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Hospiz ist Haltung


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ein langes Leben verspricht, führte zu einem anderen Umgang mit Sterbenden. Nun wurden Krankenhäuser zu einem Ort für nicht mehr funktionale Teile dieser Gesellschaft. Es verwundert nicht, dass Sterbende sich an solchen Orten nicht wohlfühlen, denn „der Sinn der Krankenhäuser in der Industriegesellschaft liegt entweder darin, die Maschine Mensch zu reparieren oder bestimmte Gruppen wie Irre und ansteckende Kranke, die später vielleicht wieder nützlich werden könnten, separat einzusperren“5.

       Ein neuer Hospizgedanke entsteht

      Dieser Hintergrund trug dazu bei, einen neuen Hospizgedanken wachsen zu lassen, und so entstand um Ende des 19. Jahrhunderts ein Hospiz in Irland für unheilbar Kranke. Ob dabei die Definition von Frankreich übernommen wurde, wo es um diese Zeit noch Waisenhäuser und andere Zufluchtsorte gab, oder ob der Begriff direkt auf die mittelalterliche Institution zurückgeht, ist ungeklärt6.

      „Das stationäre Hospiz soll keine von der Umwelt isolierte Festung, sondern einen Ort des Lebens darstellen, an dem Sterben als natürlicher Teil unserer menschlichen Pilgerfahrt betrachtet wird und der Tod die ihm aufgrund dieser Einstellung gebührende Würdigung erfährt“7.

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       Cicely Saunders, Gründerin der modernen Hospizbewegung

      Die neuzeitliche Entwicklung der Hospize ist im europäischen Raum auf die Dame Cicely Saunders (1918 – 2005) zurückzuführen. Als Ärztin, Sozialarbeiterin und Krankenschwester gründete sie 1967 das St.-Christopher’s-Hospice. Ihr fachlicher Hintergrund spiegelt sich in einer Idee wider, die zum einen die körperlichen Aspekte berücksichtigt (palliative Medizin und palliative Pflege), wie auch die spirituelle und psychosoziale Begleitung, wie es sich im folgenden Zitat von Cicely Saunders ausdrückt:

      „Es macht schutzbedürftige Menschen so verletzlich, dass sie glauben, sie wären eine Last für die anderen. Die Antwort ist eine bessere Betreuung der Sterbenden, um sie zu überzeugen, dass sie immer noch ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind.“

      Bei der Betrachtung eines Hospizes spiegelt sich der Leiden lindernde Aspekt gleichberechtigt in allen vier Dimensionen der Hospizidee wider. Im Gegensatz zu der Idee von Cicely Saunders wurde die hospizliche Arbeit in Deutschland zweigeteilt, d. h. wir finden Hospize und Palliativstationen. Palliativstationen sind eingebettet in die Krankenhausstruktur. Als Beispiel sei hier die Palliativstation der Kölner Universitätsklinik genannt, die bis 1991 als Modellstation von der Deutschen Krebshilfe finanziell unterstützt wurde. Pater Zielinsky, der Jahre zuvor im St. Christopher’s Hospice gearbeitet hatte und in seiner Dissertation „Sterbebegleitung unter medizinisch-ethischer Sicht“ bearbeitete, war Wegbereiter dieser 5-Betten-Station und baute sie nach dem englischen Muster auf, um so die Diskussion um eine aktive Sterbehilfe aus der Welt zu schaffen. Denn „ein Mensch gibt ohne Grund sein Leben nicht auf. Die Aufgabe der Mitmenschen ist es, diesen Grund herauszufinden und zu versuchen, ihn zu beseitigen. Wenn ein Tumorpatient die Gewissheit hat, dass er nicht abgeschoben und alleine gelassen wird, möchte er diese letzte Phase seines Lebens noch bewusst erleben“8.

      Dieser Hintergrundgedanke von Zielinsky prägte die Palliativstation und gab der Schmerztherapie vor dem psychosozialen und spirituellen Aspekt den Vorrang. 1990 betrug die durchschnittliche Verweildauer auf Palliativstationen 27 Tage (2010: 7 Tage). Die Abrechnung erfolgt wie in jeder Klinik über die Krankenkasse. Zu diesem Punkt äußerte sich Zielinsky während eines Interviews am 26.1.1990 wie folgt: „Hospize führen gesundheitspolitisch dazu, dass sie ebenso wie die Altenheime nicht im gesetzlichen Krankenkassenbereich angesiedelt werden.“ Deshalb plädiert er für die Perspektive der palliativen Station.

