diese westliche «Burgundische Eidgenossenschaft» naheliegend. Wie die Eidgenossenschaft, die im Osten entstand, bildete sie keine feste Allianz, sondern beruhte auf zumeist bilateralen, zeitlich befristeten Abkommen. Neben kleineren Städten, Grafen und geistlichen Herrschaften verband sich Bern in diesem Netzwerk während des 13. und 14. Jahrhunderts auch mit den (reichs-)freien Landleuten von Hasli und Guggisberg im Berner Oberland, also künftigen Untertanen. Zu diesem Zeitpunkt war dies aber noch ein Bündnis mit bäuerlichen Landgebieten – ähnlich den allerdings befristeten Abkommen von 1323 und 1339 mit den Waldstätten. Mit Hilfe von 900 Innerschweizer Söldnern gewann das ansonsten isolierte Bern 1339/40 den Laupenkrieg gegen das habsburgische Freiburg, das mit Habsburg verschwägerte Kyburg-Burgdorf und westschweizerische Adlige. Mit der Landvogtei Laupen legte die Aarestadt den Grundstock ihrer Territorialherrschaft. Damit war im westlichen Mittelland die Vormachtstellung des Adels nachhaltig in Frage gestellt. In den anhaltenden Kleinkriegen wurde auch dessen wirtschaftliche Basis, die Grundherrschaften, verwüstet und zerstört, sodass die Berner sie schliesslich aufkaufen konnten.
Am 6. März 1353 schloss Bern ein weiteres, diesmal unbefristetes Bündnis mit den Waldstätten, das auch Luzern und Zürich indirekt über Beibriefe einbezog. Bern sollte im Bedarfsfall von den Waldstätten erneut Hilfstruppen erhalten. Gleichzeitig sicherte es seine Ostgrenze durch den gemeinsamen Vertrag mit den unruhigen Obwaldnern. Aber «eidgenössisch» wurde Bern mit diesem Bündnis nicht. Es handelte sich weiterhin um nur eines der zahlreichen Bündnisse der Aarestadt, die unter anderem mit Savoyen und Habsburg alliiert blieb. Entsprechend stärker war ihre Verhandlungsposition im Vergleich zu Zürich, das in der Notsituation von 1351 in die Allianz mit den Innerschweizern geflüchtet war. Auch wenn keineswegs absehbar war, weshalb diese lockere schweizerische Eidgenossenschaft eine längere Dauer vor sich haben sollte als die burgundische, überbrückten die Bündnisse mit den Innerschweizern nun die mittelalterliche Grenze zwischen burgundischem und alemannisch-schwäbischem Mittelland. Über die Waldstätte kamen Bern und Zürich, die Reichsstädte mit ihren wachsenden Territorien, miteinander in eine indirekte und spannungsträchtige, aber letztlich dauerhafte Allianz.
Standortvorteile der Zentralschweiz
Wie kam es, dass in der Innerschweiz ein militärisches Potenzial bereitstand, das für die doch politisch und wirtschaftlich ganz anders ausgerichteten Städte interessant war? Die Zentralschweiz zählte zu denjenigen Regionen, die nur unvollständig feudalisiert worden waren. Für den Adel sprach wenig dafür, sich in der kargen, unfreundlichen und schwach bevölkerten Bergwelt niederzulassen. Entsprechend erhielten bäuerliche Neusiedler dort vergleichsweise weitreichende Freiheiten und umfassende Selbstverwaltung zugestanden, zumal sie in ihrer Abgeschiedenheit kaum politisch zu kontrollieren waren. So drangen etwa die Walser auf der Suche nach Land für eine bis ins 14. Jahrhundert stark wachsende Bevölkerung immer weiter in die unwirtlichen Alpengebiete vor. Es entstand ein Flickenteppich mit höchst unterschiedlichen Herrschafts- und Autonomierechten, in dem eine fürstliche Territorienbildung schwerer fallen musste als im Flachland.
Im Vergleich dazu kamen die Alpenbewohner gemeinhin auch besser durch die Krisenzeit: Die Überträger von Krankheiten breiteten sich in isolierten und kühlen Regionen mit Streuhofsiedlung weniger rasch aus als dort, wo die Menschen dichter aufeinander lebten – wie im Mittelland. Dort herrschte auch der Ackerbau vor, dem das kühlere und feuchtere Wetter am stärksten zusetzte. In den alpinen Regionen war die agrarische Selbstversorgung ohnehin kaum möglich. Der Temperaturrückgang verstärkte bloss die Tendenz, dass viele Innerschweizer Bauern im 14. Jahrhundert den Anregungen von Klöstern folgten und auf die weniger aufwendige Grossviehzucht umstellten. Die Erzeugnisse, Pferde, Zuchtvieh, Fleisch und lagerungsfähiger Ziger, später Hartkäse, konnten über längere Distanzen exportiert werden und damit auch in Gegenden, wo die Versorgung wegen der Pest oder Kriegen zusammengebrochen und die Nachfrage entsprechend gestiegen war. Das galt insbesondere für die städtereiche Lombardei. Seit der Eröffnung der Schöllenenschlucht um 1200 diente der Gotthard dem Transitverkehr mit Norditalien, wenn auch stets mit viel bescheideneren Volumina als andere Pässe wie der Grosse St. Bernhard oder die Kombination Septimer/Julier, vom viel niedrigeren Brenner nicht zu reden. Weniger für den Fernhandel als für die Innerschweizer wurde der Gotthard zur Passage nicht nur für Rinder, Pferde und Milchprodukte; bald zogen auch selbstständige Kriegsunternehmer mit ihren Soldtruppen gegen Süden. Auch in die andere Richtung nahm der Verkehr zu: Die nach ihrer Herkunft «Lombarden» benannten Bankiers vermittelten Kredite, Wechsel und Fachkenntnisse, die den überregionalen Viehhandel und damit auch das Transportgewerbe erst richtig in Gang brachten. Einige dieser Italiener gelangten sogar in den Luzerner Rat.
