Bernhard Kempen

Völkerrecht


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href="#ulink_53dd9445-3657-5273-9999-4df72555eb03">→ ius cogens), die Werte und Interessen schützen, deren Erhaltung wichtiger ist als das Interesse eines Staates an der Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber dem Verletzerstaat.

      Daneben kennt v.a. das humanitäre Völkerrecht besondere Repressalienverbote (vgl. Art. 50 Abs. 1 lit. c), die den Schutz bestimmter Personen – z. B. Zivilpersonen und Kriegsgefangene (vgl. nur Art. 51 Abs. 6 ZP I zu den Genfer Abkommen, Art. 13 Abs. 4 des III. Genfer Abk.) – sowie spezifischer Objekte und Rechtsgüter (vgl. dazu Art. 52 Abs. 1, Art. 53 lit. c, Art. 54 Abs. 4, Art. 55 Abs. 2 ZP I zu den Genfer Abk.) bezwecken.

      Zudem sind einzelne Teilbereiche des Völkerrechts als self contained régime ausgestaltet, was ausnahmsweise zu einer Beschränkung auf die nach dem besonderen Regelwerk zur Verfügung stehenden spezifischen Sanktionsformen führt. Art. 55 erfasst diese Rechtskonstruktion unter dem Aspekt des lex specialis-Grundsatzes. Als self contained régime ist insbesondere das → Diplomatenrecht (Art. 50 Abs. 2 lit. b) anerkannt. Dasselbe gilt für die in Menschenrechtsabkommen enthaltenen rechtsförmigen Streitbeilegungsverfahren (vgl. Art. 50 Abs. 2 lit. a, z. B. Anrufung des → EGMR), die einen Rückgriff auf das allgemeine Recht der → völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ausschließen. Eine Anwendung des allgemeinen Repressalienrechts bleibt jedoch bei Subsystemen möglich, die keine umfassenden und abschließenden Regeln zur Staatenverantwortlichkeit enthalten.

      Die Gegenmaßnahme (Repressalie) ist abzugrenzen von der Retorsion, einem weiteren Mittel der staatlichen Selbsthilfe. Die Retorsion stellt keinen rechtswidrigen, wohl aber einen „unfreundlichen Akt“ dar. Sie setzt mithin kein völkerrechtliches Delikt des Retorsionsadressaten voraus, sondern kann als Reaktion auf jede unfreundliche, also auch völkerrechtskonforme Handlung eines anderen Staates erfolgen. Sie ist deshalb erst recht zulässig, wenn sie darauf gerichtet ist, den anderen Staat zur Beendigung seines völkerrechtswidrigen Handelns zu veranlassen. Retorsionsmaßnahmen sind nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Ein klassisches Beispiel ist der Abbruch der diplomatischen Beziehungen.

      G › Generalversammlung (Martin Winkler)

       I. Zusammensetzung

       1.Mitgliedschaft

       2.Beobachterstatus

       II. Verfahren

       III. Grundsatz der umfassenden Zuständigkeit

       1.Allgemeines

       2.Entwicklung sowie Kodifizierung des Völkerrechts

       3.Verwirklichung der Menschenrechte

       4.Generalversammlung und Friedenssicherung

       IV. Organisationsrechtliche Aufgaben

       V. Rechtliche Bedeutung der Resolutionen der Generalversammlung

       VI. Organisatorische Struktur

      Lit.:

      S. D. Bailey, The General Assembly of the United Nations, 2. Aufl. 1978; G. Nolte (Ed.), Peace through International Law: The Role of the International Law Commission, 2009; M. Payandeh, Einführung in das Recht der Vereinten Nationen, Jus 2012, 506.

I. Zusammensetzung

      Die Generalversammlung ist das Repräsentativorgan der UNO. Gemäß Art. 9 Abs. 1 UN-Ch. besteht die Generalversammlung aus allen Mitgliedern der → Vereinten Nationen. Nach Art. 18 Abs. 1 UN-Ch. hat jeder Mitgliedstaat in der Generalversammlung eine Stimme („one state, one vote“). Allerdings hat jedes Mitglied höchstens fünf Vertreter in der Generalversammlung (Art. 9 Abs. 2 UN-Ch.). Jede Delegation von Staatenvertretern muss zu Beginn einer Tagung ihr Mandat nachweisen, wobei die Prüfung nach Regel 27 der Verfahrensordnung der Generalversammlung anhand formaler Kriterien durch den Mandatsprüfungsausschuss erfolgt. Obwohl diese formalen Kriterien im Fall der Staatenvertreter Südafrikas während der Apartheid-Ära erfüllt waren, weigerte sich die Generalversammlung deren Mandat anzuerkennen mit der Begründung, dass das Mandat von einer rassistischen Minderheitsregierung ausgestellt worden sei. Die Zulässigkeit dieser Praxis ist umstritten. Entscheidend spricht dagegen, dass die Generalversammlung nach Art. 5 UN-Ch. nur auf Empfehlung des → UN-Sicherheitsrates und nur unter bestimmten Voraussetzungen einem Mitgliedstaat die Rechte aus seiner Mitgliedschaft, zu denen auch die Entsendung von Vertretern in die Generalversammlung zählt, zeitweilig entziehen darf. Ein ohne vorherige Empfehlung des UN-Sicherheitsrats beschlossener Entzug von Rechten eines Mitgliedstaates ist dagegen in der UN-Charta nicht vorgesehen.

      Die Generalversammlung gewährt einer Reihe von nicht-staatlichen → Völkerrechtssubjekten den Beobachterstatus in ihren Sitzungen, z. B. der Europäischen Union und der Arabischen Liga. Die Befreiungsbewegung PLO (Palestine Liberation Organization) erhielt von der Generalversammlung durch die Resolution 67/19 vom 29.11.2012 den Status eines nichtmitgliedschaftlichen Beobachter-Staates. Dabei dürfte es sich um eine politisch motivierte Vorgehensweise handeln, die von der rechtlichen Anerkennung des Staates Palästina zu unterscheiden ist.

      Nach Art. 18 Abs. 2 UN-Ch. bedürfen Beschlüsse der Generalversammlung über wichtige Fragen einer Zweidrittelmehrheit. Zu den wichtigen Fragen zählen insbesondere organisationsrechtliche Beschlüsse und Empfehlungen im Bereich der Friedenssicherung. Beschlüsse über andere Fragen bedürfen gemäß Art. 18 Abs. 3 UN-Ch. einer einfachen Mehrheit.

III. Grundsatz der umfassenden Zuständigkeit