Beschreibungen von Bausystemen bestehen prinzipiell schon. Das Buch „Holzrahmenbau“ [2.33] stellt auch bereits einen Baustandard dar, nur beschränkt auf Bauelemente. Ähnliche „Kataloge“ gibt es z. B. in Finnland für Beton- und Holzfertigbauweisen für den mehrgeschossigen Wohnungsbau (BES [2.34] und PES [2.35]). Die Erweiterung auf Baugruppen und die Implementierung in BIM sind nur der nächste Schritt. Damit würde dann ein echter Industriestandard darstellbar sein, was wiederum den ausführenden Firmen die Möglichkeit gibt, sich auf die Optimierung ihrer Prozesse und ihrer „ökologischen Leistungsfähigkeit“ (z. B. Minimierung von Primärenergieeinsatz, Abfallreduktion) anstatt auf teilweise nicht sinnvolle Diversifizierungen ihrer Konstruktionsaufbauten zu konzentrieren.
Abb. 2.42 SOMA®-Würfel als Beispiel für ein „3-D-Tetris“-System – ermöglicht 240 unterschiedliche Zusammensetzungen des Würfels aus nur sieben unterschiedlichen Teilen
(Quelle: Stefan Winter).
Abb. 2.43 mobi:skul am Standort Weiterstadt, Außenansicht
(Quelle: werk.um-architekten).
Eine realisierte Anwendung des Baugruppensystems stellt das Bausystem mobi:space [2.36] für temporäre Schulersatzbauten dar. Die technisch vollständig geplanten Baugruppen für Klassenräume können mit den Erschließungselementen für den jeweiligen Standort individuell konfiguriert werden. Sie werden aus einem Mix aus Holztafelbau und vorgefertigten Raummodulen hergestellt. Trotz der hohen Vorkonfigurierung weisen sie eine hohe architektonische Qualität auf (siehe Abb. 2.43 und 2.44).
Abb. 2.44 mobi:skul, Innenansicht eines Klassenraums
(Quelle: Thomas Ott).
2.8 Ausblick
Was wird die Zukunft für den Holzbau bringen? Wird das 21. Jahrhundert tatsächlich das Jahrhundert des Holzbaus, eine neue „goldene Ära“ des Holzbaus? Sicher hat der Holzbau insgesamt mit Blick auf die Nachhaltigkeits- und Klimadiskussionen und nach der Überwindung der zum Teil kriegsbedingten Vorurteile in Sachen Brandschutz und Innenraumklima große Chancen, deutlich mehr an Bedeutung zu gewinnen.
Es sollte jedoch Augenmaß gewahrt bleiben: Nicht für alle Bauaufgaben ist Holz bestens geeignet, für viele Bauaufgaben empfiehlt es sich, auf einen materialgerechten Mix der Baustoffe zurückzugreifen. Und es sind wie bei jedem Material die Besonderheiten des Werkstoffs zu berücksichtigen. Holz und die aus ihm produzierten Werkstoffe sind nun einmal größtenteils feuchteempfindlich und müssen im verbauten Zustand trocken bleiben – dann allerdings sind sie praktisch unbegrenzt haltbar. Holz ist ein biogener Baustoff und brennt, das muss in der Konstruktion berücksichtigt werden. Dafür bietet es aber im Brandfall ein gutmütiges, robustes und gut kalkulierbares Brandverhalten. Holz ist ein anisotroper Werkstoff, seine richtungsabhängigen Eigenschaften sind in der Konstruktion zu berücksichtigen.
Zu einer erfolgreichen Holzverwendung gehören also wie bei allen Werkstoffen gut ausgebildete Planer, Konstrukteure und Ausführende, welche die Besonderheiten des Werkstoffs kennen und beachten.
Um Holz den ihm gebührenden Stellenwert zu verschaffen, wird es daher in Zukunft deutlich erhöhter Kapazitäten in der universitären und praktischen Ausbildung weltweit bedürfen.
Auch in Deutschland ist im Jahr 2020 die Situation diesbezüglich nicht rosig. Zwar ist die duale Ausbildung der Zimmerer ein Erfolgsmodell und weltweites Vorbild. Und dank zunehmend industrieller Arbeitsplätze, die einen hohen Anteil digitalen Wissens erfordern, sind die Arbeitsplätze auch für junge Menschen attraktiv. Aber die universitäre Ausbildungssituation ist in Deutschland wie auch weltweit eher kritisch. An vier der neun großen Technischen Universitäten in Deutschland ist z. B. das Fach Holzbau als eigenständige Professur nicht vertreten. Im Bereich der Architektur gibt es weltweit derzeit nur zwei spezifisch für Holzbau zuständige Professuren (TU München und Aalto Universität, Helsinki). Und selbst im Holzland Finnland gibt es nur eine holzbauspezifische Professur an einer universitären Bauingenieurfakultät. Im Vergleich zum Betonbau ist der Holzbau dramatisch unterrepräsentiert.
