Dagmar Glüxam

Alles anders, aber viel besser


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ich dadurch eine Chance auf vollständige Heilung bekommen sollte. Und mit der Zeit, als ich lernte, besser auf meine Seele und meinen Körper aufzupassen, merkte ich, wie mir all diese Maßnahmen gut taten und wie umgekehrt das Nicht-Befolgen der Signale meines Körpers sich sofort negativ auf mein Wohlbefinden auswirkten. Das vertrieb wiederum meinen inneren Schweinehund, ein mächtiges Untier mit zotteligem Pelz und einem belämmerten Blick – dieser traut sich jetzt gar nicht mehr aus seiner Hundehütte und bewundert insgeheim meine in der Tat eiserne Disziplin.

      Die tägliche Disziplin, mit der ich mein neues Leben führe, bedeutet für mich jedoch mittlerweile kaum mehr eine wirkliche Herausforderung, denn, mit Greg Anderson gesprochen, hat Disziplin »nichts mit Sklaverei zu tun«, sondern sehr viel dagegen »mit der Frage, welche Lebensgewohnheiten man sich zu eigen macht.« (Diagnose Krebs, S. 145). Es ist viel schlauer, sich solche Lebensgewohnheiten anzueignen, die der Krankheit sozusagen den Boden unter den Füßen wegziehen. Denn auch Krebs braucht für sein Gedeihen gute Bedingungen. Ich bin aber nicht mehr bereit, ihm diese Bedingungen zu bieten. Ich mag MICH lieber als den Krebs, warum sollte ich dann aus purer Bequemlichkeit die Krankheit und nicht MICH unterstützen?

      Natürlich brauchte auch ich für die Umstellung anfangs starken Willen. Keine Frage, der beste Weg muss nicht der bequemste sein. »Der menschliche Geist kann tatsächlich Krebs heilen, aber das bedeutet nicht, daß es einfach ist«, bringt es Bernie S. Siegel auf den Punkt (S. 139). Auch hier bietet sich ein Vergleich mit den Finanzen und Schulden an. Wenn man Jahre oder jahrzehntelang finanziell über seine Verhältnisse lebte, wird es wiederum über Jahre große Anstrengungen und Geduld kosten, die angehäuften Schulden mit Hilfe eines kundigen Finanzberaters und mit einem genauen Finanzplan wieder abzutragen. Und wenn die Schulden nach Jahren endlich abbezahlt sind, heißt das keineswegs, dass man wieder das aufwendige Leben von früher leben kann. Nein, man steht auf Null und muss sich in Zukunft genau überlegen, wofür man sein Geld ausgeben kann. Genauso ist es mit der Gesundheit. Null auf meinem Gesundheitskonto bedeutet, dass ich keine Schulden mehr habe. Es bedeutet aber nicht, dass ich über Reserven verfüge, die ich nach Belieben benützen oder gar verschwenden kann. Ganz im Gegenteil, ich muss meine Reserven erst anlegen. Das kann mir nur dann gelingen, wenn ich jeden Groschen meiner Energie fünfmal umdrehe. Wochen-, monate-, jahrelang.

      Es ist einleuchtend: Wenn man dem eigenen Körper über Jahre oder Jahrzehnte mehr zugemutet hat, als er ertragen kann, ist es mehr als naiv zu erwarten, dass die Genesung so schnell wie nach einem grippalen Infekt eintritt. Es reicht deshalb nicht, die Lebensgewohnheiten für ein paar Wochen oder Monate zu ändern. Drei Wochen ohne Schweinsbraten oder Sachertorte, ähnlich wie ein paar Stunden Wandern oder Laufen, sind zwar besser als gar nichts, sie können langfristig aber nur wenig bewirken. Es sind nicht mehr als ein paar Tropfen auf dem heißen Stein. Mit Bestürzung habe ich erfahren, dass der Brustkrebs eine äußerst hinterlistige Krankheit ist, die sich nicht wirklich besiegen lässt. Es kann noch nach zwölf oder sogar vierundzwanzig Jahren zu einem Rückfall kommen (Ursula Goldmann-Posch, Rita Rosa Martin, Überlebensbuch Brustkrebs, S. 258). Umso wichtiger ist es deshalb im Interesse der eigenen Gesundheit, das eigene Leben für IMMER zu verändern. Ich habe für mich folgenden Vergleich gefunden: Mindestens dreißig Jahre meines Lebens habe ich offenbar exzessiven Raubbau an meiner Gesundheit betrieben. Dann wurde ich lebensbedrohlich krank. Jetzt muss ich wohl wieder dreißig Jahre lang daran arbeiten, alles wieder in Ordnung zu bringen.

      Ich kann mir vorstellen, dass Sie jetzt vor den zu erwartenden Einschränkungen zurückschrecken. Wir sind in unseren Lebensgewohnheiten oft so festgefahren, dass uns allein die Vorstellung, auf etwas zu verzichten oder etwas dauerhaft ändern zu müssen, Kopfschmerzen und Magenkrämpfe verursachen. Dieses Buch soll keine Lektüre des erhobenen Fingers sein. Jeder Mensch hat die Wahl: Wie lange und vor allem WIE möchte ich leben? MÖCHTE ich überhaupt leben? Wie wichtig sind mir MEIN LEBEN, MEINE GESUNDHEIT?

