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Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft


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aber niemals ausgeschüttet, sondern immer wieder für Hilfeleistungen in der Zukunft verwendet werden. Der wesentliche Unterschied für die unternehmerischen Zielsysteme wurde allerdings zu wenig beleuchtet.

      Zwar müssen alle Unternehmen finanzielle Ziele, Ziele in Bezug auf die Qualität der Hilfeleistung und Ziele in Bezug auf die Sorge um die Mitarbeiter in Einklang bringen, wenn Sie im Angebotswettbewerb bestehen wollen. Der wesentliche Unterschied liegt in einer privatgewerblichen Aktiengesellschaft aber darin, dass letzter Souverän die finanziellen Interessen der Anteilseigner sind, die in der Regel auf Wertsteigerung der Aktie und Ausschüttung angelegt sind. Das bewirkt, dass im Konfliktfall in der Regel den finanziellen Zielen der Vorrang gegeben wird.

      Ein caritatives frei/gemeinnütziges Unternehmen ist befreit von Ausschüttungszwängen, steht dafür aber vor der komplexen ethischen Herausforderung, dass im magischen Dreieck die qualitäts- bzw. mitarbeiterbezogenen Ziele nicht einfach finanziellen Zielen untergeordnet werden dürfen, im Extremfall sogar dann, wenn dadurch Wachstums- oder sogar Existenzrisiken zunächst einmal erhöht erscheinen.

      Dies hat in den Verbänden der kirchlichen freien Wohlfahrt über fast fünfzehn Jahre zu der massiven Diskussion geführt, wie lange das Gebot der Tariftreue aufrechterhalten werden darf, wenn eine Existenzgefährdung für die Einrichtungsträger droht. Diese Diskussion hat erst abgenommen, seitdem die Wende auf dem Arbeitsmarkt auch die bestandsfördernden Eigenschaften flächentariflicher Regelungen wieder deutlicher zu Tage fördert.

      IV. Entwicklung des spezifischen kirchlichen Dienstes und des caritatives Unternehmertums als gemeinwohlorientierte Offensive in die säkulare Gesellschaft

      1. Änderungen der Rahmenbedingungen ermöglicht offensivere Aktionen

      Seit Beginn der 10er Jahre dieses Jahrtausends begann die Schrumpfung des „Scheinriesen“ Angebotswettbewerb als anscheinend wichtigstes Allokationsinstrument zur Steuerung der Ressourcen der Sozialwirtschaft in Richtung einer normalen Größe. Zunächst kam der Druck vor allem über teils skandalöse Entwicklungen bezüglich der Qualität und der Entlohnung der Arbeit bei privaten Subunternehmern, die zwar den günstigsten Preis geboten haben, aber von ihrer gesamten Corporate Governance Struktur eigentlich keinen Platz in einem Angebotswettbewerb haben dürften. Auch der Angebotswettbewerb im Sozialen muss sich letztlich der möglichst guten Hilfestellung für bedürftige Menschen unterordnen und damit dem Gemeinwohl dienen.

      Eine erste überaus wichtige Reglementierung, um solche Auswüchse zu vermeiden, war die Einführung eines Mindestlohns für die Pflege zum 1. Januar 2015. Ein politischer Erfolg, der im Übrigen entscheidend durch das abgestimmte Vorgehen der Verhandlungspartner der Arbeitsbedingungen der katholischen Caritas ausging. Und zwar deswegen, weil die ethischen Spannungen und Auseinandersetzungen bei den unteren Lohngruppen der stationären Altenhilfe im Rahmen immer härter werdender Tarifverhandlungen für uns Verhandler unerträglich wurden.

      Vollends zum Umdenken hat allerdings das Umkippen des Arbeitsmarktes in einen Angebotsmarkt geführt, der insbesondere in der Pflege schon jetzt fast überall zu wahrnehmbaren Versorgungsnöten führt, obwohl die doppelte demographische Herausforderung in der Pflege (zunehmende Zahl der Pflegebedürftigen bei weniger werdenden jungen Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt erwerbstätig werden) ihren Höhepunkt erst in den Jahren 2025 bis 2030 erreichen wird.

      Knappes Gut sind neben den solidarisch verfügbaren Finanzen aus Steuern und Sozialversicherungen damit zunehmend die Menschen, die für soziale Hilfeleistungen benötigt werden. Plötzlich wird immer mehr Akteuren klar, dass diese Probleme durch Angebotswettbewerb alter Prägung sogar gefährlich verschärft werden. Insbesondere der Wettbewerb über den Tarif und die Bezahlung der Mitarbeiter ist in Frage zu stellen. Der in den tarifpolitischen Leitlinien ethisch geforderte Satz (siehe oben) wird plötzlich politikfähig.

