Nancy Omreg

Tara


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hoch.

      Ein leichter, würziger Duft von sich ankündi-gendem Schnee lag in der Luft. In der Dunkelheit wirkten die herumfliegenden Baumblätter wie kleine Seelen, welche in einem warmen, gelblichen Ton erstrahlten, wenn sie unter einer Straßenlaterne entlang huschten. Am Himmel war der Mond in seiner vollen Pracht zu sehen. Zwischen breiten Wolkenschleiern schauten vereinzelt Sterne hervor. Ein kalter Windhauch blies mir ins Gesicht und lies meine Haare wehen. Ich steckte meine Hände in die Manteltaschen und zog die Schultern so hoch ich konnte.

      „Eine Kälte ist das geworden.“ Bibbernd hakte sich Fine bei mir unter und drückte sich eng an mich.

      „Wir müssen einfach schnell gehen. So weit ist es ja zum Glück nicht.“ Im flotten Laufschritt eilten wir die Straßen entlang. Gegen die Kälte waren selbst die zwei Flaschen Sekt machtlos. Wir freuten uns schon auf die warme Bar und insgeheim hoffte ich, dass es dort Grog gäbe.

      Nach zehn Minuten schnellsten Fußmarsches erreichten wir endlich unser Ziel und stürzten eilig hinein.

      Eine warme Luft, voll gesogen mit Zigarettenqualm und einer Alkoholfahne drang uns entgegen, gefolgt von einer Brise Patchouli und Trockeneis, welche wellenartig unsere Nasen erreichte. Die Klänge von „Mindmachine“ der Band 'Deine Lakaien' drangen in unsere Ohren. Wir fühlten uns bei den Klängen sofort wohl.

      Vor uns erstreckte sich die Bar, die sich vom Eingangsbereich links hinüber in den Sitzbereich und von da nach hinten zur Tanzfläche erstreckte. Sie bestand aus dunklem Holz, welches teilweise schon ziemlich abgenutzt wirkte. Die Sitzgelegenheiten bildeten ver-schiedene Zusammenstellungen von Holztischen und Holzstühlen, jedoch ohne das etwas wirklich zueinander passte. Auf jedem Tisch standen Teelichter, welche den umher wallenden Qualm beleuchteten und die Tische in ein ganz besonderes Licht rückten.

      Alles in allem wirkte die Bar sehr gemütlich und es schien so, als ob die Bar nicht teil des eigenen Abends wurde, sondern als ob man selbst Teil der Bar wurde. Das Ambiente versetzte einen wie in eine andere Welt, als ob der Nebel die eigentliche Realität ausschaltete und das Leben in eine andere verschmolz.

      Unter aufblitzendem Strobolicht gingen wir vorbei an den schwarz gekleideten Menschen, fanden einen Tisch, der noch nicht belegt war und ließen uns an ihm nieder.

      „Hey Tara, schau mal nach links. Der Typ beo-bachtet dich schon seit wir herein gekommen waren“, flüsterte mir Fine zu und warf einen verstohlenen Blick geradeaus.

      Ich folgte ihren Augen und erstarrte. Am über-nächsten Tisch, mit dem Rücken an die Wand einer hervorstehenden Ecke gelehnt, saß ein junger Mann, welcher seinen Blick fest auf mich geheftet hatte.

      Seine Augen blitzten und leuchteten durch den Nebel, wie ich es noch nie erlebt hatte. Sein Gesicht war einfach perfekt. Markante Wangenknochen, verfüh-rerisch geschwungene Lippen, Augen, die wie Sterne leuchteten. Seine langen, schwarzen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden und seine, mit Silberringen bestückten Hände lagen ineinander verschränkt auf dem Tisch.

      Obwohl er bemerkt haben musste, dass ich ihn anschaute, machte er keinerlei Anstalten seinen Blick von mir abzuwenden. Entgegen meiner Natur konnte ich es jedoch auch nicht. Normalerweise hätte ich bei so einem unverhohlenem Blick sofort scheu meine Augen abgewandt und wäre wahrscheinlich noch errötet, aber ich war so versteinert, dass ich keinerlei Regung zu-stande brachte.

      Ein Stoß von Fine holte mich zurück aus meiner Trance und verwirrt wendete ich ihr langsam mein Gesicht zu.

      „Na der scheint dir ja mächtig zu gefallen, bist ja ganz hin und weg. Mh, der ist aber auch Sahne. Ich glaube, du solltest dich beeilen damit, ihn anzusprechen, sonst kommt dir noch eine andere zuvor. Bei so einem Schnuckel stehen die Frauen sicher Schlange“, anzüglich grinste Fine mich an und warf noch einmal einen Blick in seine Richtung.

      „Och schade, jetzt ist er weg.“ Mit einem mit-leidigen Gesichtsausdruck sah mich Fine an, dann wand sie mit einem Seufzer ihre Aufmerksamkeit wieder der Getränkekarte zu.

