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Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft


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der Interessen der Leistungserbringer der Caritas geben muss und was diese von einer Interessenvertretung privat-gewerblicher Anbieter unterscheidet. Die anwaltschaftliche Caritas I dagegen würde sich vermutlich von unternehmerischen Fragen, wie soziale Dienste in der Fläche gesichert werden können, weitgehend abkoppeln. Eine Anwaltschaftlichkeit für hilfebedürftige Bürger, die sich aber nicht der Frage stellte, wie Hilfen in der realen Welt verwirklicht werden können, bliebe letztlich folgenlos.

      II. Notwendigkeit einer ordnungspolitischen Debatte

      In den Umbrüchen, die zu bewältigen waren, musste der Verband sich der ordnungspolitischen Debatte stellen, wie Märke sozialer Dienstleistungen zu ordnen sind. Rückwärtsgewandte Trauer über die vermeintlich besseren Zeiten des Korporatismus mit Selbstkostendeckungsprinzip und Objektförderung waren dazu zu überwinden. Eine strikt marktaversive Haltung konnte der Verband nicht durchhalten, ohne wichtige strategische Interessen seiner Mitglieder zu gefährden. Ein Verband, der den Anspruch hat, die anwaltschaftlichen Belange hilfesuchender Bürger und die unternehmerischen Interessen seiner Mitglieder zu erfüllen, damit sie qualitativ gute Dienstleistungen im Interesse der Bürger bereitstellen und sich wirtschaftlich behaupten können, musste sich der Frage stellen, wie Märkte zu ordnen sind. Aus anwaltschaftlichen Gründen war zu diskutieren, wie die Wahlrechte hilfesuchender Bürger gesichert und gestärkt werden können, eine Fragestellung, die bei der Auseinandersetzung zur Einführung eines Rechtsanspruchs auf ein persönliches Budget bei der Hilfe für behinderte Menschen eine große Rolle spielte.

      Aber es gab auch Gefahren von außen, die es dem Verband erleichterten, sich der ordnungspolitischen Debatte zu stellen. Unter Verweis auf vermeintlich zwingende Vorgaben des Europäischen Wettbewerbsrechts haben öffentliche Leistungsträger vermehrt versucht, aus der Struktur des Sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses auszubrechen und soziale Dienstleistungen nach Vergaberecht auszuschreiben. Mit dem Vergaberecht stand nun ein völlig anderes Modell der Marktordnung bereit, das – wäre es zum Regelmodell geworden – die Rolle der Caritas und anderer Wohlfahrtsverbände drastisch verändert hätte hin zu Auftragnehmern der öffentlichen Hand. Denn bei der Vergabe sozialer Dienstleistungen liegt die Macht einseitig beim Auftraggeber: Er bestimmt Menge, Qualität, den Grad der Differenzierung der anzubietenden Leistungen und trifft zudem als Ergebnis der Vergabe eine Entscheidung für einen oder einige Leistungserbringer und schließt damit andere von der Leistungserbringung aus. Um seine Rolle als eigenständiger Akteur in einem subsidiär konzipierten Sozialstaat zu behaupten, musste der Verband ein wettbewerblich gestaltetes sozialrechtliches Dreiecksverhältnis gegen das Vorrücken der Ausschreibung verteidigen. Dies war aber nicht möglich, wenn man gleichzeitig der alten Sicht einer Unvereinbarkeit von Sozialem und Markt das Wort redete, sondern erforderte eine differenzierte Sicht auf die unterschiedlichen Marktordnungsmodelle und damit eine ordnungspolitische Auseinandersetzung.5

      III. Strategische Festlegungen der verbandlichen Caritas

      Nach intensiven Debatten hat die Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes 2007 zur Position des Verbandes zur Ordnung der Märkte sozialer Dienstleistungen strategische Festlegungen beschlossen. Der Titel des Beschlusses lautete „Selbstbestimmte Teilhabe sichern, Märkte ordnen, im Wettbewerb bestehen“. Fachlicher Anspruch der Dienste sei es, „selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen“, dies erfordere, „dass Menschen zwischen unterschiedlichen Angeboten und Trägern wählen können“. Der Wettbewerb sei entsprechend zu gestalten. „Aus Mindeststandards ergeben sich Grenzen für die Beteiligung der Caritas am Wettbewerb.“ Selbstbestimmte Teilhabe werde durch eine subjektbezogene Finanzierung befördert, das persönliche Budget sei „in geeigneten Hilfefeldern“ dafür die beste Form. Das Sozialrechtliche Dreiecksverhältnis sei „der bewährte ordnungspolitische Rahmen“, es ermögliche „eine wettbewerbliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen, in der die Wahlrechte der Hilfebedürftigen und eine qualitativ gute und kostengünstige Erbringung sozialer Dienstleistungen durch ein plurales Trägerangebot gesichert werden kann“. „Die Finanzierung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis ist der Finanzierung über öffentliche Aufträge (Vergaberecht) vorzuziehen.“ Soweit staatliche Steuerung beim Zugang zur Leistungserbringung erforderlich sind, seien hierfür transparente Verfahren erforderlich. Potentielle Interessenkonflikte zwischen Nutzern und Diensten müssten „durch entsprechende fachliche Konzepte und Instrumente der dialogischen Aushandlung bearbeitet werden“. Dabei solle „die selbstbestimmte Teilhabe im Vordergrund“ stehen.6