      Und eine weitere Erkenntnis brach sich mehr und mehr Bahn. Eine ausreichende Versorgung mit sozialen Diensten, und damit auch ein wichtiger Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft, wird nur gelingen, wenn die Aktivierung der sozialen Ressourcen im Sozialraum gelingt. Dies setzt voraus, dass für jeden Sozialraum die überall vorhandenen – allerdings höchst unterschiedlichen – Engagementpotentiale für das Soziale durch je geeignete Kooperations- und Vernetzungsressourcen freigesetzt werden. Hier stellt sich allerdings gleich die spannende ordnungspolitische Frage, wie ein auf sein richtiges Maß geschrumpfter Angebotswettbewerb zu gestalten ist, der trotz Wettbewerb Kooperation und Vernetzung im Sozialraum befördert.

      2. Chancen für den kirchlichen Dienst und caritatives Unternehmertum im gemeinwohl- und sozialräumlich orientierten Politikmodell

      Vor dem Hintergrund wurden vor allem die Grenzen des Wettbewerbes ohne Kooperation bei der Lösung der doppelten demographischen Herausforderung in der Pflege problematisiert. Auf der Grundlage eines politischen Modells für die Sozialwirtschaft – das im Rahmen des Bündnisses für Tariftreue in Baden-Württemberg entstanden ist – waren eine tiefergehende Problemanalyse sowie eine anregende Diskussionen zur Veränderung der politischen und sozialräumlichen Steuerung der Sozialwirtschaft sowie ein Weiterentwicklung der Rolle der Wohlfahrtsverbände am Beispiel der Problematik im Bereich Alter und Pflege möglich.

      a) Das Modell

      Abbildung 1: Sozialpartnerschaftliches Vierecksverhältnis am Beispiel Altenhilfe.

      Das Modell in Abb.1 hat einen gemeinwohlorientierten Ansatz und geht davon aus, dass Qualitätspolitik, Finanzpolitik, Mitarbeiterpolitik und Ordnungspolitik so auszurichten sind, dass für die Gesellschaft vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung (doppelte Herausforderung) das gemeinwohlbezogene Optimum erreicht wird. Dies würde dann auch die Sozialpartner in das abgebildete „Sozialpartnerschaftliche Gleichgewicht“ bringen. Dazu müssen die politischen Rahmenbedingungen für die Sozialräume so gestaltet sein, dass die vorhandenen bzw. zu erschließenden Ressourcen des solidarisch/freiwilligen Engagements, des frei gemeinnützigen non-profit Engagements und des privatwirtschaftlichen Profit Engagements durch Wettbewerb und/oder Kooperation optimal innerhalb der Sozialräume ausgerichtet werden können.

      a) Problemanalyse

      Derzeit werden die politischen Rahmenbedingungen durch die folgenden Settings festgelegt.

      aa) 1. Setting

      Die Legislative gibt auf der Bundesebene die gesetzlichen Vorgaben vor, die durch Verordnungen der Exekutive auf der Landeseben konkretisiert werden. Dies sind die Repräsentanten des Poles Ordnungspolitik.

      Probleme:

      • Mit vielen dieser Regelungen sind die Verbände der Leistungserbringer als Repräsentanten des Poles Qualitätspolitik, die Verbände der Kostenträger als Repräsentanten des Poles Finanzpolitik und Gewerkschaften und Mitarbeitervertreter als Repräsentanten des Poles Mitarbeiterpolitik nicht einverstanden. Besonders problematisch sind Verordnungen, die von allen Repräsentanten der anderen Pole abgelehnt werden. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Heimmindestbauverordnung des Landes Baden-Württemberg zu nennen, in der Einbettzimmer vorgeschrieben werden, ohne dem finanziellen Mehrbedarf die notwendige Beachtung zu schenken.

      • Die Akteure im Sozialraum fühlen sich durch viele Bestimmungen in ihren Steuerungsspielräumen vor Ort stark eingeschränkt.

      • Ebenso werden die Regelungen vor Ort häufig als zu bürokratisch und damit als überflüssiger Ressourcenverzehr der ohnehin schon zu knappen Ressourcen abgelehnt.

      aa) 2. Setting

      Daneben legen die Vertreter der Kostenträger als Repräsentanten des Poles Finanzpolitik und der Leistungserbringer als Repräsentanten des Poles Qualitätspolitik in Verhandlungen über Rahmenverträge und ggf. ergänzt