      Ich schaute zu dem Platz, auf dem er vor zwei Minuten noch gesessen hatte und es stimmte, er war wirklich leer. Ich ließ meinen Blick durch die Bar strei-fen, aber ich konnte ihn nirgends entdecken, egal wie ich mir dabei auch den Hals verrenkte.

      „Nun lass mal gut sein, der ist vielleicht nur mal eben auf Toilette gegangen. Außerdem ist er ja nicht der Einzige hier. Er war vielleicht der Hübscheste, aber die anderen sehen hier ja auch ganz gut aus. Na was trinkst du?“

      Widerwillig ließ ich von meiner Suche ab und wand meinen Blick langsam auf die Karte. Doch in meinem Kopf kreisten die Gedanken.

      Wer war dieser Typ? Warum starrte er mich so an? Und vor allem, wie konnte er so schnell verschwinden?

      „Hey Träumerin, was trinkst du?“

      „Ich… ich nehme eine Wodka-Cola“, stammelte ich noch halb geistesabwesend.

      „Mh, ich glaube ich werde da bestellen gehen“, meinte Fine, die ihre Augen auf den Kellner geheftet hatte und sich mit einem eleganten, aufreizenden Gang zur Bar aufmachte. Ich beobachtete noch, wie sie ihren Kopf schief legte und mit ihrer Halskette anfing zu spielen, als sie den Kellner ansprach und dieser mit einem begeisterten Lächeln ihr antwortete.

      Ich ließ bereits wieder meine Augen durch den Raum schweifen. Nirgends sah ich ihn. Wäre er auf der Toilette gewesen, hätte er bereits wieder auftauchen müssen. Aber nichts. Er war wie vom Erdboden ver-schluckt. Ich war schon kurz davor einen Blick in die Männertoilette riskieren zu wollen, als meine Freundin mit unseren Getränken und zwei Schnäpsen an unseren Tisch kam.

      Sie grinste breit, als sie die Gläser abstellte. „Mit besten Grüßen von dem spitzenmäßigem Kellner. Er kommt morgen auch zum Konzert, wie bombastisch!“ Freudestrahlend ließ sie sich neben mir nieder und erhob das Schnapsglas.

      „Auf einen bombastischen Abend, meine Süße!“ Ich erhob mein Glas und stieß mit ihr an.

      „Auf uns und was da komme.“ Mit einem Zug leerte ich das Glas und stellte es mit einem herzhaften, genussvollen Seufzer wieder auf den Tisch.

      Wieder tasteten meine Augen die Kneipe ab, während Fine noch von dem Kellner schwärmte.

      „Ich wollte das Thema eigentlich nicht ansprechen, aber ich muss sagen, ich finde es toll, wie gut es dir geht und wie du das Wochenende wirklich zu genießen scheinst, ohne Max mehr hinterher zu trauern. Ich muss sagen, ich dachte schon, dass es schwierig wird, weil dich hier ja sicher einiges an ihn erinnert, aber du schlägst dich wacker und du bist ohne Max sowieso besser dran.“

      „Was, wer?“, antwortete ich, zurückgeholt aus meinen Gedanken, aber nicht genau wissend, worüber meine Freundin gerade redete.

      „Max? Dein Verflossener? Der, wegen dem du tagelang geheult hast? Mensch, wo bist du denn mit deinen Gedanken? Du hast mir gar nicht zugehört, wie?“ Halb schmunzelnd, halb verwirrt schaute mich Fine an.

      „Oh, es tut mir leid! Nein, das habe ich wohl wirklich nicht so richtig. Aber ja, es geht mir echt besser. Du hast mich wieder zurück ins Leben geholt. Danke.“ Kopfschüttelnd und meine Freundin aufrichtig an-lächelnd, in dem Bewusstsein, eine leichte Röte im Gesicht zu haben, blickte ich sie an.

      Sie hakte nicht weiter nach und fing an von einer lustigen Anekdote einer ihrer Verflossenen zu reden und ich beschloss, nicht länger über den mysteriösen Typen nachzudenken, sondern den Abend zu genießen. Ich würde ihn sowieso nie wieder sehen. Wir waren in Berlin. Wie groß sollte da schon die Wahrscheinlichkeit sein, ihm wieder über den Weg zu laufen, noch dazu, wo ich nicht einmal wusste, ob er überhaupt in Berlin wohnte oder so wie wir, nur zu Besuch hier war.

      Die Gespräche mit Fine lenkten mich ab und je mehr Alkohol floss, desto lustiger wurden unsere Geschichten. Nach drei weiteren Wodka-Colas fühlte ich mich bereit, die Tanzfläche zu stürmen. Ich drängte Fine dazu, mitzukommen und dann tanzten wir im klassischen „Drei Schritte vor, vier Schritte zurück“ – Stil zu den Klängen von Welle:Erdball „Alles ist möglich“.

      Ich fühlte mich schon lange