Bernhard Kempen

Europarecht


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Abschluss von AA

III. Kompetenz und Verfahren beim Abschluss von AA

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      In der Literatur und wohl auch zwischen den EU-Organen (→ Organe und Einrichtungen) herrscht Streit, ob Art. 217 AEUV der Union eine originäre Regelungskompetenz i.R.d. Assoziierung überträgt, die sich auf alle Bereiche des Unionsrechts bezieht oder ob sie AA grundsätzlich nur dann abschließen darf, wenn sie in den jeweiligen Regelungsgebieten über ausdrückliche bzw. implizite Außenzuständigkeiten verfügt.

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      Um diesem Streit zu entgehen, werden in der Praxis viele AA als sog. gemischte Abkommen geschlossen, was zur Folge hat, dass sie sowohl von der Union als auch von jedem einzelnen EU-Mitgliedstaat ratifiziert werden müssen. Um die mit diesen Ratifizierungsprozessen einhergehenden Verzögerungen umgehen zu können, werden daher oftmals die handelsrechtlichen Bestandteile der AA als Interimsabkommen auf Grundlage von Art. 207 AEUV abgeschlossen, die als solche keiner Ratifizierung durch die jeweiligen Parlamente der EU-Staaten bedürfen. Ferner sind zusätzliche Durchführungsabkommen erforderlich, welche es dem Rat formell erlauben, für die Mitgliedstaaten in den jeweiligen Assoziationsorganen eine gemeinsame Position auch dort zu vertreten, wo diesen die Regelungskompetenz zukommt.

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      Diese zusätzlich notwendigen formaljuristischen Elemente stehen in einem Spannungsverhältnis zur intensivierten demokratischen Legitimation, die den AA bei Ratifikation als gemischte Abkommen zuteil werden.

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      Das Verfahren zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen (→ Völkerrecht [als Teil d. EU-Rechts]) der Union mit Drittstaaten bzw. Internationalen Organisationen ist in Art. 218 AEUV geregelt. Bei dem Abschluss von AA gelten einige Eigenheiten, die in erster Linie Ausdruck der besonderen politischen Bedeutung von Assoziierungen sind.

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      So muss die Ermächtigung zur Aufnahme von Assoziierungsverhandlungen nicht wie sonst üblich mit qualifizierter Mehrheit, sondern einstimmig durch den Rat erfolgen, Art. 218 Abs. 8 UAbs. 2 S. 1 AEUV. Gerade bei AA kann der Rat ggf. einen Sonderausschuss bestellen, mit welchem sich der Verhandlungsführer der Union abstimmen muss, Art. 218 Abs. 4 AEUV. Auch die Unterzeichnung des AA muss einstimmig vom Rat beschlossen werden, Art. 218 Abs. 6 UAbs. 1, Abs. 8 UAbs. 2 S. 1 AEUV.

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      Darüber hinaus ist gem. Art. 218 Abs. 6 UAbs. 2 Buchst. a) Ziff. i) AEUV vor Abschluss des AA die Zustimmung des → Europäischen Parlaments einzuholen, das bei sonstigen völkerrechtlichen Verträgen der Union grundsätzlich nur angehört werden muss. Es ist darüber hinaus gerade bei AA bereits frühzeitig in die Verhandlungen einzubeziehen, Art. 218 Abs. 10 AEUV.

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      Sofern die AA als gemischte Abkommen geschlossen werden, ist für die Ratifikation neben dem Ratsbeschluss gem. Art. 218 Abs. 6 AEUV auch die Ratifikation (oftmals durch die Parlamente) der Mitgliedstaaten erforderlich.

      AAssoziierungsabkommen (Maximilian Oehl) › IV. Institutionelle Struktur von AA

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      Für gewöhnlich weisen AA eine ähnliche institutionelle Struktur auf, auch wenn sich die Bezeichnungen der jeweiligen Assoziierungsorgane von Abkommen zu Abkommen unterscheiden können. Die politische Leitfunktion bei der Durchführung der Abkommen übernehmen dabei regelmäßig sog. Assoziationsräte, die paritätisch mit Vertretern sowohl der EU als auch des assoziierten Partners besetzt sind. Neben der Festlegung von politischen Leitlinien und der Überwachung des Konsultationssystems des Abkommens verfügen die Assoziationsräte auch über die Kompetenz zur Abfassung von verbindlichen Beschlüssen (sog. sekundäres Assoziationsrecht), die eine Weiterentwicklung der Assoziation erlauben sollen. In der Regel müssen Beschlüsse einstimmig gefasst werden. Üblich ist das Abhalten mindestens einer Sitzung des Assoziationsrats pro Jahr.

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      Als Hilfsorgane der Assoziationsräte fungieren sog. Assoziationsausschüsse, die von diesen mit Sonderaufgaben betraut werden können. In der Praxis können sich diese Ausschüsse oftmals zu vergleichsweise eigenständigen Organen weiterentwickeln und ggf. gar eigene verbindliche Beschlüsse fassen (vgl. etwa → Europäischer Wirtschaftsraum [EWR]).

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      Zusätzlich sind in manchen AA parlamentarische Versammlungen vorgesehen. Diese sollen ein kumulatives demokratisches Element bei der Durchführung des Abkommens darstellen und u.a. die Völkerverständigung intensivieren. Ihr Einfluss auf etwa die Gestaltung des sekundären Assoziationsrechts kann dabei je nach AA unterschiedlich stark ausfallen. Auch Streitschlichtungsmechanismen sind üblicherweise in AA vorgesehen. Im Regelfall ist hiernach zunächst der Assoziationsrat mit der Ausräumung von Streitigkeiten betraut. Sollte dies keine Einigung herbeiführen, kann als zweite Stufe ein Schiedsgericht oder, wie gem. Art. 25 Abs. 2 des Türkei-AA, der → Europäische Gerichtshof (EuGH) bzw. ein anderes Gericht angerufen werden.

      AAssoziierungsabkommen (Maximilian Oehl) › V. Übliche rechtliche Wirkungen von AA

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      Zwar können AA grundsätzlich äußerst unterschiedliche Ausgestaltungen annehmen (s. Rn. 130 ff.). Einige rechtliche Maßgaben sind ihnen jedoch für gewöhnlich gemein. Diese werden nachfolgend dargestellt.

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      Zunächst erstreckt sich der räumliche Geltungsbereich der AA grundsätzlich auf das Unionsgebiet sowie auf das Staatsgebiet des jeweiligen Assoziierungspartners. Dies ist für gewöhnlich in sog. Gebietsklauseln in den AA festgehalten. Sollten neue Partner dem Abkommen beitreten, erfolgt dies meist anhand eines Zusatzprotokolls, das sodann die rechtliche Wirkung des Abkommens entsprechend ausdehnt.

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      Mit ihrem völkerrechtlichen Inkrafttreten werden die AA Bestandteil des Unionsrechts (vgl. st. Rspr. d. EuGH, Urt. v. 30.4.1974, 181/73 – Haegemann –, Rn. 2, 6; Urt. v. 29.1.1998, C-161/96 – Racke –, Rn. 41). Wie übrige völkerrechtliche Abkommen der EU auch, nehmen sie dabei einen Rang zwischen → Primär- und → Sekundärrecht ein (vgl. st. Rspr. d. EuGH, Urt. v. 29.4.1982, 17/81 – Pabst und Richarts –, Rn. 27; Urt. v. 5.10.1994, C-280/93