Petra Wagner

Die weise Schlange


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ich kann es kaum erwarten und garantiere dir einen ehrlichen Kampf, solltest du noch wissen, was das ist. Solltest du mich jedoch in irgendeiner Form hinterhältig überfallen, wo oder wann auch immer, mache ich Hackfleisch aus dir und nagele deine Ohren gut sichtbar an einen Pfahl gleich hinter deinen kopflosen Körper; das kostet mich keine Mühe. Ach, und übrigens …“ Sie griff nach seinem Kurzschwert, das unweit im Gras lag. „Meinen Siegespreis werde ich opfern, krumm gebogen wie Hermunduren das immer tun mit Waffen, die gegen sie erhoben werden. Aber was erzähle ich dir, du bist ja selbst ein Hermundure und wusstest, auf was du dich einlässt. Was du natürlich nicht wissen konntest – ich bin eine sehr, sehr eigenwillige Hermundurin und daher lasse ich mich nur einmal ungestraft beleidigen. Diese Chance hast du demnach vertan.“

      Sie tätschelte seinen gesunden Arm, dann nahm sie den dazugehörenden Mittelfinger und knickte ihn kurz in die falsche Richtung. Schreien konnte er vor Überraschung nicht mehr, nur noch kraftlos hecheln.

      „Damit du dich schön auf mich freuen kannst und deine Kräfte nicht an Wehrlosen auslässt; das tut man nämlich nicht als ehrbarer Krieger, Gatte und Vater. Ach, hier noch ein Rat: An Kampfgeist mangelt es dir nicht, aber dein körperlicher Einsatz – nun ja, wie soll ich es dir erklären – eine Schnecke bewegt sich geschmeidiger. Wenn du dich bis Lugnasad noch ordentlich trimmst, wird das von dir gewünschte Spektakel bestimmt lustig. Bis dahin!“

      Viviane erhob sich und wollte gehen, da fiel ihr noch etwas ein und sie legte ihre Finger auf seine rechte Halsschlagader.

      „Du solltest dir übrigens wirklich meinen ersten Rat zu Herzen nehmen“, murmelte sie und schob ihre Finger nun auf die linke Seite. „Höre auf zu saufen, sonst wirst du Lugnasad ohne mein Zutun nicht überleben, und damit meine ich nicht einen Kampf mit mir.

      Entweder stirbst du an einem Magengeschwür oder dich trifft der Schlag. Je nachdem, wer diesen Kampf in deinem Inneren gewinnt, guckst du dir ein paar Monde früher oder später das Gras von unten an. Es sei denn, du nimmst endlich Vernunft an.“ Streng schaute sie ihm in die böse funkelnden Augen, doch auf eine Antwort hoffte sie vergebens.

      Schulterzuckend ging Viviane zu Arion, der seinen Kopf leise schnaubend an ihren legte.

      Beide schauten zur Fähre, wo Dina immer noch stur den Ausgang blockierte. Ein Pfiff durch zwei Finger – schon trabte sie los. Stürmisch war die Begrüßung zwischen ihr und Viviane, und auch Arion bekam ein paar Stupser ab.

      Nun endlich konnten die Leute an Land. Sie waren mehr oder weniger bleich im Gesicht, nur Usheen war rot und verschwitzt.

      In kindlicher Manier stürmte er auf Viviane zu, warf sich ihr an den Hals, so weit seine Arme hochreichten, und redete hastig auf sie ein: „Als der Hengst gebockt hat, habe ich gedacht, jetzt bekommt er diese Angstzustände, von denen du mir erzählt hast. Ich bin ganz ruhig geblieben und habe es den anderen erklärt, weil die nicht aus noch ein wussten vor lauter Sorge. Als du jedoch auf meinen Stiefvater gefallen bist, ist es auch mir ganz bange geworden. Er ist schlimmer als ein wütender Stier, musst du wissen, und ich wollte nicht, dass er dir wehtut, und …“

      „Die Art, wie du dich aufgerappelt hast“, unterbrach Angus den Redeschwall und legte Usheen beruhigend eine Hand auf die Schulter, „das sah ziemlich komisch aus. Gestern Abend hatte ich nicht den Eindruck, du seist so ungelenk. Doch wie der Idiot dir hinterhergeschrien hat, war mir endlich alles so klar wie ein wolkenloser Himmel.“

      Viviane hob die Augenbrauen und Angus lachte.

      „Du hast gegrinst wie ein Breitmaulfrosch. Da war ich mir sicher, dass du den Mann mit Absicht schikaniert hast. Und ich muss schon sagen, ich bin total verblüfft. Deine Freundin Umia hat zwar viel von dir geredet, aber nie erwähnt, wie gut du kämpfen kannst.“

      „Ich nehme das als Kompliment. Vielleicht auch den Frosch.“ Viviane schmunzelte und beugte leicht den Kopf. „Ich habe diese Art zu kämpfen erst gelernt, und ich habe dies auch gar nicht erwähnt, als ich kürzlich bei Umia weilte. Da waren wir zu sehr mit der Geburt ihres zweiten Sohnes beschäftigt. Der kleine Helge hat uns mächtig in Atem gehalten, aber letztendlich ist alles gut gegangen.“

      Angus stutzte. „Ich bin wieder Onkel?! Ein Lütt?! Wieder ein Lütt!“ Er warf die Hände hoch und musste erst einmal einen Freudentanz aufführen.

