Agnes Christofferson

Leichen im Keller, Maden im Speck, und die Mäuse tanzen auf dem Tisch


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kein Problem.“ Und nur wenig später knie ich ausgestattet mit extralangen und extradicken Handschuhen vor dem Klo und kratze den Inhalt raus. Dabei muss ich hübsch aufpassen, dass mir nichts ins Gesicht fliegt.

      „Wenn du dich übergeben musst, dann in die Badewanne“, gibt mir Andrea auf dem Weg. „Sonst gibt es eine echte Sauerei.“

      „Keine Bange“, erwidere ich. „Das wird nicht passieren. Ich übergebe mich nur, wenn ich Magen-Darm-Grippe habe.“ Und tatsächlich scheint es mir nichts auszumachen. Die Exkremente sind bereits so alt, dass sie fast gar nicht riechen. Abgesehen davon stinkt es in der Wohnung allgemein mächtig.

      Während ich in den nächsten drei Stunden buchstäblich auf die Kacke haue und auf Knien krieche, denke ich darüber nach, wie es so weit kommen konnte. Ich bekomme es einfach nicht zusammen. Hat nicht jeder Mensch das Grundbedürfnis nach Sauberkeit? Und ein bisschen gesunden Ekel? Der Dame muss doch klar gewesen sein, dass normale Badezimmer anders aussehen, denke ich, während ich mit einem Spachtel die dunklen Schichten abkratze. Was muss also passieren, damit ein Mensch dermaßen die Kontrolle über sein Leben verliert? Konnte sich die Bewohnerin wegen ihrer Sehbehinderung einfach nicht mehr selbst versorgen? Doch was sprach gegen eine Haushälterin? Oder anderweitige Hilfe? Der Zustand der Wohnung ist ganz sicher kein Problem, das mit Geld zu tun hat. Jedoch bin ich nicht hier, um über andere zu urteilen. Es wird (Ab-)Gründe gegeben haben. Noch bin ich nicht alt, gebrechlich und allein.

      Andrea ist derweil mit den Fenstern und Türen fertig. Den Schleier auf den Türen hat sie leider nicht ganz wegbekommen. Die müssen neu lackiert oder gar erneuert werden.

      Das Klo ist nicht das Einzige, wo wir mühselig kratzen müssen. Auch die Böden in der gesamten Wohnung müssen in Kleinstarbeit abgekratzt werden. Schicht für Schicht kratzen wir den Schmutz ab. Auf die Reste sprühen wir Reinigungsmittel drauf, das praktischerweise auch Desinfektionsmittel ist, und lassen es eine halbe Stunde einziehen. Erst dann geht es ans eigentliche Wischen. Andrea wischt grob vor, ich wische feinsäuberlich hinterher. Eimer für Eimer, bis der Fliesenboden einen menschenwürdigen Zustand erreicht.

      Knapp drei Tage brauchen wir, bis die Wohnung sauber und desinfiziert ist. Trotz allem ist die Wohnung aber bei Weitem nicht bezugsbereit. Die Tapeten müssen runter, die Türen neu lackiert und der Türrahmen im Badezimmer komplett erneuert werden, weil er sich im unteren Bereich mit Fäkalien vollgesogen hat und nun total morsch ist. Das überlassen wir jedoch den Handwerkern. Wir müssen nur zusehen, dass alles picobello und desinfiziert ist, damit sich keiner den Tod holt.

      Unsere Arbeit bleibt nicht unbemerkt. Eine junge Nachbarin liegt am letzten Tag bereits auf der Lauer. Es ist ein erstaunliches Phänomen, auf das ich immer wieder stoße: Die Leute kriegen nicht mit, dass ein Messie nebenan wohnt oder dort eine Leiche seit Wochen verrottet, doch sie wissen ganz genau, wann Tatortreiniger auftauchen und wieder gehen. Ich warte noch auf den Tag, an dem man mich mit Milch und Plätzchen empfängt.

      Die Nachbarin hat es auf jeden Fall spitzbekommen und verwickelt uns in ein Gespräch. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass wir zwar gerne plaudern, aber grundsätzlich keine Details verraten. Diskretion und Respekt haben den höchsten Stellenwert, das habe ich ja schon erwähnt. Der jungen Nachbarin steht der Schock ins Gesicht geschrieben. Sie kann es immer noch nicht fassen. Die Bewohnerin sei eine sehr gepflegte Frau gewesen. Stets in sauberer und in feiner Kleidung unterwegs. Dazu sei sie freundlich gewesen und habe immer ein Ohr für andere gehabt. Intelligent sei sie auch, denn einst habe sie einen medizinischen Beruf ausgeübt. Natürlich habe sie Probleme mit der Sehkraft gehabt, doch sei sie mit ihrer Behinderung anscheinend gut zurechtgekommen. Nur Besuch habe sie nicht gerne gehabt, die Tür stets nur ein Stück weit aufgemacht. Selbst den Sohn habe sie nicht reingelassen. Es sei gerade unordentlich, sei ihre häufigste Ausrede gewesen, was ja in gewisser Weise stimmte. Es war ja wirklich ziemlich unordentlich. Ich hätte auch keinen reingelassen.

      Abgesehen von dem penetranten Zigarettengestank war der Nachbarin auch nie etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Ich stehe da, und mir fällt alles aus dem Gesicht. Das alles will so gar nicht zusammenpassen. In meiner bisherigen Vorstellung waren Messies Alkoholiker, Junkies und gescheiterte Existenzen. Aber niemals feine Damen. Vor allem nicht diese Dame. Hygiene und Sauberkeit war für die doch kein Fremdwort. Und so hilflos kann die auch nicht gewesen sein, wenn sie in der Lage war, eine Strategie zu entwickeln, die ihre Lebensweise perfekt verschleierte.

      Tatsächlich habe ich mir sagen lassen, dass sich das Messiesyndrom quer durch alle sozialen Schichten zieht. Messies sind nicht etwa zu faul, um ihren Müll zu entsorgen. Nein, sie leiden an einer Zwangsstörung, und der ist es egal, ob einer reich oder arm, gebildet oder ungebildet ist. Es kann praktisch jeden treffen. Auch einen selbst.

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