Gegensatz zur damals noch sehr konservativ ausgerichteten deutschen Gesellschaft standen. Jeans und Freizeithemden begannen Anzug, weißes Hemd und Schlips abzulösen, wenngleich nur sehr langsam und über einen jahrzehntelangen Zeitraum. Für den Westteil galt: nicht in der Vergangenheit rühren, sondern am Aufbau mitwirken. Das Überwechseln ehemaliger Nazis in die neue Entwicklung und ihr Fußfassen in der neuen Politik waren zumindest in Westdeutschland verhältnismäßig problemlos. Ein Beispiel ist der badenwürttembergische Ministerpräsident Filbinger, der als Kriegsrichter selbst noch nach der deutschen Kapitulation, also nach Kriegsende, einen fahnenflüchtigen jungen deutschen Soldaten hinrichten ließ. Zudem fanden etliche Juristen aus der NS-Zeit, einschließlich Richter und Staatsanwälte, wieder ein Unterkommen in der Justiz der neuen Bundesrepublik. Von den höchsten Bundesrichtern hatte die Mehrzahl eine NS-Vergangenheit. Die 50er Jahre waren zugleich die Aufbaujahre Westdeutschlands, in denen die wesentlichen materiellen Kriegsschäden behoben wurden. Auch in der DDR gab es trotz anderslautender Propaganda den Aufstieg von Personen mit NS-Vergangenheit, wenngleich in weitaus geringeren Anteil als in der Bundesrepublik.
Für die sechziger Jahre waren vor allem das wirtschaftliche Wiedererstarken Westdeutschlands prägend sowie die Wiederbewaffnung Deutschlands durch die neue Bundeswehr. Die erfolgte allerdings als fest integrierter Bestandteil im westlichen Militärbündnis Nato. In Ostdeutschland vollzog sich sukzessiv eine Umstellung der Wirtschaft zur Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild. Diese Entwicklung war mit umfassender Enteignung der Wirtschaft und der Landwirtschaft verbunden. Gleichfalls fand auch in Ostdeutschland eine Wiederbewaffnung als NVA (Nationale Volksarmee) statt, die vergleichbar mit der Nato in einem osteuropäischen Militärbündnis, dem Warschauer Pakt, unter Führung der Sowjetunion eingebunden war. Der Berliner Mauerbau 1961 verschärfte die politische Situation und zementierte die Teilung der Stadt. Die Sowjets drohten den Viermächtestatus der Stadt und damit das Anwesenheitsrechte der Westalliierten aufzuheben. Durch den klaren Widerstand der USA, die nach dem Mauerbau symbolisch eine zusätzliche Brigade nach Berlin entsandten, wurde die Drohung gegen Westberlin nicht mehr verfolgt. Zudem stattete der damalige Vizepräsident der USA Johnson Berlin alsbald einen symbolischen Besuch ab. Der erste Besuch des damaligen Bundeskanzler Adenauers nach dem Mauerbau fand erst Wochen später statt.
In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre begann in Deutschland endlich die juristische Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Sie war längst überfällig. Etliche andere Staaten haben auch Kriege begonnen, vor allem im Zuge des imperialistischen Kolonialismus im Jahrhundert vor der Naziherrschaft. Aber die furchtbaren Gräueltaten der Nazizeit übertreffen alles andere an Unmenschlichkeit. Deren mit der bürokratischen Akribie und Präzision von Industrieprozessen durchgeführte Mordmaschinerie in den Konzentrationslagern hat eine einmalige Dimension von Grausamkeit und ist die größte Schändung und Schande des deutschen Volkes und Deutschlands. Deshalb waren die Auseinandersetzung und Aufarbeitung dieser Zeit und juristische Ahndung der Täter unverzichtbar für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu einem demokratischen Rechtsstaat. Von 1963 bis 1965 fand schließlich der Auschwitzprozess statt, mit dem die Schrecken und Unmenschlichkeiten des NS-Regimes selbst für politisch nicht interessierte Bürger/-innen in ihrem furchtbaren Ausmaß deutlich wurden. In Ostdeutschland kam es damals ebenfalls zu Prozessen, so 1966 gleichfalls zu einem Auschwitzprozess. In der Folge gab es in Westdeutschland eine Vielzahl weiterer Prozess. Die angeklagten Personen, oftmals ehemalige Entscheidungsträger und Offiziere, beriefen sich häufig auf Befehlsnotstand (d. h., sie waren für die Taten nicht verantwortlich, sondern die höheren Stellen, die ihnen dazu den Befehl erteilten, den sie in ihrer soldatischen Pflicht auszuführen hatten). Die Prozesse führten daher längst nicht immer zur Verurteilung oder beinhalteten nur verhältnismäßig geringe Strafen. Sie hatten aber zur Folge, dass weiten Teilen der Bevölkerung, vor allem der Jugend, die verheerenden Grausamkeiten der NS-Zeit verdeutlicht wurden. Häufig war damit die Frage nach der Vergangenheit der eigenen Eltern verbunden. Das stets auf Ordnung und Pflichterfüllung ausgerichtete Leben der Älteren bekam tiefe Risse. Ohne diese Bürokratie und bürokratische Pflichtausrichtung eines Großteils der Elterngeneration wären die schrecklichen Auswüchse der NS-Zeit kaum möglich gewesen, selbst wenn die meisten Bürger nicht unmittelbar an den Gräueltaten beteiligt waren. Der Generationskonflikt war da und eskalierte zunehmend Ende der sechziger Jahre.