       Die Anfänge in Deutschland

      Die ersten deutschen Hospize entstanden 1986 in Aachen (Haus Hörn) und in Recklinghausen. Exemplarisch stellen wir den Werdegang und die Verwirklichung des Hospizes Haus Hörn in Aachen vor. Seit 1967 existiert in Aachen das Alten- und Pflegeheim Haus Hörn unter der Trägerschaft der Oratorianer des Philipp Neri. Die Oratorianer sind ein Zusammenschluss von Weltpriestern, die sich neben der Seelsorge auch dem pädagogischen Auftrag widmen. Hospitäler und Armenhäuser wurden so zum Arbeitsgebiet des Ordens. Die heute rund 60 Häuser sind in verschiedenen Ländern anzutreffen. Ohne feste Regeln wird nach dem Grundsatz gearbeitet, dass das Arbeitsfeld den jeweiligen Bedürfnissen vor Ort angepasst sein muss. Unter dieser Voraussetzung entstand das Altenzentrum in Aachen. Nach Aussagen des Gründers Dr. Türks geschah es jedoch immer häufiger, dass auch nach Unterbringungsmöglichkeiten jüngerer Schwerkranker gesucht wurde. Nachdem Dr. Türks 1978 während seiner krankenseelsorgerischen Ausbildung in Washington auf einer onkologischen Station mit der Hospizidee konfrontiert wurde, brachte er den ideellen Gedanken mit nach Aachen. Unter der sachkundigen Beratung durch das St. Christopher’s Hospice in London entwickelte sich das Hospiz Haus Hörn. Zunächst schien es jedoch unüberwindliche Hürden zu geben. Zum einen, da es für ein Hospiz keine finanziellen Mittel gab und ebenso wenig eine gesetzliche Grundlage (siehe hierzu Aussage Pater Zielinsky zu Palliativstation). Des Weiteren lehnten die Aachener Bürger ein „Sterbeheim“ ab und demonstrierten gegen den „häufigen Anblick von Leichenwagen“ (Aussage nach einem Interview mit der Heimleitung Frau Louven 1989). Dr. Türks begegnete dem Punkt der Finanzierung mit der vorläufigen Namensänderung „Langzeitpflegeheim“, die am Tag der Eröffnung in „Hospiz“ umgewandelt wurde. Die Oratorianer gaben 3 Mio. DM zur Finanzierung, und über Landesmittel, Sonderfonds und Spielbankenfonds flossen 7 Mio. DM in das Projekt. Bauliche Konsequenzen ergaben sich aus den Besuchen im St. Christopher’s Hospice. Das Haus verfügte damals über 53 Betten und war 1986 bezugsfertig. Ende der neunziger Jahre hat man entsprechend der Rahmenvereinbarung für stationäre Hospize (1997) die Größe auf 16 Betten reduziert. Die Fortbildung für die Mitarbeiter wurde in vier Schritten konzipiert:

Schritt 1: „Bewusstwerdung des Berufes“ Das heißt hier Besinnung auf die Krankenpflege im wörtlichen Sinne
Schritt 2: „Begegnung mit dem Tod“ Konfrontation mit dem Abschied nehmen in Form des „Loslassen-Könnens“
Schritt 3: „Das Hier und Jetzt sehen“ Begleitung des Patienten im gegenwärtigen Zustand auch im Sinne des bewussten Lebens
Schritt 4: „Direkte Umsetzung beim Patienten“ In der Form des aktiven Zuhörens und der Verbalisierung der emotionalen Erlebnisinhalte als Interpretation seiner gefühlsmäßigen Äußerungen

      Unter Berücksichtigung dieser Schritte versorgte dem Ganzheitsaspekt folgend eine Pflegekraft ein Patientenzimmer.

      Wenn wir die heutige Situation noch einmal im Rückblick betrachten, so können Ehrenamtliche und Hauptamtliche aufzeigen, wie viel sich an Hospizkultur und Palliativversorgung in Deutschland getan hat.

       Entwicklung in Deutschland

      Untersuchungsergebnisse des Diplom-Psychologen W. George von 1988, veröffentlicht in Psychomed, Sonderdruck Heft 10 / 89, S. 749, geben Zeugnis der damaligen Situation. Über 50 % der Mitarbeiter im Krankenhaus hielten die räumliche Situation für völlig unzureichend. 65 % klagten über mangelnde Berufsausbildung in Bezug auf die Sterbebegleitung; vermisst wurde hier im Besonderen eine praxisnahe Übung im situativen Umgang mit Sterbenskranken. In dieser Studie sprechen sich 75 % der Mitarbeitenden im Krankenhaus für mehr Offenheit gegenüber dem Patienten aus. Gar 72 % hielten das Sterben im Krankenhaus für menschenunwürdig und 28 % glaubten, bei mehr Zuwendung dem Patienten gegenüber weniger Anerkennung bei den eigenen Kollegen zu erhalten. Diese Zahlen sprechen für sich und zeigen in einem die Entwicklung, die die Bürgerbewegung Hospiz in über 20 Jahren genommen hat. Waren es ca. 10 000 ehrenamtliche befähigte Hospizhelfer 1999, so sind es 2010 ca. 100 000 Ehrenamtliche; einen ähnlichen Aufschwung erlebte die Entwicklung von Palliativstationen und Hospizen.

       Entwicklung der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste einschließlich der spezialisierten Dienste für Kinder

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