href="#ulink_e2d9223f-dd2d-5460-9d6a-9ff02bed8d3c">1.Neer-Fall
III. Gewährleistungen des völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrechts
1.Pflichten bei Einreise und aufenthaltsbeendenden Maßnahmen
2.Pflichten während des Aufenthaltes
IV. Durchsetzung des völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrechtes
Lit.:
J.A. Frowein/T. Stein (Hrsg.), Die Rechtsstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht, 1987; J. Griebel, Internationales Investitionsrecht, 2008, 2. Kapitel, 14 – 26; K. Hailbronner (Hrsg.), Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, 2000; A. Roth, The Minimum Standard of International Law applied to Aliens, 1949; B. Schöbener, Der menschenrechtliche Schutz des privaten Eigentums im universellen Völkerrecht – eine Zwischenbemerkung, FS für K. Stern, 2012, 901; C. Tomuschat, Der fremdenrechtliche Mindeststandard im Völkerrecht, Handbuch der Grundrechte, VI/2, 2009, § 178 .
I. Allgemeines
Unter Fremdenrecht versteht man im Völkerrecht ganz allgemein die Rechtsbeziehungen zwischen dem Heimatstaat einer natürlichen oder juristischen Person und deren Aufenthalts- bzw. Gaststaat, also dem → Staat, in dem sich diese Person als Ausländer (Fremder) aufhält. Diese Rechtsbeziehungen können sowohl durch völkervertragliche als auch durch völkergewohnheitsrechtliche Regelungen geprägt sein. Das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht verlangt von den Staaten bei der Ausübung von Hoheitsgewalt gegenüber Ausländern die Einhaltung bestimmter Mindeststandards (sog. fremdenrechtlicher Mindeststandard); dieser ist heute inhaltlich weithin identisch mit dem → menschenrechtlichen Mindeststandard (s. u., III.2.). Neben das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht tritt in den letzten Jahrzehnten immer stärker vor allem der bi- und multilaterale Schutz fremder Investitionen; das auf annähernd 3.000 völkerrechtlichen Verträgen beruhende → Internationale Investitionsrecht geht dann regelmäßig als lex specialis dem gewohnheitsrechtlichen Fremdenrecht vor, wird aber gleichzeitig auch von diesem inhaltlich weiterentwickelt.
II. Historische Entwicklung
Das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht entwickelte sich zu einer Zeit, als dem Individuum im Völkerrecht mangels → Völkerrechtssubjektivität noch keine eigenen Rechtspositionen zuerkannt wurde (→ Individuum, Rechtsstellung). Die Verletzung fremdenrechtlicher Völkerrechtsnormen durch den Gaststaat wurde nicht als Rechtsverletzung gegenüber dem Individuum angesehen, sondern als Verletzung der Rechtspositionen von dessen Heimatstaat. Dieser Völkerrechtsverstoß erlaubte es dem Heimatstaat des davon Betroffenen, → Gegenmaßnahmen zu ergreifen (→ Verantwortlichkeit, völkerrechtliche). Diese Gegenmaßnahmen konnten durchaus militärischer Natur sein, wie etwa das Beispiel des britisch-spanischen Kriegs (1739 – 1742) um „Jenkins Ohr“ verdeutlicht, in dem Großbritannien Genugtuung für das angeblich von einer spanischen Küstenpatrouille abgeschnittene Ohr des britischen Handelskapitäns Robert Jenkins forderte. Erst mit dem in der UN-Charta enthaltenen → universellen Gewaltverbot ist seit 1945 die Anwendung militärischer Gewalt nicht mehr erlaubtes Mittel einer Gegenmaßnahme (Repressalie).
1. Neer-Fall
Im 19. Jahrhundert erhöhte sich die Anzahl fremdenrechtlicher Streitfälle, weil sich aufgrund des fortschreitenden ökonomischen Aufschwungs und der damit einhergehenden Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen immer mehr Ausländer in fremden Staaten aufhielten und in diesen wirtschaftlich tätig wurden. Die hierdurch ausgelösten Dispute zwischen den Staaten wurden regelmäßig auf friedlichem Wege, insbesondere durch die Anrufung von Schiedsgerichten, gelöst. Die wohl bis heute in Bezug auf den fremdenrechtlichen Mindeststandard meistzitierte Aussage dürfte im sog. Neer-Fall (LFH Neer and Pauline Neer [US v. Mexico, 1926] 4 RIAA) aus dem Jahr 1926 ergangen sein. Die USA warfen Mexiko vor, nur unzureichende Maßnahmen zur Aufklärung und Bestrafung eines in Mexiko verübten Mordes an einem US-Staatsbürger eingeleitet und hierdurch gegen das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht verstoßen zu haben. Zwar wurde der Klage der USA nicht stattgegeben, aber die Kommission entwickelte Kriterien zur Feststellung eines Verstoßes gegen den fremdenrechtlichen Mindeststandard. Demnach ist von einer Missachtung des Gebots auszugehen, wenn „the treatment of an alien [. . .] amount[s] to an outrage, to bad faith, to wilful neglect of duty, or to an insufficiency of governmental action so far of international standards that every reasonable and impartial man would readily recognize its insufficiency“ (LFH Neer and Pauline Neer [US v. Mexico, 1926] 4 RIAA 60, pp. 61 – 62). Auch heute noch wird diese Definition zur Feststellung eines Verstoßes gegen den fremdenrechtlichen Mindeststandard herangezogen. Das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht, wie es insbesondere in der Definition des Neer-Falls zum Ausdruck kommt, gewährt einen autonomen Standard, den die Staaten gegenüber Fremden einzuhalten haben, unabhängig davon, wie sie ihre eigenen Staatsangehörigen behandeln.
2. Calvo-Doktrin
Eine andere Betrachtungsweise wurde lange Zeit vor allem von den latein-amerikanischen Staaten vertreten. Diese befürworteten die nach dem argentinischen Diplomaten Carlos Calvo (1824 – 1906) benannte Doktrin, nach der Ausländern nur die gleiche Behandlung zuteilwerden muss wie den eigenen Staatsangehörigen. Dieser Ansatz wurde insbesondere von den europäischen Staaten nie anerkannt, da er keine Gewähr dafür bietet, dass den fremden Staatsangehörigen gewisse Mindestrechte zustehen. Die Rechte der fremden Staatsangehörigen sind nach der Calvo-Doktrin davon abhängig, wie gut bzw. schlecht der betreffende Staat seine eigenen Staatsangehörigen behandelt. Die Doktrin konnte sich angesichts der damit verbundenen Unsicherheiten im Völkerrecht nicht durchsetzen und wird auch von den latein-amerikanischen Staaten nicht mehr ernsthaft vertreten, nachdem diese erkannten, dass sie hierdurch den Zugang von ausländischen Investoren zu ihren Ländern erschwerten. Auch der Versuch einzelner latein-amerikanischer Staaten, die Doktrin durch die Vereinbarung entsprechender Vertragsklauseln in → internationalen Staatskontrakten (state contracts) mit den ausländischen Investoren rechtlich abzusichern (Calvo-Klauseln), indem die fremden Investoren auf den → diplomatischen Schutz durch ihren Heimatstaat verzichteten, war kein Erfolg beschieden. Da es sich nach h.M. sowohl bei den fremdenrechtlichen Ansprüchen als auch beim Anspruch auf diplomatischen Schutz nicht um eine subjektive Rechtsposition des Fremden handelt, kann