Andreas Kagermeier

Tourismus in Wirtschaft, Gesellschaft, Raum und Umwelt


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berücksichtigt werden, wird als Einstellung die Summe der Produkte aus den einzelnen Teilattributen verstanden. Dementsprechend wird auch von mehrdimensionalen oder multiattributiven Einstellungskonzeptenmultiattributive Einstellungskonzepte gesprochen.

      Abb. 25:

      Das neobehavoristische Konstrukt Einstellung (Quelle: eigener Entwurf in Anlehnung an FISHBEIN & AJZEN 1975)

      Neben der kognitiven und der emotionalen Komponente wird für die Einstellung im weiteren Sinn als dritte Komponente noch eine Verhaltensintention (konative Komponente) mit aufgenommen. Eine Reaktion auf Stimuli bzw. ein konkretes Verhalten (z. B. Reiseentscheidung) wird neben der Einstellung auch noch von weiteren antizipierbaren und nicht antizipierbaren Einflussgrößen mit beeinflusst. Bei der Analyse von Reiseentscheidungen sind damit neben der Einstellung auch weitere Einflussgrößen mit zu berücksichtigen.

      Der Begriff Einstellung wird meist synonym mit den Begriffen Image oder (Kunden-)Zufriedenheit verwendet.

      BAMBERG & SCHMIDT (1993) haben das Einstellungsmodell noch um die Komponenten „normative Überzeugung“ und „Kontrollüberzeugung“ erweitert, mit denen Werte und Normen des Individuums sowie die in der Peer-Gruppe relevanten Normen und Wertvorstellungen bezeichnet werden. Normative und Kontrollüberzeugung werden (wie antizipierbare Situationsvariablen) als ebenfalls verhaltensrelevant angesehen. Insbesondere unter dem Blickwinkel auf dem Nachhaltigkeitsparadigma verpflichteten Reiseaktivitäten kommt den Wertvorstellungen des Individuums bzw. den unterstellten Reaktionen des Umfeldes auf ein konkretes Reiseverhalten des Individuums (z. B. interkontinentale Flugreise; vgl. Kap. 5.2) eine analytische Relevanz zu. Das Gesamtkonstrukt wird als „Theory of Planned Behavior“Theory of Planned Behavior (Theorie des geplanten Verhaltens) bezeichnet.

      2.3.3 Das GAP-Modell

      Mit dem Einstellungsmodell lässt sich die Kundenzufriedenheit als Verhältnis zwischen erwartetem und erlebtem Service abbilden. Daran anknüpfend versucht das auf PARASURAMAN, ZEITHAMEL & BERRY (1985) zurückgehende GAP-ModellGAP-Modell zu identifizieren, an welchen Stellen im Erstellungsprozess einer Dienstleistung (Reise) Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit (als Gap zwischen erwartetem und erlebtem Service) entstehen kann (vgl. Abb. 26, „GAP“ = Lücke, Diskrepanz). Mit diesem Modell werden, aufbauend auf dem Einstellungsmodell, Grundlagen für eine Problemanalyse bzw. Optimierungsansätze geschaffen mit dem Ziel, die Kundenzufriedenheit zu optimieren.

      Abb. 26:

      Das GAP-Modell (Quelle: eigener Entwurf nach PARASURAMAN, ZEITHAMEL & BERRY 1985)

      Ausgangspunkt ist

       GAP 5GAP 5: Der Unterschied zwischen dem erwarteten Service und dem erlebten Service auf der Kundenseite. Eine solche Differenz kann (unabhängig davon, ob die Kundenerwartungen überhaupt angemessen sind) angebotsseitig entstehen durch

       GAP 1GAP 1: wenn das Management keine adäquaten Vorstellungen von den Kundenbedürfnissen besitzt;

       GAP 2GAP 2: die Vorstellungen von den Kundenerwartungen nicht entsprechend innerhalb des Unternehmens (oder der touristischen Servicekette) an das Personal im Kundenkontakt kommuniziert werden;

       GAP 3GAP3: die unternehmensseitig formulierten Normen für die Servicequalität nicht entsprechend umgesetzt werden;

       GAP 4GAP4: in der Marktkommunikation der versprochene Service nicht dem realiter dann auch geleisteten Service entspricht.

      Von PARASURAMAN, ZEITHAMEL & BERRY (1988) wurden die einzelnen Aspekte der Servicequalität (in Anlehnung an das multiattributive Einstellungsmodell) weiter unterschieden.