Die Umstellung von Ackerbau auf Weideland brachte es mit sich, dass die Alpenbewohner vermehrt auf Importe aus dem Norden angewiesen waren, wo Getreide rationeller angebaut werden konnte. Da nur Bern und der Thurgau regelmässig Getreideüberschüsse produzierten, musste Korn auch aus dem Oberrheingebiet und Schwaben importiert werden. Die Preise dafür waren gefallen, da nach der Pest für eine reduzierte Bevölkerung relativ mehr und vor allem gutes Land zur Verfügung stand. Import von billigem Getreide, Export von teurem Vieh und Käse: Das waren die Grundlagen des alpinen Aufschwungs. Die Wirtschaft im schweizerischen Raum spaltete sich so langfristig in ein «Hirtenland» (Innerschweiz, Westalpen) und ein «Kornland» (Mittelland, Tafeljura), mit Mischformen in den Voralpen und in den auf Selbstversorgung ausgerichteten Tälern Graubündens, des Nordtessins, des Wallis und des Berner Oberlands. Die übrigen Agrarzonen blieben in einer überregionalen Arbeitsteilung aufeinander angewiesen. Ein Rohstoff fehlte zudem praktisch ganz auf dem Gebiet der heutigen Schweiz: Salz war unabdingbar für die Ernährung des Viehs und die Konservierung von Fleisch, Butter und Käse. Es stammte aus dem Tirol, Italien, Bayern und der Freigrafschaft Burgund (Salins). Entsprechend bedurfte es weitreichender und umfassender Abstimmungen zwischen Produzenten in Stadt und Land und in weit entfernten Regionen. Solcher Handel intensivierte die Kontakte nicht nur auf Märkten, sondern auch in der Politik, etwa zur Sicherung der Einkaufsmöglichkeiten und der Transportwege.
Wie die Zelgenwirtschaft im Mittelland machte die Viehwirtschaft in Berggebieten viele Absprachen nötig, weil Wald, (Hoch-)Weiden und Alpen als Allmend oft gemeinsam genutzt und Alpwege erschlossen und unterhalten werden mussten. Solche Probleme und allfällige Konflikte wurden in Nachbarschaften und in Alpgenossenschaften verhandelt und geregelt. Über die wirtschaftliche Ordnung hinausgehend übernahmen die Gemeinden zusehends auch politische Funktionen, etwa indem sie Selbstjustiz und Blutrache bekämpften und einen Landammann wählten. Obwohl die ständischen Differenzen fehlten, die im flachen Land zwischen grundherrschaftlichem Adel und oft leibeigenen Bauern bestanden, ging es auch hier nicht um demokratische Gleichheit. Deutlich blieben die sozialen und damit auch politischen Unterschiede zwischen einer Schicht von niederen Adligen und wohlhabenden Grossbauern einerseits, die über das Weideland für die extensive Zucht von Rindern und Pferden verfügten, und andererseits einer Unterschicht ohne eigenen Landbesitz, darunter diejenigen Söhne, die den väterlichen Hof nicht erbten. Diese Gruppen suchten ihr Auskommen als Söldner in der Fremde und lockten andere nach, sodass in den Gemeinden auch über die Mobilität dieser jungen Männer verhandelt wurde. Die ländlichen Potentaten, die das Sagen hatten, vermittelten nicht mehr nur Vieh, sondern zusehends auch Söldner in die Städte in Nord und Süd.
Die regionalen Eliten und der Konkurrent Habsburg
Nicht nur im Alpenraum waren Verwaltungsämter, etwa Vogteien für geistliche und weltliche Herren, traditionellerweise Aufgabe und Machtbasis des regionalen (Klein-)Adels. Genau die Verfügungsgewalt über solche Vogteirechte, also die Wahrung der öffentlichen Ordnung im Namen (und formal im Auftrag) des Reiches, war auch für die Habsburger der Schlüssel, wenn sie ihre Macht zwischen Rhein und Alpen weiter ausdehnen wollten. In den Jahrzehnten um 1300 half ihnen die Macht- und Ehrenstellung als deutsche Könige dabei. Diese Ansätze zu einer habsburgischen Landesherrschaft, wie sie in Österreich tatsächlich entstehen sollte, gefährdeten die Autonomie der regionalen Eliten. Dagegen wehrten sich in der Innerschweiz die wenigen kleinadligen nobiles zusammen mit Grossbauern. Sie glaubten sich dazu durch Urkunden legitimiert, die sogenannten Königsbriefe, die ihnen die Reichsfreiheit zusicherten. Der früheste noch erhaltene Königsbrief stammte von Friedrich II. aus dem Jahr 1240 und belohnte die Schwyzer wohl für ihre Kriegsdienste in