikt rief also die regionale Ordnungsmacht auf den Plan. In dieser bedrohlichen Situation empfing Zürich Gesandte von Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden, mit denen am 1. Mai 1351 ein «ewiges» Bündnis beschworen wurde. «Ewig» war keine aussergewöhnliche Wendung, sondern die übliche Formel für «unbefristet». Auch der Vertragstext entsprach weitgehend früheren Landfriedensbündnissen der Limmatstadt, etwa mit Habsburg. Darin sicherten sich die Partner gegenseitig den Schutz von Leib, Gut, Ehren und Freiheiten zu und definierten einen Kreis zwischen Aare, Rhein und Gotthardgebiet, in dem sie sich nach entsprechender Aufforderung gegenseitig Hilfe leisten würden. Dieser Radius entsprach den Innerschweizer Interessen, während der für Zürich wichtige Bodenseeraum fehlte. Das weist darauf hin, dass Brun als Bittsteller nach Söldnern suchte, um seine Stellung gegen die inneren und äusseren Feinde zu behaupten. Der Bund garantierte nämlich ausdrücklich die zünftische Verfassungs- und damit Herrschaftsordnung Zürichs, den ersten Geschworenen Brief, was für ein ansonsten konventionelles Schutz- und Landfriedensbündnis nicht üblich war.
Die Vertragspartner behielten sich beide ihr Bündnisrecht vor. Zürich legte sich also nicht auf diese «Eidgenossenschaft» fest und versöhnte sich auch bald wieder mit Habsburg, als dessen Pensionär Brun bis zu seinem Tod 1360 wirken sollte. Doch auf den Bund von 1351 sollte man sich in Zukunft berufen. Es war auch aussergewöhnlich, dass eine Reichsstadt mit bäuerlichen Talschaften zu einer Allianz von «stetten und lendern», von «Burger und Lantlut» gefunden hatte, wie es in der Urkunde hiess. Dies erst war die Grundlage dafür, dass im Voralpenraum mittelfristig ein territorial umfassendes Gebilde zusammenkam. Eine solche Tendenz kündigte sich bereits in zwei gemeinsamen Erwerbungen von Innerschweizern und Zürchern an: Bevor der Friede mit Österreich wiederhergestellt worden war, eroberten sie von Albrecht II. das Alpental von Glarus, mit dessen Einwohnern die Schwyzer und vor allem die Urner schon wiederholt wegen Nutzungs- und Weiderechten Streit gehabt hatten. Entsprechend fiel der «Bündnisvertrag» von 1352 aus, den die Glarner noch lange als «bösen Bund» bezeichneten. Sie mussten als Protektorat den Eidgenossen auf eigene Kosten Hilfe leisten, erhielten aber selbst keine unbedingte Hilfezusage.
Etwas glimpflicher behandelt wurde fast gleichzeitig die bis dahin habsburgische Landstadt Zug, die strategisch wichtig auf dem Verbindungsweg zwischen Zürich und den Waldstätten lag. Im ebenfalls auferlegten Bündnis vom 27. Juni 1352 konnte sich Zug die Rechte und Verpflichtungen gegenüber Österreich vorbehalten. Das war eine Stütze der Zuger Autonomie, nicht deren Gefährdung. Denn die bedrohlich nahen Schwyzer sollten in der March (Mark = Grenzland) am Zürichsee und später am Kloster Einsiedeln beweisen, dass sie eine Schutzbeziehung allmählich in ein Untertanenverhältnis umzuwandeln verstanden. Insofern überrascht es wenig, dass Zug und Glarus schon bald, im Regensburger Frieden von 1355 zwischen Habsburg und Zürich, wieder unter Habsburger Herrschaft zurückkehrten. Doch 1365 eroberte Schwyz Zug erneut. Hätte Habsburg dann nicht an seinen Rechten festgehalten, sondern Zug den Schwyzern verpfändet, wäre es wohl ein Untertanengebiet geworden. Erst rückblickend wurde der entwicklungsoffene Zuger Bund von 1352, der ein Schwyzer Herrschaftsinstrument hätte werden können, zu einem antihabsburgischen Verteidigungsbündnis verklärt.
Bern und die «Burgundische Eidgenossenschaft»
Den Regensburger Frieden vermittelte Kaiser Karl IV. aus dem Geschlecht der Luxemburger. Seine Rolle in den Auseinandersetzungen ist nicht ganz klar. Es lag ihm wohl daran, dass kein grösserer Konflikt entstand. Auch wenn sein Verhältnis zu den verschwägerten Habsburgern damals nicht sonderlich gespannt war, konnte ein Gegengewicht zu ihnen im schwäbischen Raum kaum schaden. Jedenfalls verlieh der Kaiser 1362 Zürich Privilegien, wobei er der Reichsstadt mit der Einrichtung eines Hofgerichts auch hoheitliche Aufgaben übertrug. Dass Karl IV. im Raum zwischen Bodensee und Genfersee auf die Städte setzte, bewies er bereits 1348, als er Berns Reichsprivilegien bestätigte. Um 1191 gegründet, war Bern kein gewerbliches, sondern ein militärisches Zentrum, in dem Rittergeschlechter wie die Bubenberg als Burger, Räte und Schultheissen eine führende Rolle spielten. Insofern handelte es sich bei Berns Kleinkriegen oft um Auseinandersetzungen innerhalb des Adels, in denen die reichsfreie Stadt gleichsam als Erbin der 1218 ausgestorbenen Zähringer und als Fortsetzerin von deren Territorialpolitik Bündnisse in der Westschweiz suchte. Dabei zählte sie, etwa im Krieg von 1251 gegen die Kyburger, auf Freiburg, Solothurn und weitere «eitgnoze von Buorgendon».