      Sie formulierten fünf Hauptdimensionen, die noch heute in vielen Analysen Verwendung finden und die als SERVQUAL-Ansatz bezeichnet werden, der die relevanten Dimensionen der Servicequalität zu erfassen sucht:

       ReliabilityReliability: zuverlässige und korrekte Erbringung der Dienstleistung (Zuverlässigkeit)

       AssuranceAssurance: höfliches, kompetentes und sicheres Auftreten (Leistungs- und Fachkompetenz)

       TangiblesTangibles: äußeres Erscheinungsbild (materielles Umfeld)

       EmpathyEmpathy: Einfühlungsvermögen der Mitarbeiter

       ResponsivenessResponsiveness: schnelle, aktive und kompetente Reaktion dem Kunden gegenüber (Entgegenkommen).

      2.3.4 Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren

      Das GAP-Modell und der SERVQUAL-Ansatz wurden aufbauend auf dem Einstellungsmodell entwickelt, um die Aspekte zu identifizieren, die zu Kundenzufriedenheit führen können. Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie relevant die einzelnen Aspekte sind. Für die Kunden können (Stichwort Anspruchsinflation) letztendlich sehr viele Elemente der Servicequalität wünschenswert sein. Aus Unternehmenssicht gilt es, unter dem Blickwinkel einer möglichst effizienten Generierung von Kundenzufriedenheit, diejenigen Aspekte zu identifizieren, die in besonderem Maß hierzu beitragen.

      Von KANO (1995) wurde mit dieser Zielsetzung das sog. Kano-ModellKano-Modell entwickelt, das (ähnlich wie bei der MASLOW’schen Bedürfnispyramide; vgl. Kap. 1.2.2.2) zwischen Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren unterscheidet (vgl. Abb. 27).

       BasisfaktorenBasisfaktoren stellen dabei einen implizit vorausgesetzten Basisnutzen voraus. Dies kann z. B. die Tatsache sein, dass ein reserviertes Hotelzimmer bei Anreise dann auch wirklich verfügbar ist. Basisfaktoren stellen eine Art Markteintrittsschwelle dar. Ihr Vorhandensein bzw. ihre Erfüllung führt nicht zu Kundenzufriedenheit, da die Erfüllung eben vorausgesetzt wird. Umgekehrt resultiert die Nichterfüllung bzw. das Fehlen von solchen Basisfaktoren in Unzufriedenheit.

       LeistungsfaktorenLeistungsfaktoren sind erwartete oder erwünschte Nutzen oder Leistungen. In einem Hotel kann dies z. B. eine gute Erreichbarkeit oder ein umfangreiches Frühstücksbuffet sein. Eine gute Servicequalität führt hier auch zu einer Zunahme der Kundenzufriedenheit, genauso wie das Fehlen wiederum zu Unzufriedenheit führt.

       BegeisterungsfaktorenBegeisterungsfaktoren werden vom Kunden normalerweise nicht erwartet. Zu unerwarteten Leistungen kann z. B. zählen, wenn auf dem Hotelzimmer ein Früchtekorb oder ein Bademantel zur Benutzung durch den Hotelgast offeriert wird. Fehlt eine solche Leistung, führt dies – da sie ja nicht erwartet wird – nicht zu Unzufriedenheit. Umgekehrt wird das Vorhandensein mit Zufriedenheit honoriert (vgl. Abb. 27).

      Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass sich das Konstrukt Kundenzufriedenheit durch zeitliche Dynamik und individuelle Nutzenerwartung der Kunden auszeichnet. Hier spielen neben gesellschaftlichen Wandlungsprozessen vor allem der Erfahrungszuwachs und die dadurch veränderten individuellen Erwartungshaltungen eine Rolle (vgl. Kap. 2.2). So können im Laufe der Zeit Begeisterungsfaktoren zu Leistungs- und später auch zu Basisfaktoren „degradieren“. Illustriert sei dies nochmals am Beispiel eines umfassenden Frühstücksbuffets. Wurde dieses vor einigen Jahrzehnten noch nicht erwartet und stellte somit bei Vorhandensein einen Begeisterungsfaktor dar, gehört es inzwischen zum Standard, und Kundenzufriedenheit kann nur durch ein möglichst umfassendes und differenziertes Buffet mit hochwertigen Produkten generiert werden. Denkbar ist, dass es künftig irgendwann dann zum Basisfaktor wird, mit dem keine zusätzliche Kundenzufriedenheit mehr geschaffen werden kann.

      Abb. 27:

      Basis- Leistungs- und Begeisterungsfaktoren und deren Einfluss auf die Kundenzufriedenheit (Quelle: eigener Entwurf nach PECHLANER, SMERAL & MATZLER 2002, S. 19)

      Operationalisiert wird die Zugehörigkeit zu Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren zumeist durch den Vergleich der explizit abgefragten Wichtigkeit (= emotionale Komponente