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Mehrsprachigkeit in der Schule


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Zielsetzung“.

      2.1 Mehrsprachigkeit in der Schule: Theoretische und politische Ausgangspunkte

      Der erste Teil umfasst vier Kapitel, die explizit auf die theoretischen Grundlagen für eine kontinuierliche und strukturierte Arbeit mit Mehrsprachigkeit im Regelschulwesen hinweisen. Diese strukturierte Arbeit beinhaltet die Kenntnis der Dokumente, die die Umsetzung der Pluralen Ansätze im Sprachunterricht einrahmen, sowie das kritische Verständnis von Begriffen und die Notwendigkeit, Evaluation auch als eine mehrsprachige Praxis zu konzeptualisieren.

      Der Beitrag von Ursula Behr zeigt anhand der Genese und der methodisch-didaktischen Ausrichtung der Thüringer Lehrpläne, inwiefern die von politischen Institutionen (u.a. der Kultusministerkonferenz in den von ihr formulierten Bildungsstandards) und der einschlägigen fremdsprachendidaktischen Forschung erhobenen Forderungen nach einem verstärkten mehrsprachigkeitsorientierten Konzept des Sprachunterrichts für Deutschland in Thüringen Realität geworden sind. Behr erläutert u.a. anhand konkreter Rahmenplanauszüge, welche Kompetenzen, Operatoren und Methoden für die jeweiligen Jahrgangsstufen gelten und betont dabei einerseits die Bedeutung von Sprachlernkompetenz und Sprachbewusstheit als den beiden zentralen „Querschnittskompetenzen“, die für das sprachenübergreifende Lernen wesentlich sind; andererseits weist sie darauf hin, dass die Einbeziehung der eigenen Muttersprache unverzichtbar sei, um das ganze Potenzial des Ansatzes auszuschöpfen. Abschließend geht Behr darauf ein, welche positive Relevanz die systematische Verbindung und Zusammenführung sprachlichen Lernens innerhalb einer Schule für den Bereich der Schulentwicklung haben können, z. B. durch die Einführung einer gemeinsamen „Fachkonferenz Sprachen“.

      Sílvia Melo-Pfeifer und Ana Sofia Pinho identifizieren die Forschungsobjekte, die den Studien zur Interkomprehension (IK) zugrunde liegen, durch die Konstruktion eines Analysemodells, das die von J.-P. Calvet vorgeschlagene Metapher des „Gravitationsmodells“ für Sprachen einerseits und die Conceptual Map als Analyse- und Interpretationsinstrument andererseits kreuzt. In Anbetracht der „kompositorischen Heterogenität“ des hier als „hyperzentral“ angenommenen Konzepts der IK werden in dieser Studie die Beziehungen zwischen den verschiedenen „superzentralen“ und „peripheren“ Konzepten, die dieses konzeptuelle Netz bilden, aufgezeigt. Die Zusammenhänge werden mit Hilfe von zwei weiteren Metaphern interpretiert: „Reich der Sinne“ und „gefährliche Beziehungen“ im Zentrum dieses Netzes.

      Christian Ollivier und Margareta Strasser stellen in ihrem Beitrag verschiedene Konzepte und Modelle von Testverfahren vor, mit denen mehrsprachige Kompetenzen, insbesondere die Interkomprehension, evaluiert werden können. Als zentrale Zielsetzung benennen sie ein möglichst authentisches Testsetting sowie die Integration möglichst vieler (mehr-)sprachiger Kompetenzen. Entsprechend sind die im Beitrag skizzierten Beispiele gegliedert: Ausgehend von introspektiven Verfahren auf der Grundlage von Portfolio-Arbeit über additive Verfahren (z. B. mit dem Konzept EuroComRom) präsentieren die Autor*innen bestehende Modelle, die das Prinzip der Integration zumindest in Teilen bereits realisieren (Intermar, MAGICC), um schließlich das von ihnen entwickelte Projekt EVAL-IC vorzustellen, das dem Anspruch eines holistischen und authentischen Testverfahrens am weitesten gerecht werde. Hier würden die für die Interkomprehension relevanten kommunikativen Kompetenzen (rezeptive und interaktionale Interkomprehension sowie Interproduktion) im Rahmen eines „Szenarios“ bewertet, bei dem die Lernenden (hier Studierende) eine Konferenzsituation simulieren, die von ihnen durch das Durchlaufen der unterschiedlichen organisatorischen, sozialen und kommunikativen Settings verlangt, alle genannten mehrsprachigen Kompetenzen zu zeigen.

