sich dann mit der Radikalisierung dieser Gruppen, wie dargelegt, sehr schnell aufgelöst. Ein großer Verdienst der 68er lag damals vor allem in den Erfolgen gegen übermächtiges, man kann fast sagen willkürliches Agieren des Staates und der Verwaltung. Davon ist leider nicht mehr viel verblieben, zumal die Digitalisierung heute der Verwaltung weit größere Möglichkeiten bietet. Die Gewaltenteilung des Staates in die drei Elemente Legislative, Exekutive und Judikative wird inzwischen z. T. von einer „Verwaltungslative“ überlagert, auf die die Judikative nur noch begrenzten Einfluss hat. Bürokratismus breitet sich immer mehr aus, wie auch der damals erkämpfte offene Sexualität zunehmend der Trend zur Rückkehr zum prüden Spießertum entgegen wirkt.
Für die 70er Jahre waren die Ablösung der bis dahin führenden CDU/CSU, durch die Kanzlerschaft von Willi Brandt und dessen Koalitionspartners FDP das prägende Ereignis. In dieser Zeit wurden umfassende soziale Verbesserungen durchgesetzt. Weite Teile der Bevölkerung hatten ein ausgeglichenes Auskommen. Es ging eindeutig weiter aufwärts. Der von der CDU/CSU in den 60er Jahren angeschobene Eigenheimbau boomte ebenfalls weiter. Das galt auch für mittlere Einkommen. Das wesentliche politische Geschehen bestimmte sich durch die Ost-Entspannungspolitik unter Brandt und die Berlin-Vereinbarungen, die den Reiseverkehr zwischen Westdeutschland und Berlin erheblich erleichterten. Konflikte bahnten sich im Umweltbereich an, insbesondere durch die kontroversen Positionen zur Energieversorgung auf Kernkraftbasis. Nach der weitgehenden Ausschaltung der Baader-Meinhof-Gruppe wurde die Öffentlichkeit jedoch durch die zunehmend radikaleren Aktionen und Morde der RAF-Nachfolgegruppierungen verunsichert, die in der Landshut-Entführung und der Ermordung von Hans Schleyer 1977 den leidigen Höhepunkt erfuhren. Dennoch, insgesamt war es ein Jahrzehnt der Aufwärtsentwicklung.
Zu dieser Zeit fand der Ausbau der Daseinsvorsorge im erheblichen Maße statt, der wegen den bereits Ende der 60er und später in den 70er Jahren zeitweilig auftretenden Schwächen im Wirtschaftswachstum zu nicht unwesentlichen Teil über Kreditaufnahmen finanziert wurde. Das entsprach damals durchaus der aktuellen, fortschrittlichen Finanztheorie. In Anbetracht steigender Preise und des zunehmenden Wirtschaftswachstums ging man davon aus, dass heute über Kredite finanzierte Ausgaben günstiger seien als ansparen. Denn der wahrscheinliche Preisanstieg in der Zeit des Ansparens ließ sich damit vermeiden und die Kreditzinsen über den so ersparten Preisanstieg finanzieren bzw. ausgleichen. Seit dieser Zeit hat sich dieses staatliche Ausgabenverhalten, quasi die Ausgaben über den staatlichen Einnahmen „auf Pump“, als Dauererscheinung und zu einer immer größeren Staatsverschuldung geführt. Diese Entwicklung galt nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland sondern genauso für die meisten westeuropäischen Länder, insbesondere für die Mittelmeerstaaten, und führte dort auch zur Abwertung nationaler Währungen. Diese Entwicklung wurde in der Bundesrepublik erst durch das 2009 erlassene Haushaltsgrundsätzegesetz sowie durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU bis zum Eintreffen der Coronapandemie beendet.
In den 80er Jahre setzte sich die Aufwärtsbewegung weiter fort. Westdeutschland ging es immer besser. Die Integration und Verflechtungen der EU-Staaten verdichteten sich. Das Konfliktpotential zu Umweltfragen nahm mit der Atompolitik der Regierung zu, insbesondere zu den Fragen, wo ein Endlager für abgebrannte Atombrennstäbe einzurichten sei und was dort mit den Brennstäben erfolgen solle. Anfang der 80er Jahre fand deshalb unter dem damaligen hessischen SPD-Ministerpräsidenten Holger Börner durch die landeseigene Hessische Landesentwicklungs- und Treuhandgesellschaft (HLT), in enger Zusammenarbeit mit der DWK (Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen mbH. Hannover), in Nordhessen eine intensive Standortsuche statt. Damit sollte eine Lösung der Entsorgungsfrage für abgrannte Kernbrennsoffe geschaffen werden, offensichtlich um die Energiepolitik des SPD-Kanzlers Helmut Schmidt zu stützen. Diese streng vertraulichen und von der Öffentlichkeit bis heute gut abgeschirmten Aktivitäten fanden ein sehr schnelles Ende, als Kanzler Helmut Schmidt durch Helmut Kohl abgelöst wurde. Damit verlor sich sehr zügig die Unterstützungsbereitschaft der SPD-geführten hessischen Landesregierung. Die war nun bemüht, dieses konfliktreiche Thema schnell wieder loszuwerden. Dazu ist es dann sehr bald gekommen, und die Standortfrage fiel an die von CDU bzw. CSU regierten Bundesländer zurück.