Zusätzlich zu einer erweiterten Ausbildung ist eine Qualitätssicherung mit Augenmaß erforderlich. Sie hilft, größere Schäden infolge von Baufehlern zu vermeiden, denn das würde nur zu Imageschäden führen. Hier gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Denn jede Qualitätssicherung kostet Geld und wirkt sich damit auf den Preis einer Bauweise aus. Eine fehlende oder mangelhafte Qualitätssicherung ist jedoch weder aus sicherheitstechnischen Aspekten noch aus Aspekten der Marktsicherung verantwortbar. Dies gilt uneingeschränkt für alle Bauweisen. Sie müssen entsprechend ihrer jeweils besonders kritischen Eigenschaften unterschiedliche Kontrollmechanismen vorhalten: Der Stahlbau erfordert neben intensiver Überwachung der Stahlherstellung eine besondere Qualifikation der Schweißer, im Betonbau sind in Abhängigkeit der Betoneigenschaften besondere Verfahren zur Sicherstellung der Materialeigenschaften erforderlich, im Holzbau unterliegt das Kleben oder die Herstellung vorgefertigter Elemente einer besonderen Eigen- und Fremdkontrolle. Und bei allen anderen Werkstoffen vom Glas über das Aluminium bis zu Membranen sind vergleichbare Verfahren etabliert. Es gilt der Grundsatz: Je weniger von den in der Bemessung vorausgesetzten Eigenschaften auf der Baustelle einfach kontrollierbar sind, umso intensiver muss die Überwachung der Herstellung erfolgen.
Der Holzbau verwendet schon immer hinreichende Qualitätssicherungssysteme und sollte diese insbesondere bei steigender Vorfertigung auch beibehalten.
Eine besondere Herausforderung wird für den Holzbau in den nächsten Jahrzehnten durch die Veränderung der Wälder entstehen. Grundsatz muss natürlich bleiben, wie bisher nur auf nachhaltig bewirtschaftete Wälder zurückzugreifen. Nur dann ist Holzbau nachhaltig!
Durch die klimabedingten Veränderungen der Wälder entsteht jedoch ein neues Holzaufkommen, das zunehmend wie bereits beschrieben Hartholz enthält. Der Holzbau muss für diese Hölzer (wieder) eine Verwendung finden. Neben sortenreinen Werkstoffen werden zunehmend hybride Baustoffe aus Weich- und Hartholz entwickelt werden und auf den Markt kommen, Verarbeitungsverfahren und Anwendungen werden sich ändern und erweitern. Es ist z. B. absehbar, dass Furnierwerkstoffe wieder eine wesentlich größere Bedeutung erlangen werden, da sich Harthölzer deutlich besser schälen als sägen lassen und zudem dünne Furniere eine Vielzahl von Modifikationen bis hinein in die Zellstruktur zulassen. Neben bereits verwendeten, thermisch modifizierten Furnieren (z. B. Thermobuche) sind selbst elektrisch leitende oder magnetisierte Furniere vorstellbar.
Eine interessante Optimierungsfrage im Holzbau ist die Ressourceneffizienz. Wenn immer mehr in Holz gebaut wird, dann sollte automatisch eine Tendenz zu materialeffizienteren Bauweisen entstehen. Das widerspricht aber dem derzeitigen Trend, zunehmend massive Holzbauteile (Brettsperrholz, Brettschichtholz) einzusetzen, die durch die langfristige Einlagerung von Kohlenstoff eine wirksame CO2-Senkenfunktion aufweisen. Es muss also das richtige Maß zwischen umweltund stoffrelevanter Optimierung gefunden werden.
Dazu gehört ergänzend recyclinggerechtes Bauen, um einer späteren Generation bestenfalls die stoffliche Weiterverwertung der Bauteile zu ermöglichen. Das entspricht forstlichem Handeln, denn man muss ebenso wie der Förster im Wald auch im Bauwerk heute in Maßnahmen investieren, die erst der nächsten oder übernächsten Generation nutzen – also Bäume pflanzen oder zum Beispiel lösbare Verbindungen