an.
„Die Rückfahrt war also toll? Wie heißt sie?“ Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er sah, wie sich Wolfs Miene entspannte und seine Mundwinkel ein wenig nach oben wanderten. Wortlos griff sein Bruder in seine Anzugsjacke, fummelte ein Visitenkärtchen hervor und reichte es ihm.
„Ah, eine Autorin. Na, das ist ja mal eine angenehme Abwechslung.“
„Glücklich verheiratet“, sagte Wolf, aber das Grinsen verschwand nicht.
„Ehrlich?“ Mist. Wenn sein Bruder alles war, aber kein Ehebrecher.
„Catrin Stechler – hab noch nie von der gehört.“
„Dreh mal die Karte um.“
„Candrine Cook? Moment mal! Schreibt die nicht diese Liebesschnulzen?“
Wolf sah ihn an und sein Grinsen wurde breiter. „Wenn ich mich recht erinnere, dann liest Laura die doch, oder?“
Ben räusperte sich. Allerdings. Nacht für Nacht lag seine Holde neben ihm und schmachtete die muskulösen halbnackten Wilden auf den Covern dieser Schmonzetten an. Und gab ihm damit immer wieder wortlos zu verstehen, dass er ruhig mal ins Fitness-Studio gehen durfte.
„Lade die bloß nicht zu uns ein“, sagte Ben und ließ die Visitenkarte zurückgleiten ins Wolfs Jacke.
„Wie ich bereits sagte, glücklich verheiratet. Also beruhige dich.“ Wolf riss das Lenkrad herum und kam mit quietschenden Reifen in der Einfahrt zum Stehen, direkt neben seinem Landrover, den er hier geparkt hatte, ehe er nach Hamburg fuhr.
Kapitel 5
„Diva?“ Catrin zog den Schlüssel aus dem Schloss, schob ihren Koffer in den Flur und drückte die schwere Haustür zu. „Diva?“
Eigenartig. Wenn sie heimkam, reichte normalerweise das leiseste Geräusch und ihre Hündin kam angeschossen, wo auch immer sie gelegen hatte. Vielleicht war Felix gerade mit ihr raus?
Die Luft im Haus roch abgestanden, nach kaltem Rauch und schal gewordenem Bier. Sie hatte es befürchtet.
Divas Leine hing nicht an der Garderobe, ebenso wenig wie Felix’ Jacke. Keine Musik aus der Küche, kein Laut. Nichts.
Eine Gänsehaut überfiel sie, als sie die Treppe in die erste Etage hinaufstieg und dann auf ihr Schlafzimmer zuging.
Wenn sie jetzt ein Stöhnen hörte, dann würde sie ausrasten!
Vorsichtig öffnete sie die Tür und sah hinein. Ein zerwühltes Bett. Beide Seiten.
Übelkeit stieg in ihr auf. Mein Gott, dieses Arschloch.
Für einen Moment musste sie die Augen schließen und sich zusammenreißen, dann ging sie zum Bett und zerrte zwei große Koffer darunter hervor. Sie öffnete den Kleiderschrank und begann, wahllos Kleidungsstücke herauszuholen und in die Koffer zu werfen. Schließlich ging sie in das kleine Arbeitszimmer nebenan. In der Ecke standen Klappkisten. Sie war oft genug schon für ein paar Tage zu ihrer Mutter in eine Schreibklausur verschwunden, sie wusste genau, was sie einpacken musste, um mit ihrem derzeitigen Manuskript voranzukommen. Wenn Felix heimkam und seinen Rausch ausgeschlafen hatte, würde er sie dort vermuten und sich melden. Ob er bemerken würde, dass sie so gut wie alles mitgenommen hatte, woran ihr Herz hing? Ob er die richtigen Schlüsse ziehen würde? Nämlich, dass sie ihn verlassen hatte?
Verbissen schleppte sie eine Kiste und einen Koffer nach dem anderen nach unten, dann ging sie ein letztes Mal nach oben, um ihre persönlichen Sachen aus dem Bad zu holen.
Sie schlug die Hand vor den Mund, um das Würgen zu unterdrücken, kaum dass sie den Raum betreten hatte. Der Geruch von schwüler Lüsternheit, der noch in der Luft hing, sagte ihr, dass Felix und seine Schlampe noch nicht lange fort sein konnten. Der Stapel nasser Badetücher vor ihren Füßen gab ihr schließlich den Rest. Falsch. Es war der gelbe Spitzentanga oben auf dem Stapel, der das erledigte.