      Ziel des Artikels von Lisa Marie Brinkmann ist es, auf Grundlage von theoretischen Schlussfolgerungen das Potenzial herauszuarbeiten, wie das Europäische Sprachenportfolio (ESP) Language Awareness fördern kann. Language Awareness wird als Konzept verstanden, das auf unterschiedliche Didaktiken anwendbar ist, darunter die europäische Mehrsprachigkeitsdidaktik und ihr Konzept von éveil aux langues. Das ESP ist ein dreigeteiltes Portfoliodesign des Europarats (geteilt in einen Sprachenpass, eine Sprachenbiografie und ein Dossier), dessen Ziel die Förderung von Lernendenautonomie, Mehrsprachigkeit und interkulturellen Kompetenzen im Kontext des Fremdsprachenunterrichts ist. Es wird hinsichtlich seiner Ziele und Wirkungen bezüglich Mehrsprachigkeit und konkret bezüglich Language Awareness analysiert. Der Forschungsstand zeigt, dass bisherige Verknüpfungen zwischen dem ESP und der Language Awareness sich vor allem auf die Sprachenbiografie beziehen. Die Autorin argumentiert dafür, den Sprachenpass, das Dossier sowie die gesamte Arbeit am ESP für die Förderung der Language Awareness miteinzubeziehen. Es stellt sich heraus, dass dies im Sprachenpass umgesetzt werden kann, indem über Sprache und Kultur reflektiert wird und die Lernenden ihre Sprachenidentität entwickeln; in der Sprachbiografie, indem über Sprache reflektiert wird; im Dossier, indem die Erkenntnisse der Schüler*innen über Sprachen dokumentiert werden; und im gesamten Portfolio, indem das Sprachenlernen vermittelt wird.

      2.2 Konkrete unterrichtliche Herausforderungen und methodisch-didaktische Zielsetzungen

      Der zweite Teil des Buches reflektiert die Herausforderungen und Ziele, die mit der expliziten Arbeit mit Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer in verschiedenen Ländern – von der Grundschule zur Universität –, verbunden sind, sowie Methoden, die die Integration von mehrsprachiger und interkultureller Pädagogik erleichtern können. Alle Kapitel stellen eine komplexe Reihe von Prinzipien und Aktivitäten vor, die zur Entwicklung von Wissen, Einstellungen und Fähigkeiten der Schüler*innen in Bezug auf ihre mehrsprachige und interkulturelle Kompetenz führen. In allen Fällen wird auch eine detaillierte Darstellung der Makro- und/oder Meso-Dimensionen, die die Interaktionen auf der Klassenebene beeinflussen, präsentiert, denn wie Sprachen verwendet und legitimiert werden (oder auch nicht), ist von einer Konstellation von sozialen, politischen, wirtschaftlichen u.a. Faktoren abhängig, die zusammenwirken, um den Sprachgebrauch zu fördern oder zu begrenzen.

      Das Kapitel von Alice Chik und Diane Alperstein führt kurz in die Migrationsgeschichte Australiens ein, um den Hintergrund für die Entwicklung der Sprachenpolitik zu liefern. Obwohl Sydney eine multikulturelle und mehrsprachige Stadt ist, ist die Sprachbildungspolitik nicht auf die Mehrsprachigkeit Sydneys abgestimmt. Die Ergebnisse der zwei dargestellten Forschungsprojekte zeigen, dass aufgrund einer schwachen Sprachbildungspolitik die Studierenden vor der Ausbildung nur sehr begrenzte Erfahrungen mit dem Sprachenlernen haben und auch nur ein begrenztes Verständnis von Mehrsprachigkeit zu zeigen scheinen.

      Marília Pereira präsentiert einen Vorschlag für den Unterricht des Portugiesischen als plurizentrische Sprache im Kontext der Herkunftssprache, entwickelt aus den Daten der Forschung, die in einer bilingualen portugiesisch-deutschen Schule in Deutschland durchgeführt wurde. Die Studierenden und Lehrkräfte, die an der Forschung teilnehmen, gehören verschiedenen Varietäten der portugiesischen Sprache an und nehmen, ohne Unterscheidung der Varietäten, an der gleichen Lernumgebung teil. Aus dieser Forschung wird ein Weg zur Entwicklung kommunikativer und mehrsprachiger Kompetenz in einer plurizentrischen Sprache ab den frühen Schuljahren vorgeschlagen.

      Anna Schröder-Sura zeigt in ihrem Artikel, wie auf der Grundlage der Pluralen Ansätze und des Referenzrahmens für Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA) Potenziale zur Entwicklung von „Pluriliteralität“ und „Multiliteralität“ identifiziert und gezielt gefördert werden können. Ihr Fokus liegt dabei auf der aktiven Einbeziehung des Elternhauses durch die jeweiligen Bildungsinstitutionen, weil auf diese Weise die häufig komplexe sprachliche und kulturelle Identität der Kinder anders in den Blick genommen werden kann. Die Eltern können als Repräsentant*innen und Vermittler*innen von Sprachen und Kulturen pädagogische und soziale Unterstützung leisten, indem sie sich z. B. mit dem Vorlesen von Geschichten im Rahmen von Sprachprojekten einbringen, die durch einen Verein koordiniert werden, der sich für die Kooperation zwischen Elternhäusern und Bildungseinrichtungen einsetzt. Schröder-Sura betont abschließend, wie wichtig es sei, ausgehend von diesen und vielen anderen Einzelprojekten systematische und alle Altersgruppen berücksichtigende Strategien zu entwickeln, die die Förderung mehrsprachiger literaler Kompetenzen zum