Bernhard Kempen

Völkerrecht


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href="#ulink_c3d1bfb8-21ab-5d33-9ef2-780e4de77ffd">Direkte/indirekte Gewalt

       c)Intervention auf Einladung

       d)Androhung von Gewalt

       3.Problemfälle des Gewaltbegriffs

       a)Wirtschaftlicher/politischer Zwang

       b)Nichtmilitärischer physischer Zwang

       c)„Cyber attacks“

       4.Zwischenstaatliche Dimension

       5.Irrelevanz der Merkmale „territoriale Integrität“ und „politische Unabhängigkeit“

       IV. Ausnahmen

      Lit.:

      O. Corten, The Controversies over the Customary Prohibition on the Use of Force: A Methodological Debate, EJIL 16 (2005), 803; R.M. Derpa, Das Gewaltverbot der Satzung der Vereinten Nationen und die Anwendung nichtmilitärischer Gewalt, 1970; V. Epping, Die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland, AöR 124 (1999), 423; C.D. Gray, International Law and the Use of Force, 2008; J. Green, The Threat of Force as an Action in Self-defense under International Law, VJTL 44 (2011), 285; W. Heintschel von Heinegg, Informationskrieg und Völkerrecht – Angriffe auf Computernetzwerke in der Grauzone zwischen nachweisbarem Recht und rechtspolitischer Forderung, FS für K. Ipsen, 2000, 523; C. Kreß, Die Rettungsoperation der Bundeswehr in Albanien am 14. März 1997 aus völker- und verfassungsrechtlicher Sicht, ZaöRV 57 (1997), 329; D. Schindler, Die Grenzen des völkerrechtlichen Gewaltverbots, 1986.

      Das universelle Gewaltverbot konkretisiert die Pflicht zur Erhaltung des Weltfriedens. Es verbietet weltweit, Konflikte mit militärischer Gewalt auszutragen. Völkerrechtlich verbindlich normiert wurde das Verbot mit der Gründung der → Vereinten Nationen in Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch.; es gilt auch als → Völkergewohnheitsrecht. Zudem ist es Bestandteil des ius cogens und begründet eine erga omnes wirkende Verpflichtung.

      Das Gewaltverbot hat sich als Ergebnis einer längeren Entwicklung des Völkerrechts herausgebildet. War im Mittelalter nur der „gerechte Krieg“ (bellum iustum), d. h. die Kriegführung aus „gerechtem Grund“ (iusta causa) und in „rechter Absicht“ (intentio recta) erlaubt, sahen die Fürsten der nach dem Westfälischen Frieden von 1648 aufkommenden → Staaten die freie Kriegführung als Ausdruck staatlicher → Souveränität und damit als ihr jederzeitiges Recht an (ius ad bellum). Erste Beschränkungen des freien Kriegführungsrechts enthielten die 1899 und 1907 entstandenen Haager Abkommen (benannt nach dem Ort ihres Abschlusses, Den Haag). Sie schafften das „Recht zum Krieg“ zwar nicht ab (eine Ausnahme bildet das II. Haager Abkommen, betreffend die Beschränkung der Anwendung von Gewalt bei der Eintreibung von Vertragsschulden, sog. Drago-Porter-Konvention, von 1907); insbesondere die im Anhang des IV. Haager Abkommens von 1907 enthaltene Haager Landkriegsordnung kodifizierte aber Regeln der Kriegsführung (ius in bello). Durch die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges sahen sich die Staaten dazu veranlasst, die Eindämmung zwischenstaatlicher Gewalt voranzutreiben. Die Völkerbundsatzung von 1919 unterwarf das staatliche Kriegführungsrecht dann bestimmten Verfahrensregeln, enthielt aber noch kein allgemeines Kriegsverbot. Ein solches wurde erst in das sog. Genfer Protokoll von 1924 aufgenommen; das Protokoll trat aber nie in Kraft. Eine revolutionäre Neuerung brachte der Briand-Kellogg-Pakt vom 27.8.1928, in dem die Vertragspartner erstmals erklärten, auf ihr souveränes Recht der Kriegführung als Werkzeug nationaler Politik verzichten zu wollen. Ihr Recht auf → Selbstverteidigung blieb selbstverständlich erhalten. Das damit normierte, von fast allen Staaten der Welt völkerrechtlich verbindlich akzeptierte ius contra bellum bezog sich jedoch allein auf den „Krieg“, nicht auf sonstige Formen der militärischen Gewaltanwendung. Das ermöglichte es den an der jeweiligen Auseinandersetzung beteiligten Staaten – wie etwa Japan und China im Mandschurei-Konflikt 1931/32 –, ihren unter Anwendung von Waffengewalt ausgetragenen Konflikt als „bewaffnete Repressalie“ zu deklarieren, die aber nicht von einem Willen zum Krieg (animus belli gerendi) getragen war. Außerdem sah der Briand-Kellogg-Pakt keine expliziten Sanktionen für den Fall vor, dass ein Staat den Pakt verletzen sollte.

      Ein umfassendes Gewaltverbot ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. aufgenommen worden. Die Vorschrift lautet: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

      Das Verbot aus Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. gilt vertragsrechtlich ausdrücklich nur für die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Verbot sind hingegen alle Staaten verpflichtet, d. h. auch solche, die nicht UN-Mitglieder sind. Auf eine → Anerkennung des Staates kommt es nicht an. Es macht zudem keinen Unterschied, wenn mehrere Staaten ihre Gewaltaktion gemeinsam im Rahmen einer → Internationalen Organisation (z. B. der → NATO) durchführen; neben die Verantwortlichkeit der einzelnen Staaten tritt dann allerdings zusätzlich die Verantwortlichkeit dieser Organisation. Das völkergewohnheitsrechtliche Gewaltverbot bindet zudem ein → stabilisiertes De facto-Regime; auch dieses kann sowohl gegen das Gewaltverbot verstoßen als auch Opfer eines Verstoßes werden. Nichts anderes gilt grundsätzlich für den failed state (→ Staatsgewalt), da dessen → Völkerrechtssubjektivität weiterhin besteht. Allerdings ist bei einer vom Territorium des failed state ausgehenden militärischen Aktion genau zu differenzieren,