      Dieser Grundlinie folgend zielte das Lobbying des Deutschen Caritasverbandes zu Marktordnungsfragen auf eine Sicherung und Stärkung des Sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses und eine Abwehr von Tendenzen, Ausschreibungen nach Vergaberecht zum Regelverfahren im Sozialbereich zu erheben. Eine Reihe verbandlicher Gliederungen haben erfolgreich geklagt, wenn in Abkehr von den Regelungen des deutschen Sozialrechts, Leistungsträger versucht haben, aus dem Sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis auszubrechen und soziale Dienstleistungen nach Vergaberecht auszuschreiben. Da die Befürworter einer verstärkten Nutzung der Vergabe mit vermeintlichen Zwängen des europäischen Wettbewerbsrechts argumentierten und durchaus auch Unklarheiten bei der Interpretation des gültigen Rechtsrahmens bestanden, war es notwendig, sich seitens der Wohlfahrtsverbände dafür einzusetzen, das Sozialrechtliche Dreiecksverhältnis europarechtlich abzusichern. Dies erfolgte auf Brüsseler Ebene gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW). Die Bemühungen hatten Erfolg; in den Erwägungsgründen sowohl der Vergabe- als auch der Konzessionsrichtline der Europäischen Union von 2014 sind Formulierungen aufgenommen worden, die ein Sozialrechtliches Dreiecksverhältnis mit offenem Marktzutritt vom Anwendungsbereich beider Richtlinien ausnehmen, ohne dabei den nur in Deutschland gebräuchlichen Begriff aufzugreifen. Die Erwägungsgründe argumentieren mit dem freien Zugang zur Dienstleistungserbringung, der an transparente und nichtdiskriminierende Verfahren gebunden ist.7 Seitdem kann man nicht mehr argumentieren, das Sozialrechtliche Dreiecksverhältnis sei mit dem Europäischen Wettbewerbsrecht nicht kompatibel. Es ist also gelungen, eine Marktordnungsform, die der subsidiären Tradition des deutschen Sozialstaats entspricht, die Wahlrechte sichert und Raum für die Tätigkeit von Wohlfahrtsverbänden lässt, gegen die von einigen Kräften angestrebte Dominanz einer anderen Marktordnungsform zu verteidigen, die – wäre sie zum Standardmodell geworden – all dies gefährdet hätte. Ohne eine ordnungspolitisch fundierte Position, bei einem rückwärtsgewandten Verharren in der vermeintlichen unüberbrückbaren Gegnerschaft des Marktes und des Sozialen, wäre dieser Erfolg in Brüssel nicht zu erzielen gewesen. Alle diesbezüglichen Beschwörungen wären von den Gesprächspartnern auf EU-Ebene als Beweis einer prinzipiellen Gegnerschaft zum Binnenmarkt sowie als Verweigerung aufgefasst worden, sich transparenten und nicht-diskriminierenden Verfahren zu stellen.

      IV. Spannungsverhältnis von Marktbehauptung und anwaltschaftlichem und sozialpolitischem Anspruch

      Eine Ordnungspolitik sozialer Dienstleistungen zielt darauf, diesbezügliche Märkte so zu ordnen, dass sie im Interesse hilfebedürftiger Bürger wirken können. Aber auch auf angemessen geordneten Märkten bleibt ein Spannungsverhältnis zwischen den Herausforderungen und Zwängen, die caritative Dienstleister im Markt ausgesetzt sind, und ihren anwaltschaftlichen und sozialpolitischen Ansprüchen. Die verbandliche Caritas muss eine Doppelrolle einnehmen, sie vertritt sowohl anwaltschaftliche als auch unternehmenspolitische Interessen. Dabei stehen alle Gliederungen und Mitglieder der Caritas unter intensiver Beobachtung, ob sie glaubwürdig handeln, ob ihr unternehmerisches Handeln vereinbar ist mit ihren anwaltschaftlichen und sozialpolitischen Positionen. Wenn sie sich für bestimmte rechtliche Regelungen einsetzen, so stoßen sie nicht selten auf Vorbehalte, dies vorrangig zu fordern, um ihren eigenen Geschäftsbereich zu erweitern. Dieser Vorwurf wird absurderweise auch dann erhoben, wenn sich diese Forderungen auf Hilfefelder beziehen, in denen kaum eine Kostendeckung zu erreichen ist, wie dies bei Hilfen für Menschen in besonders prekären Lebenslagen häufig gegeben ist.

      Um glaubwürdig zu handeln, muss die verbandliche Caritas ihre Hüte sauber sortieren. Wenn es um unternehmerische Interessen geht, etwa bei Fragen der Gemeinnützigkeit oder der Refinanzierung sozialer Leistungen, dann sollten diese offen benannt werden. Die Vertretung unternehmerischer