Tanja Gutmann

Dem Leben so nah wie nie zuvor


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Dezember bei Mam und Pap sein sollen. Die großen Familienfeten werden ja ohnehin ohne mich stattfinden.

      Wir feiern am 25. Dezember am Mittag mit dem ganzen Familienclan meines Vaters und am Abend mit der ganzen Familienseite meiner Mutter. Für mich fällt das alles ins Wasser!

      Der Satz: Genieße jeden Tag, wie wenn es dein letzter wäre, fällt mir plötzlich ein. „Oh nein“, schießt es mir in den Kopf. Ich habe mein Leben viel zu wenig genossen! Ich habe viel zu wenig gefeiert, bin zu wenig gereist, habe meinen Leuten zu wenig gesagt, wie gern ich sie habe! Überhaupt, es war von allem zu wenig! Ich spüre, wie Wut in mir hochsteigt! Es ist einfach nicht richtig, es ist unfair! Habe ich irgendwann etwas getan, wofür ich jetzt bestraft werde? Nicht dass ich wüsste. Was also soll das Ganze?

      Wenn ich heil aus der ganzen Geschichte rauskomme, dann werde ich das alles ändern! Ich werde leben, voll und ganz. Reisen, feiern, den Leuten richtig nah sein und vor allem werde ich ihnen mehr zeigen und sagen wie viel sie mir bedeuten!

      Wenn man plötzlich spürt, dass man etwas verlieren könnte, wird es unglaublich wertvoll. Das ist mit allem so, mit Menschen, Tieren, Sachen und auch mit dem Leben. Warum braucht es oft die einschneidenden Momente, damit man realisiert, wie wertvoll etwas ist?

      Ich wusste lange nicht, was ich hier auf dieser Welt überhaupt soll. Ich hatte kein klares Ziel. Ich war wie ein Boot auf dem Ozean – ohne Segel, wohlverstanden. Das Leben hat einfach mal mit mir gemacht. Zu realisieren, dass ich viel von dem, was ich möchte und mir wichtig ist, gar nicht richtig ausgekostet habe und jetzt die Möglichkeit besteht, dass ich das vielleicht gar nie mehr kann, das war wie ein kleiner Schock. Es hat mich wachgerüttelt und hat mir gezeigt, dass ich mein Leben in die Hand nehmen muss.

      Wenn ich den Steuerknüppel nicht in die Finger nehme, dann lebt das Leben mich und nicht ich das Leben.

Tipp: Das Leben bewusst leben und bewusst verändernUm das Leben bewusst zu steuern und zu verändern, musst du wissen, was du willst und achtsam sein.Du fährst ja auch nicht einfach mit dem Auto drauflos. Du hast ein Ziel, wohin du willst. Und um an dieses Ziel zu kommen, preschst du nicht wie ein Verrückter über die Straßen ohne links oder rechts zu schauen. Mal musst du anhalten, mal schauen, wie du unversehrt über die Kreuzung kommst, mal musst du dich orientieren, ob du überhaupt in die richtige Richtung fährst, dann kannst du wieder richtig Gas geben. Genau so ist es auch mit dem Leben.Werde dir bewusst, was du vom Leben möchtest und erwartest. Was sind deine beruflichen und persönlichen Ziele? Wohin willst du dich entwickeln? Wen möchtest du teilhaben lassen?Achte auf dich, horche in dich hinein. Nimm dich wahr. Welche Situationen, Jobs Menschen, Aussagen tun dir gut und welche reißen dich herunter? Finde heraus, was welche Emotion in dir auslöst. Deine Emotionen sind sozusagen dein Navigationssystem.Hast du bei etwas ein gutes Gefühl, dann bist du auf dem richtigen Weg dein Ziel zu erreichen. Ist das Gefühl eher negativ oder belastend, dann musst du vielleicht eine andere Route nehmen oder sogar dein Ziel überdenken.Achtsamkeit hilft dir nicht nur in die richtige Richtung zu gehen, sondern auch eventuelle Gefahren oder Hindernisse, die sich dir in den Weg stellen könnten, frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Und sie hilft, dir bewusst zu werden, was für dich richtig und wichtig ist.
Das Leben ist zum Leben da – jetzt und in jedem Moment!
Werde dir bewusst, was du vom Leben erwartest. Tu alles (ethisch korrekt natürlich), damit es auch in Erfüllung geht.
Hab Ziele im Leben, dann hast du auch eine Motivation vorwärts zu gehen.
Achte auf deine Emotionen, sie sind dein Leitfaden und zeigen dir, ob du auf dem richtigen Weg bist.
Nimm auch deine Gegenüber wahr und sei achtsam, was zu jedem Zeitpunkt in deinem Leben gerade passiert, sowohl um dich herum als auch in deinem Inneren.
Nimm dir immer mal wieder bewusst Zeit und horche in dich hinein, welche Bedürfnisse du hast?
Willst du etwas in deinem Leben verändern, dann nimm dir Zeit und überlege in Ruhe, was alles falsch läuft und was in Zukunft alles anders sein soll.
Denke in schwierigen Momenten positiv, lösungs- und zukunftsorientiert.
Jedes negative Erlebnis hat auch etwas Positives. Man muss es nur sehen wollen.
Setze dir Deadlines, bis wann du zum Beispiel etwas verarbeitet oder erreicht haben möchtest.
Wenn es dich zusätzlich motiviert, dann erzähl einer dir nahen Person davon und bitte sie, dich gelegentlich zu fragen, wie es mit der Umsetzung läuft.
Nimm dir für jeden Tag einen kleinen Schritt in diese Richtung vor und setze es auch um!Das Leben ist zu kurz um es zu verplempern! Mache dir darum immer wieder Gedanken, was dir wichtig ist im Leben, wohin du es steuern möchtest und wie du dich dabei fühlen willst. Genieße es in vollen Zügen. Willst du etwas tun, dann warte nicht. Mach dich auf den Weg. Tu es jetzt!