Als sich Catrin endgültig ausgekotzt hatte, fing sie über dem Waschbecken mit ihren Händen kaltes Wasser auf und trank gierig. Sie versuchte, durch den Mund zu atmen, als sie sich umdrehte und zufrieden feststellte, dass von dem zarten Slip nicht mehr viel zu sehen war. Ihr Erbrochenes hatte sich wirklich hübsch darüber verteilt.
Mit einem Ruck zog sie die Tür zum Bad hinter sich zu und atmete tief durch. Jetzt noch schnell Divas Sachen zusammenraffen, dann würde sie Felix einen Besuch abstatten.
So, wie sie ihn kannte, hatte der Idiot die trächtige Hündin mit in die Schützenhalle geschleppt, um seinen besoffenen Freunden vorzuführen, was für ein Naturbursche er war. Immerhin hatte er irgendwann mal einen Jagdschein gemacht und bildete sich weiß Gott was darauf ein, wehrloses Wild zu erschießen. Als er mit seiner ersten Beute nach Hause gekommen war und einen Platz im Flur mit Hammer und Nagel bearbeitete, um seine schändliche Trophäe aufzuhängen, war es zum Eklat gekommen. Bis heute prangte der nackte Nagel in der Wand, mahnende Erinnerung an den Riss, der seitdem durch ihre Ehe führte. Wie tief dieser Riss tatsächlich war, wusste sie ja nun.
Catrin kramte aus einer Schublade in der Küche zwei geräumige Plastiktüten hervor und begann, das Hundespielzeug einzusammeln, das überall in der Wohnung verstreut lag. Dabei begegneten ihr ständig Spuren, die davon zeugten, wie fest Felix davon ausgegangen war, dass sie erst in zwei Tagen zurückkommen würde. Tja, Pech gehabt.
Sie zückte ihr Handy, um noch schnell ein paar Beweisfotos zu schießen: Rotweingläser mit Lippenstift, ungespülte Teller mit Spaghettiresten, Damenschuhe unterm Küchentisch, eine Decke und ein Kissen mitten auf dem Wohnzimmerteppich.
Sollte sie noch mal nach oben gehen?
Lieber nicht, beschloss sie. Die Fotos, die sie gemacht hatte, würden reichen, wenn Felix Zirkus machte. Denn das würde er, spätestens, wenn die Scheidungspapiere bei ihm eintrafen. Ein Felix Stechler wurde nicht verlassen.
Catrin öffnete die Tür zum Vorratsraum.
„Nanu?“ Verdutzt starrte sie auf das leere Regal. Wo war denn der Sack mit dem Trockenfutter? Sie drehte sich um, suchte mit ihrem Blick die Küche ab. Und wo waren die Futternäpfe? Erst jetzt fiel Catrin auf, was alles fehlte.
Sie spürte, wie die Farbe aus ihrem Gesicht wich, als sie Divas Hundekorb vergeblich suchte. Das konnte nur eines bedeuten: Felix hatte die Hündin nicht mitgenommen, sondern abgeschoben. Weiß Gott wohin.
So schnell, wie sie nur konnte, räumte Catrin alles, was sie zusammengetragen hatte, in ihren Wagen. Sie hätte auch zum Schützenfest laufen können, aber es war besser, wenn sie fuhr. Sie würde allerdings so parken müssen, dass niemand das bis unter die Decke vollgepackte Auto sah.
Es war gerade mal halb elf, als sie die Heckklappe zuschlug, ins Auto sprang und den Motor startete.
Sie ließ den Wagen gesittet auf die kleine Seitenstraße rollen, in der ihr Haus lag, und warf nicht einen Blick zurück, als sie den Gang einlegte und aufs Gaspedal trat.
Kapitel 6
Das Pfeifen und Trommeln des Piepenchors war nicht zu überhören, als Catrin schließlich in einer unscheinbaren Seitenstraße aus dem Wagen sprang. Es dauerte nur wenige Minuten, da wurde sie mit großem „Hallo!“ an der Schützenhalle begrüßt.
„Na, junge Frau? Stolz auf Felix? Ach, was frage ich? Natürlich bist du das!“
Karl befestigte ein buntes Plastikband an ihrem Handgelenk und winkte sie weiter. Das Schützenvolk klatschte begeistert zur Musik, während sich Catrin durch die Menge schlängelte. Überall nickte man ihr zu, klopfte ihr wohlwollend auf den Rücken und hob prostend das Glas. Sie konnte sich kaum ein Lächeln abringen, während sie sich der Bühne näherte, auf der Felix und Sabrina saßen, strahlend umringt von ihrem Hofstaat.
Es dauerte einen Augenblick, bis Felix mitbekam, dass sie dort unten stand und ihn anstarrte, dann einen weiteren, bis er zu begreifen schien, dass er aus dieser Nummer nicht mehr verheiratet herauskommen würde.
Schwerfällig