Der Vietnam-Krieg verschärfte die Generationskontroverse, da manches für Kriegsverbrechen durch die Amerikaner sprach. Der Besuch des persischen Schahs in Berlin 1967 führte zum „Überkochen“. Vor dem Rathaus schlug eine persische Begleitmannschaft mit Holzlatten auf deutsche Demonstranten ein, weil diese Anti-Schah-Plakate hochhielten. Diese Handlungen erfolgten direkt vor deutschen Polizisten (die zur geordneten Absperrung der Zuschauer dort waren). Die Attacken der persischen Schlägertruppe waren ein eindeutiger Rechtsbruch, der unter den Augen deutscher Polizisten geschah, die aber in keiner Weise dagegen eingriffen. Für diese Untätigkeit hätten gegen die betreffenden Beamten strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet werden müssen. Obwohl das Geschehen klar sichtbar vom Fernsehen übertragen wurde, blieben die Polizei und Justiz passiv und tatenlos. Wenig später kam es vor dem Deutschen Opernhaus dann zu dem besonders traurigen Ereignis. Der Kriminalpolizist Kujath erschoss mit einem Kopfschuss aus dichter Nähe den flüchtenden Studenten Benno Ohnesorg von hinten. Ohnesorg hatte zuvor an keinen Handlungen gegen Polizisten mitgewirkt. In Anbetracht seiner Kleidung, dünne Sommerhose und knappes T-Shirt, war auch eindeutig sichtbar, er ist unbewaffnet. Als der Todesschuss fiel, verfolgten Polizisten in Überzahl flüchtende Studenten und Passanten. Der Todesschuss war nicht zu begreifen, was wohl auch in ersten Reaktionen von anderen beteiligten Polizisten geäußert wurde. Dennoch, der Schütze wurde vor Gericht freigesprochen.
Das etablierte Berlin, einschließlich des Bürgermeisters Alberts, stand hinter dem Schahbesuch und gegen die Studenten. Einzig der damalige Präsident der Berliner Akademie der Künste, der international renommierte Architekt Hans Scharoun, wagte es Position zu beziehen. Scharoun sah die Tötung eines unbewaffneten Demonstranten durch eine gezielte Polizeikugel als ein derart gravierendes Ereignis an, dass er für die folgende Woche sämtliche Veranstaltungen der Berliner Akademie der Künste absagte. Das bekam in der vor allem durch die Bildzeitung und deren Berliner Pendant BZ (Berliner Zeitung) des Springerverlages nahezu beherrschten Öffentlichkeit kaum jemand mit. Die Reaktion der Berliner Polizeiführung war zudem äußerst zweifelhaft. Nach dem Todesschuss wurde offensichtlich gezielt das Gerücht verbreitet, von Seiten der demonstrierenden Studenten sei ein Polizist erschossen worden. Das heizte die Stimmung und Aggressivität der Polizisten noch an. Erst im Verlauf der nächsten vierundzwanzig Stunden sickerte nach und nach der wahre Sachverhalt durch, dass ein Polizist den Studenten Ohnesorg erschoss. Es ist zu vermuten, dass diese Vorgehensweise System hatte, denn die gleiche Gangart praktizierte später die Berliner Polizeiobrigkeit unter dem gleichen damaligen Innensenator Neubauer, als der terrorverdächtige, aber unbewaffnete von Rauch erschossen wurde.
Die Berliner Entwicklung ließ Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik aufkommen und war wohl letztlich auch die Initialzündung für die 68er Bewegung. Hinzu kam der Verdruss über das alte System und die Vorwürfe gegenüber den Älteren angesichts der Gräueltaten des NS-Regimes. Das Vorgehen der USA in Vietnam wurde in die Nähe der NS-Taten gerückt und entsprechend angeprangert. Gleichzeitig wandten sich die 68er gegen die traditionelle Familienstruktur. Die war geprägt durch den Mann, der als „Ernährer“ arbeiten ging und das Sagen hatte, und die Frau, deren vorrangige Aufgabe in der Haushaltsführung und Versorgung der Kinder lag. Kinder galten für Familien als Selbstverständlichkeit. Jeder hatte da seine Pflicht zu erfüllen, was auch für die Arbeitsverhältnisse galt. Die 68er sahen in dieser Grund- und Pflichtstruktur und der damit verbundenen Bürokratie eine der Wurzeln, die letztlich mit die Gräueltaten des NS-Regimes ermöglichten. Statt Unterordnung zur Pflichterfüllung wurde Selbstverwirklichung proklamiert. Die traditionelle Familie mit der eindeutigen Benachteiligung der Frauen wurde abgelehnt, bis hin zur grundsätzlichen Infragestellung. Familie stellte die Presse danach lange Zeit als „Auslaufmodell“ dar. Mit diesen Veränderungen setzten sich die 68er auch massiv für die Gleichberechtigung der Frauen ein, wie ebenfalls für die Ablösung der alten spießig, prüden Moralvorstellungen und für sexuelle Freizügigkeit. Letzteres erhielt durch das Aufkommen der Antibabypille einen zusätzlichen Schub. Der Zeitpunkt dieser Veränderungen im Rollenverständnis junger