      4. KAPITEL

      Spitaleintritt

      Ich wache bei meinen Eltern zu Hause auf und merke, wie sich gleich alles in mir zusammenzieht. In wenigen Stunden muss ich im Spital sein. Ich bin nervös, aber ich versuche positiv zu denken. Es wird alles gut. Augen zu und durch. Ich schaffe das!

      Ich stehe auf und beginne mich für den Tag fertig zu machen. Ich bin völlig in mich gekehrt und grenze mich extrem ab. Nichts und niemand kommt wirklich an mich heran. Ich bin angespannt, verunsichert. Auch wenn ich mich zwinge positiv zu denken oder etwas lockerer zu sein, will sich die Anspannung nicht lösen.

      Es gibt Momente, in denen ich lache, etwas auftaue. Im nächsten Augenblick aber bin ich schon wieder völlig zugeknöpft und hänge meinen Gedanken nach.

      Auch Mam, Pap, meine Schwester und mein Freund Sacha scheinen innerlich Achterbahn zu fahren mit ihren Emotionen.

      Ich habe das Gefühl permanent beobachtet zu werden, so als wären die Antennen alle auf mich gerichtet. Was macht sie gerade, was sagt sie, in welchem Ton sagt sie etwas, lacht sie oder ist sie traurig?

      Ich packe alles zusammen, was ich in den nächsten Tagen brauche und fühle mich dabei wie eine Maschine. Ich mache einfach. Meine Bewegungen sind mechanisch. Ich habe das Bedürfnis alles in die Länge zu ziehen. Den Abschied hinauszuzögern. Ich bin total schlecht im Loslassen. Und dieser Abschied fühlt sich wie ein Loslassen an. Es graut mir regelrecht davor.

      Alles ist bereit zur Abfahrt. Mein Kloss im Hals wird grösser. Vor dem Moment habe ich mich immer gefürchtet. Meinen Leuten tschüss sagen zu müssen. Ist es ein Abschied für immer? Werde ich sie nochmal sehen? Verdammt, schon wieder schießen mir solche negativen Gedanken durch den Kopf! Jetzt reiße dich mal zusammen! Es ist echt nervig. Ich will nicht negativ denken!

      Ich umarme jeden einzelnen lange und versuche sie noch mal ganz nah zu spüren. In erster Linie nehme ich aber vor allem meinen Eigenschutz wahr. Der scheint im Moment wirklich mein ständiger Begleiter zu sein.

      Auch das Thema Abschied ist in meinem Leben gerade sehr präsent. Habe ich früher kurz umarmt, einen Kuss gegeben oder einfach tschüss gesagt um dann davonzuspazieren, bekommt der Abschied jetzt viel mehr Gewicht. Ich habe das Gefühl, ich bin mich nur noch am Verabschieden. Von Menschen, Situationen, Erlebnissen, meinem vergangenen Leben. Und immer schwingen die Emotion und der Gedanke mit: War das jetzt das letzte Mal?

      Das macht mich traurig, schwer und es nervt gewaltig!

      Es ist für mich ein extrem schlimmes Gefühl, mich von meinen Eltern und der Schwester zu verabschieden mit der Frage im Kopf: „Sehe ich sie nochmal?“

      Für mich war und ist es furchtbar daran zu denken liebe Menschen zu verlieren und nie mehr wiederzusehen. Das ist meine größte und tiefste Angst! Ich habe noch nie einen nahen Menschen verloren. Diejenigen die mir am nächsten standen, waren meine Urgroßeltern. Und jetzt könnte ich diejenige sein, die als nächstes geht. Mir dreht sich schier der Magen um, wenn ich mir vorstelle, wie meine Leute an meiner Beerdigung um mich trauern. Wie sie leiden, nur wegen mir. Das ist absolut das Letzte, was ich will! Also beschließe ich zu kämpfen.

      Wie? Ich habe keine Ahnung. Aber aufgeben geht nicht. Das ist absolut keine Option! Das bin ich ihnen schuldig.

      Ich