zu einer Blüte, wie er sie vorher und dann sehr lange nicht mehr erlebt hat.
Berühmt sind die Holzbrücken, die die Römer über den Tiber in Rom und beim Vordringen nach Gallien in den Raum diesseits der Alpen geschlagen haben. Trajans Donaubrücke bei Drobeta Turnu Severin (heutiges Rumänien) besaß einen von steinernen Pfeilern gestützten hölzernen Überbau. Durch die Darstellungen auf der Trajanssäule in Rom wissen wir über den Brückenbau der Römer ziemlich gut Bescheid. Von Cäsars Brücke über den Rhein, die er im Jahre 55 vor Christus schlagen ließ, wissen wir aus Caesaris Bellum Gallicum. Von ihr ließ Palladio eine genaue Konstruktionszeichnung anfertigen. Die Brücke war 4,0 m breit und 400 m lang!
Das mitteleuropäische Mittelalter und die frühe Neuzeit waren geprägt von den monumentalen Steinbauten der Brücken, Burgen und Schlösser, Kirchen und Klöster, für welche die von den Römern ererbte Wölbkunst die konstruktive Grundlage bildete. Und von seinem stolzen bürgerlichen Holzbau der Wohnhäuser, welche die Städte prägten und auf meisterlicher Zimmermannskunst gegründet waren. Darüber hinaus ermöglichten in vielen Kirchen und Schlössern erst die meisterhaften Sprengwerk-und Hängewerkkonstruktionen der Zimmerleute die weit spannenden Decken zur Errichtung repräsentativer Räume.
Bei aller Würdigung dessen, was unsere Zeit schafft, muss man gestehen, dass nie mehr später mit so wenigen Grundstoffen (Stein und Holz) so einheitliche große Stile (u. a. Romanik und Gotik) so viele Jahrhunderte hindurch bestanden haben wie im Mittelalter, wobei die noch erhaltenen Stadtbilder bis heute unsere Bewunderung erregen. Das mitteleuropäische Mittelalter fand eine Einheit von Form und Geist.
In dem von C. Schäfer, Professor an der Königlichen Technischen Hochschule in Berlin, in den Jahren 1883–1888 verfassten Werk „Die Holzarchitektur Deutschlands vom 14. bis 18. Jahrhundert“ [1.2] gibt es eine eindrucksvolle Liste der bis zu den beiden Weltkriegen erhaltenen städtischen Holzbauten des ausgehenden Mittelalters. Verwiesen wird u. a. auf das Haus in Bacharach 1568, das Haus im Sack in Braunschweig, das Rathaus in Duderstadt 1528, das Salzhaus in Frankfurt am Main, das Brusttuch in Goslar, das Pfarrhaus in Hersfeld, das Knochenhauer Amtshaus in Hildesheim, das Haus Wedekind in Hildesheim, das Haus Kammerzell in Straßburg (Abb. 1.3) und noch viele andere Beispiele.
Ein Teil dieser herausragenden Beispiele der Zimmermannskunst ging insbesondere im Zweiten Weltkrieg verloren, wurde aber zwischenzeitlich teilweise durch z. B. das Knochenhauer Amtshaus in Hildesheim oder durch die im Jahr 2017 historische und historisierende Wiederbebauung des Frankfurter Dom-Römer-Areals rekonstruiert.
Abb. 1.3 Haus Kammerzell in Straßburg
(Quelle: Stefan Winter).
Im 18. Jahrhundert erreichte der handwerkliche Brückenholzbau seine höchste Reife, z. B. bei den 11 ausgeführten Brücken des Baumeisters Hans Ulrich Grubenmann aus Teufen (1709–1782). Sensationell war sein allerdings nicht ausgeführter Entwurf von 1755 für eine Brücke über den Rhein bei Schaffhausen [1.3] mit 119 m Stützweite, auf die von J. Killer [1.4] mit Recht würdigend hingewiesen worden ist (Abb. 1.4).
Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wusste Emy Bogenbinder bis zu 100 m Stützweite zu bauen. Die Amerikaner Long und Howe setzten den bereits im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa entstandenen Fachwerkträgerbrückenbau fort. Howe entwickelte dazu ein hybrides Fachwerksystem mit Eisenstangen als Zugvertikalen und massiven Holzstreben als Druckdiagonalen für sehr hohe Lasten. Das System wurde sowohl für Landungsbrücken am Hudson River in New York (Abb. 1.5) oder für Eisenbahnbrücken verwendet. Ein eindrucksvolles Beispiel für einen Howe’schen Träger ist die Eisenbahnbrücke über die Iller in Kempten, die nach mehr als 150 Jahren immerhin noch mit einem der ehemals beiden Brückenträger erhalten ist. Das Ingenieurdenkmal wurde zwischenzeitlich grundlegend saniert und soll zukünftig weiterhin als Rad- und Fußwegbrücke dienen (Abb. 1.6).
Abb. 1.4 Entwurf einer Brücke über den Rhein bei Schaffhausen, Grubenmann, 1755.
Abb. 1.5 Landungsbrücke am Hudson River in New York
(Quelle: Stefan Winter).
Ein früher Pionier des Ingenieurholzbaus war Carl Culmann (1821–1881) [1.5]. Anlässlich seines 100. Todestages hat Richard Pischl von der Universität Graz darauf hingewiesen, dass der Ingenieur, Forscher und Lehrer Culmann wesentlich dazu beigetragen hat, den Holzbau zu einem Ingenieurholzbau zu entwickeln, als er in Auswertung seiner Amerikareise 1849 die von ihm dort studierten, handwerklich hergestellten Brücken statisch zu analysieren suchte. Unter der Voraussetzung gelenkiger Knotenpunkte entwarf er dabei eine Fachwerktheorie und war damit in der Lage, die Stabkräfte zu berechnen. Es ist interessant, wie Culmann, von den nur empirisch, aber theoretisch unklar von durchaus tüchtigen Baumeistern entworfenen Brückensystemen, die Knoten konstruktiv und statisch analysierte. Er führte dabei die Bezeichnung „Fachwerk“ ein, die damit in die Fachsprache einging. Er war aber auch ein praktischer Ingenieur und untersuchte z. B. den gusseisernen Schuh, wie er damals zur Ausführung des Knotens üblich war (Abb. 1.7).
Abb. 1.6 Eisenbahnbrücke über die Iller in Kempten
(Quelle: Z & M 3D-Welt).
Culmann wurde 1855 in das neu gegründete Eidgenössische Polytechnikum in Zürich als Professor für Ingenieurwissenschaften berufen. Hier schrieb er sein Hauptwerk „Die graphische Statik“ 1866 (2. Auflage 1875). Sein Schüler und späterer Nachfolger in Zürich war Wilhelm Ritter (1847–1906), der mit den „Anwendungen der graphischen Statik“ in vier Bänden die Arbeit von Culmann weiterführte.
Von großer Bedeutung, wenn auch in negativem Sinn für den Holzbau, war die Entwicklung des Eisenbaus in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Mit diesem Eisenbau entstand dem Holz zum ersten Mal in der Geschichte der Baukunst ein gewaltiger Konkurrent, indem er mit stabförmigen Bauelementen arbeitete, die man bisher nur in Holz gekannt hatte. Der Stahl verdrängte das Holz.
Stahl bändigt die größeren Kräfte. Gewiss wurden nach wie vor im aufstrebenden Eisenbahnbau unzählige Güter- und Lokschuppen, Bahnsteigdächer usw. aus wirtschaftlichen Gründen in Holz gebaut. Aber schon Troche hat 1951 darauf hingewiesen, dass es neben technischen vor allem starke wirtschaftspolitische Tendenzen waren, die dem Stahl Vorteile in einem Umfang verschafften, die über das durch unleugbare Vorzüge des Stahls berechtigte Ausmaß hinausgingen [1.6]. Fast meint man bei Troche in einer Werbeschrift unserer heutigen Generation zu lesen, schrieb der Erstverfasser bereits in der Einführung einer der ersten Auflagen des Holzbau-Taschenbuchs. Aber selbst aus heutiger Sicht, 2021, stimmt das immer noch:
Der Stahl ist kein naturgewachsener stabförmiger Werkstoff, sondern künstlich erzeugt. Den dadurch unleugbaren Vorzügen namentlich statischer Natur, stehen aber auch fühlbare Nachteile entgegen, von denen hier nur auf das große Eigengewicht, ferner auf die hohen Preise und