Bernhard Kempen

Europarecht


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      Im Allgemeinen wird die Empfehlung erlassen, wenn und soweit die Union keine Zuständigkeit für ein rechtsverbindliches Handeln besitzt oder nach Ansicht der Union kein Anlass für eine rechtlich verbindliche Regelung durch die Union besteht. Im zuerst genannten Fall kann der Empfehlung bei ihrem Einsatz gegenüber Mitgliedstaaten die Funktion einer „weichen“ Rechtsangleichung zukommen, weil eine Zuständigkeit für eine „harte“ Rechtsangleichung nicht besteht (z.B. Art. 165 Abs. 4 Spstr. 2 AEUV).

      627

      Im Gegensatz zur Empfehlung wird die Stellungnahme in der Regel als Reaktion auf ein fremdes Verhalten abgegeben. Sie beinhaltet eine Meinungsäußerung eines Unionsorgans zu einem bestimmten Vorgang, ohne dass dieser Beurteilung eine verbindliche Wirkung zukommt.

      EEmpfehlungen und Stellungnahmen (Daniela Schroeder) › III. Zuständigkeit für den Erlass

      628

      Für den Erlass einer Empfehlung oder Stellungnahme sind gem. Art. 288 UAbs. 1 AEUV alle Unionsorgane zuständig, die auch zum Erlass verbindlicher Rechtsakte ermächtigt sind (→ Rechtsetzungsverfahren). Dies sind der Rat und das → Europäische Parlament gemeinsam, der Rat und das Parlament jeweils für sich allein oder die Kommission. Soweit in den Unionsverträgen vorgesehen, gibt auch die → Europäische Zentralbank (EZB) Empfehlungen ab (vgl. Art. 292 S. 4 AEUV).

      629

      

      In der Praxis werden wohl die meisten Empfehlungen und Stellungnahmen von der Kommission erlassen, was darauf beruhen mag, dass sie gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1 EUV befugt ist, geeignete Maßnahmen zur Förderung der allgemeinen Interessen der Union zu ergreifen, und ihr damit die Funktion als Initiativ- und Koordinierungsorgan der Union zukommt.

      EEmpfehlungen und Stellungnahmen (Daniela Schroeder) › IV. Adressaten

      630

      Empfehlungen und Stellungnahmen können im Bereich des außenwirksamen Handelns der Union an Mitgliedstaaten sowie an Einzelne, d.h. an natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts, gerichtet werden. Im Bereich der Binnenorganisation der Union kommen andere Unionsorgane als Adressaten in Betracht.

      EEmpfehlungen und Stellungnahmen (Daniela Schroeder) › V. Merkmale

      631

      Die Empfehlung und Stellungnahme zeichnen sich gem. Art. 288 UAbs. 5 AEUV durch folgende Merkmale aus:

      632

      Die Empfehlung und Stellungnahme sind nicht verbindlich, d.h. sie entfalten weder gegenüber ihren Adressaten noch gegenüber Dritten rechtliche Bindungswirkungen. Insoweit unterscheiden sie sich von der → Verordnung, der → Richtlinie und dem → Beschluss, die in allen Teilen (Verordnung, Beschluss) bzw. hinsichtlich des zu erreichenden Ziels (Richtlinie) verbindlich sind.

      633

      Die fehlende Verbindlichkeit der Empfehlung und Stellungnahme bedeutet indes nicht, dass beide Handlungsformen rechtlich irrelevant sind. Vielmehr können sie in folgenden Fällen durchaus rechtlich erheblich sein:

      634

      

      Soweit nach Maßgabe des Primärrechts eine Stellungnahme von Unionsorganen i.R.e. → Rechtsetzungsverfahrens eingeholt werden muss, bildet die Stellungnahme einen notwendigen Bestandteil eines ordnungsgemäßen Rechtsetzungsverfahrens und ist insoweit rechtlich erheblich, als die Nichteinholung der Stellungnahme zu einem verfahrensfehlerhaften Rechtsetzungsverfahren führt. Dies gilt z.B. für die begründete Stellungnahme der Kommission nach Art. 258 AEUV.

      635

      

      Des Weiteren ist die Empfehlung rechtlich relevant, soweit sie nach Maßgabe des Primärrechts eine sog. verfahrenseinleitende Empfehlung oder eine sog. verfahrensabschließende Empfehlung darstellt. Das Vorliegen einer verfahrenseinleitenden Empfehlung ist Voraussetzung für das Tätigwerden eines anderen Unionsorgans (z.B. Art. 121 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 AEUV). Eine verfahrensabschließende Empfehlung ist für die Auslegung von Rechtsvorschriften beachtlich. Wegen Art. 4 Abs. 3 EUV sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Empfehlung zu beachten. Die mitgliedstaatlichen Gerichte müssen sie zur Auslegung mitgliedstaatlicher Vorschriften heranziehen (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.1989, C-322/88 – Grimaldi –, Rn. 18).

      636

      Schließlich können die Empfehlung und Stellungnahme aus Gründen des Vertrauensschutzes zu einer Selbstbindung ihres Urhebers führen, sofern der Adressat den Inhalt des unverbindlichen Rechtsakts seinem Verhalten zugrunde gelegt hat.

      E › Entwicklungszusammenarbeit (Maximilian Oehl)

      I.Überblick637 – 643

      II.Historische Entwicklung644 – 652

      III.Ziele und Grundprinzipien der EZ653 – 667

       1.Ziele653 – 661

       a)Armutsbeseitigung654

       b)Nachhaltige Entwicklung655 – 657

       c)Förderung von Demokratie, guter Staatsführung (good governance) und Menschenrechten658 – 661

       2.Grundprinzipien662