      Wenn man allerdings fühlt, dass das eigene Leben einen gar nicht mehr interessiert, ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Als ich kurz nach der Diagnose spürte, dass mein Lebenswille auf ein vegetatives Minimum geschrumpft war und ich, durch meine Lebensführung vollkommen entkräftet, eigentlich keinen Grund mehr sah zu leben, begriff ich mit den letzten Resten geistiger Klarheit, dass ich dringend psychologische Hilfe brauchte. Nach der Befreiung von den seelischen Lasten, die ich zum Teil jahrzehntelang auf meinen Schultern getragen hatte und die mich zu erdrücken drohten, war es keine Frage mehr, ob ich leben wollte. Natürlich wollte ich leben, und wie!

      Meinem neu entflammten Lebenswillen habe ich dann alles andere untergeordnet. Und entdeckte dabei sehr rasch, dass es auch eine gute, sogar sehr gute Nachricht in diesem Jammertal des Verzichts gab: Ich konnte für alles, worauf ich verzichten musste, eine Alternative finden! Und zwar eine viel bessere, eine, die meinem Körper und meiner Seele viel mehr Freude und Glück brachte als jene, auf die ich meiner Gesundheit zuliebe verzichten musste. Wer suchet, der findet!

      Eine Garantie allerdings, dass die eigenen Bemühungen auch zum gewünschten Erfolg führen, hat man wohl nie. Das naive Sicherheitsdenken wie etwa »ich brauche eine Therapie oder ein Medikament, das mir mit hundertprozentiger Sicherheit hilft …« sollte man, glaube ich, lieber gleich aufgegeben. Denn in die Zukunft kann niemand schauen und es ist auch möglich, dass mir morgen ein Ziegelstein auf den Kopf fällt. Mit oder ohne Krebs. Die Veränderung der Lebens- und Denkweise, also die Summe von verschiedenen Maßnahmen, erhöht die Wahrscheinlichkeit der Genesung um ein Vielfaches. Und mit hundertprozentiger Sicherheit wird man dadurch neue, ungeahnte Lebensqualität erreichen, die auf echtem Glück und auf Freude basiert.

      Erlauben Sie mir, am Ende dieses Kapitels eine Vision, ein Bild zu beschreiben, das gerade vor meinem geistigen Auge entstand. Ich sehe eine Sanduhr, die mein Leben symbolisiert. Der Sand ist schon fast zur Gänze in den unteren Teil der Sanduhr durchgerieselt; im oberen Teil bleiben nur noch wenige Körnchen übrig. Bevor die letzten Sandkörner den oberen Teil des Glasgefäßes verlassen und somit mein Leben zum Stillstand kommt, schaffe ich es gerade noch, die Sanduhr umzudrehen, also auf den Kopf zu stellen. Ich stelle mein ganzes bisheriges Leben auf den Kopf … Jetzt ist der obere Teil der Sanduhr wieder ganz voll, mein Leben kann weitergehen. Ich kann sehen, dass ich die einzig richtige Entscheidung für mein Leben getroffen habe.

      Vorgeschichte

      Über die Ursachen vom Brustkrebs wird nach wie vor diskutiert, sie konnten aber bis jetzt nicht eindeutig geklärt werden. Warum eigentlich nicht? Weil es, wie der geniale und scharfsinnige Journalist Tiziano Terzani auf S. 86 seines Buchs Noch eine Runde auf dem Karussell bemerkt, vielleicht leichter ist, ein Mittel gegen Krebs zu finden als seine Ursache? Und weil es vielleicht weniger kompromittierend ist? Wenn ich nachdenke, muss ich ihm recht geben. Allzu groß ist die Gefahr, dass man bei der Ursachenforschung auf Tatsachen stoßen könnte, die den wirtschaftlichen Ambitionen der großen Interessengruppen vielleicht gar nicht gefallen würden: der Lebensmittelindustrie, insbesondere der Fleisch- und Milchindustrie, der Kosmetikindustrie und vielen anderen. Wo man hinsieht, wird mit Umweltgiften gearbeitet, von hormon- und pestizidverseuchtem Fleisch, Gemüse und Obst ganz zu schweigen.

      Wie dem auch sei – ein renommierter Wiener Frauenarzt, den ich nach meiner Operation konsultierte, erklärte mir, dass die Disposition irgendwann in der Pubertät entstehe und dass es dann nur eine Frage der Zeit bzw. der Umstände sei, wann diese Krankheit ausbräche. Die allgemein anerkannten Risikofaktoren, über die man ausreichend in den Gesundheitsrubriken diverser Zeitschriften informiert wird, sind allgemein bekannt: Übergewicht, Rauchen, erhöhter Alkoholkonsum, die Einnahme von Hormonpräparaten inklusive der Pille, späte Geburten, kein Stillen, Stress, ungesunde Lebensweise. Bis auf den Stress – unter dem viele Frauen leiden, die dennoch nicht erkranken – trafen sämtliche Risikofaktoren auf mich nicht zu. Daher dachte ich mein Leben lang, dass ich mich, zumindest was den Brustkrebs betrifft, auf der sicheren Seite bewegen würde. Ich war immer eher schlank, in überzeugter Haltung gegenüber meiner Mutter, die stets mit dem Übergewicht kämpfte (oder besser gesagt nicht kämpfte). Da sie an hohem Blutdruck, ständigen Kopfschmerzen und massiven Gelenkbeschwerden litt, lieferte sie mir unwillkürlich drei ausreichende Gründe dafür, auf mein Gewicht zu achten. Ich rauchte nie, trank fast keinen Alkohol, nahm nie die Pille, mein erstes Kind bekam ich mit 25 Jahren