Die damalige Entwicklung verunsichert, weil bei diesen wichtigen Fragen die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschaltet wurde und wohl bis heute kaum etwas über die damalige Entwicklung weiß. So berichteten damals DWK-Mitarbeiter intern, wie sie die notwendigen Vermessungsarbeiten auf den relevanten nordhessischen Flächen durchführten. Da mit dem Widerstand der Eigentümer der Fläche, also den Bauern, zu rechnen war, führte der Kreis dort unter einem anderen Vorwand Vermessungsarbeiten durch. Die Bauern konnten dem Kreis das kaum verwehren, denn der Landkreis war berechtigt bei Bedarf wie überall im Kreisgebiet Vermessungen vorzunehmen. Zeitgleich war dort jedoch eine andere Gruppe von Vermessern tätig, die im Auftrag der DWK die für die Standorteingrenzung erforderlichen Vermessungen durchführte. Letztlich war das eine illegale Tätigkeit auf den Flächen der Landwirte, die diese aber durch die legalen Parallelvermessungen nicht erkennen konnten. Die Aktivitäten zur kerntechnischen Standortsuche fanden z. T. bei internen Kontakten und Absprachen mit nordhessischen Bürgermeistern statt, die sich von einer derartigen Anlage Steuereinnahmen und Arbeitsplätze in ihrem strukturschwachen Nordhessen erhofften. Als diese Kontakte dann irgendwie durchsickerten und halböffentlichwurden, stritten die betreffenden Kommunalpolitiker diese Vorgänge rundweg ab. Wesentlicher ist jedoch der Vorgang der Vermessungsarbeiten. Denn dieses Geschehen zeigt, dass ggf. staatliche Instanzen, d. h. auch von den zuständigen Verwaltungsspitzen bis zu verantwortlichen Politikern, die gesetzliche Legitimation verlassen, wenn sie es für ihre Ziele als wichtig erachten.
Im Gegensatz zur positiven westdeutschen Aufwärtsentwicklung befand sich die DDR zunehmend im Niedergang. Die DDR näherte sich dem Staatsbankrott. Das wirtschaftliche Verhältnis zur UDSSR drohte sich umzukehren. Seit Kriegsende, hatte die UDSSR nach den extrem hohen Kriegsreparationszahlungen nahezu über den gesamten Zeitraum der Existenz der DDR konstant Ressourcen aus Ostdeutschland abgezogen. Im Verhältnis zur Größe Ostdeutschlands und dessen Wirtschaftsleistung ein weitaus größerer Aderlass als die Zahlungen Westdeutschlands zur Wiedergutmachung der Nazi-Vergehen, an Israel, andere westeuropäische Staaten und ehemalige Kriegsgegner. Nun drohte sich das Verhältnis Sowjetunion zu Ostdeutschland umzukehren. Aus der maroden DDR war kaum noch etwas rauszuholen. Stattdessen wären massive Hilfen durch die UDSSR erforderlich, um dieses Staatssystem zu halten. Diese Situation hatte Gorbatschow als Wirtschaftsfachmann eindeutig erkannt und sich daher wohl aus der DDR zurückgezogen. Bei dem Aufbegehren der Ostdeutschen fand deshalb kein Eingreifen des russischen Militärs statt wie am 17. Juni 1953 in Berlin, 1956 in Ungarn oder 1968 in der Tschechoslowakei. Gorbatschow war Wirtschaftler und wollte die UDSSR und den Kommunismus im positiven Sinne durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen weiterentwickeln. Die Ereignisse haben sich alsbald überschlagen. Im Oktober 1989 fiel die Mauer. Der freie Verkehr der Bevölkerung zwischen Ostund Westdeutschland war erreicht. Damals war nicht absehbar, dass damit alsbald die Wiedervereinigung erfolgt und das Großreich der UDSSR zerfällt und auseinanderbricht.
Das Jahr 1990 war gezeichnet von der deutschen Annäherung. Nach ersten Verlautbarungen zur Bildung einer deutschen Föderation und der Ablösung von Erich Honecker kamen in Ostdeutschland die Forderung nach freien Wahlen und sehr bald nach der Wiedervereinigung Deutschlands auf. Die westeuropäischen Verbündeten, insbesondere Großbritannien unter M. Thatcher, sprachen sich deutlich dagegen aus (frühestens in 20 Jahren), aber der amerikanische Präsident Bush war dafür. Bundeskanzler Helmut Kohl, der lange belächelt und durch Witze im Volksmund verballhornt wurde, erkannte die einmalige Chance. Er hat mit seinem Außenminister Genscher die richtige Politik geleistet, um diese vermutlich einmalige Chance zu nutzen. Sein damaliger Oppositionsgegenspieler, der SPD-Chef Lafontaine, konnte mit dieser Entwicklung anscheinend wenig anfangen. Seine Äußerungen beschränkten sich vor allem auf den Verweis auf die hohen Kosten einer Wiedervereinigung.
1.2 Deutschland nach der Wiedervereinigung
Am 3. Oktober 1991 wurde Deutschland durch den Beitritt Ostdeutschlands bzw. der DDR zur Bundesrepublik wiedervereinigt. In Berlin fand dazu eine große Veranstaltung auf der Straße Unter den Linden bis zum Brandenburger Tor statt. Dort standen in Reichstagsnähe