      Loranthus nutzte die Gelegenheit und trat an Viviane heran.

      „Du bist eine ungewöhnliche Maid. Ich weiß, du bist eine Kriegerin, und ich habe gelesen, hierzulande würden die Weiber wie Männer kämpfen. Das an sich ist schon schlimmer als bei den Spartanern, aber mit so etwas hätte ich nie gerechnet. Das war spektakulär. Ich stelle mir lieber nicht vor, was Männer im Kampf anrichten.“

      „Ich habe ein paarmal zugesehen“, warf Markus schüchtern ein. „Solch rasante Bewegungen hatte allerdings keiner zu bieten. Ich würde viel darum geben, wenn ich das auch lernen könnte.“

      „So, jetzt bin ich wieder an der Reihe.“ Der grollende Unterton passte nicht so recht zu den strahlend blauen Schönwetteraugen von Angus. Er hatte sich beruhigt und sah Viviane streng an. „Nun will ich wissen, wozu das Spektakel gut war, schließlich hätte das auch anders ausgehen können.“

      Diese Ermahnung erinnerte Viviane sehr an ihren Vater. Schmunzelnd legte sie einen Arm um Usheen und gab eine kurze Erklärung, dann sah sie den Jungen freundlich an.

      „Nun kann deine Mutter ohne Angst die Scheidung bei eurem Druiden beantragen und in vier Monden, zu Lugnasad, ist sie wieder frei. Bis dahin wird dein Stiefvater gewiss keinen Schaden anrichten, er kann ihr nichts mehr tun. Das gilt auch für dich, mein lieber Freund.“ Viviane streichelte Usheen liebevoll über die geröteten Wangen und legte ihre Stirn kurz an seine, bevor sie ihm tief in die Augen sah. „Vor seiner Vergeltung seid ihr in den kommenden Monden sicher“, bekräftigte sie noch einmal. „Danach seid ihr beide frei.“

      Usheen strahlte zu Viviane hoch und freute sich noch mehr, weil alle Umstehenden eifrig nickten. Angus schien jedoch an etwas anderes zu denken.

      „Dein Arion … er ist etwa fünf Jahre alt, oder?“

      „Genau. Zur Zeit der Pappel wird er fünf. Du hast ein gutes Auge für Pferde.“

      „Er ist ein richtiger Schelm, viel Sinn für Humor. Guck mal, wie er mich mustert! Als hätte er jedes Wort verstanden.“ Gedankenverloren streichelte Angus die silberne Mähne und seufzte schwer. „Mein Urgroßvater ist vor fünf Jahren am Tag der Eiche gestorben.

      Er war immer zu einem Scherz aufgelegt und der beste Geschichtenerzähler weit und breit. Er hat Pferde sehr geliebt. Als solch ein stattlicher Hengst wiedergeboren zu werden, das wäre eine besondere Ehre für ihn. Natürlich kann niemand sagen …“

      Mitfühlend legte Viviane eine Hand auf Angus’ Schulter. „Keine Bange, mein Freund.

      Ob dies hier nun dein wiedergeborener Großvater ist oder nicht, ich werde Arion immer ordentlich behandeln. Er wird es gut haben bei mir.“

      „Wunderbar. Und jetzt wird es Zeit, den Fährmann zu entlohnen!“ Schwungvoll zückte Angus seine Geldtasche.

      Bis auf Hanibu gab jeder Usheen eine kleine, gebogene Kupfermünze, nur von Viviane wollte er absolut nichts nehmen.

      „Du hast mir und meiner Mutter einen unbezahlbaren Dienst erwiesen. Wir stehen tief in deiner Schuld.“

      „Von Schuld will ich nichts hören, Usheen, mein Freund! Nutzt die Gunst der Stunde und beginnt ein neues Leben, dann habt ihr mir ein Gegengeschenk gemacht. Es ist schließlich meine Aufgabe, bedürftigen Menschen zu helfen.“

      Usheen stutzte. „Es ist deine Aufgabe? Du hast gar einen Eid geschworen? Aber seit wann schwören Krieger, bedürftigen Menschen zu helfen? Ich meine, Krieger schwören einen Treueeid, ihren Clan und ihr gesamtes Königreich zu beschützen, das schließt ja sämtliche Menschen darin mit ein, direkt helfen jedoch … Was bist du genau in deinem Clan? Eine Kriegerin. Was noch?“ Lächelnd wiegte Viviane den Kopf und schaute so abwartend drein, als würde er gleich von allein darauf kommen.

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