Benjamin Webster

Das Simbara Geheimnis


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nicht dem großen Flur, sondern bogen in einen kleineren Tunnel ab. Zuerst wurde es etwas dunkler, aber nach einer Weile wieder heller. Sie gingen weiter in Richtung Licht. Immer wieder ging es bergab, aber dieses Mal links herum. Es hatte den Anschein als würden sie um etwas herum gehen. Diese Vermutung stellte sich nachher als richtig heraus. Nach dreißig Meter war der Tunnel zu Ende und eine Treppe führte nach oben. Zuerst ging sie geradeaus dann rechts herum. Die Biegung der Treppe wurde immer enger und zum Schluss war es so, als wären sie auf einer Wendeltreppe. Egal, Hauptsache nahe am Licht. Nur Philippe war das gar nicht egal. Ab und zu hörte man wieder seine Klabauter Sprüche und je steiler und enger die Treppen wurden, desto heftiger und lauter. Auf einmal endete die Treppe, vor einer mit Ornamenten verzierten Wand. Auf den Bildern waren wieder der König und seine Frau zu sehen. Nur dieses Mal hatten sie zwei junge Schnäbler an den Händen. Es sah so aus als wären es ihre Kinder. Aber wenn es ihre sind, wo sind sie geblieben? Gräber hatten sie ja nur vom König und der Königin gefunden, von den Kindern fehlte aber jede Spur. Es war ein sehr großes Bild das hier in die Wand eingemeißelt worden war. Im Vordergrund saß das Königspaar auf ihren Sesseln. Sie hielten sich an den Händen und hatten in der anderen Hand je ein Kind umarmt. Die Eltern trugen Kronen, die Kinder eine Art Diadem in den Federn. Hinter ihnen zur rechten, standen der Fächer und links das Zepter. Sie alle wurden von einem Baldachin überdacht. Außen herum standen Schnabelvögel Spalier und hielten Stöcke oder so etwas in den Händen. Rings um das Podest waren Zeichen eingeschnitzt. Da waren Palmen, Schwerter, Münzen, Zahlen, Feder- und Wuselmäuse, Triwies sowie Waldschnäbler abgebildet und ganz oben, über allen, saß der Golan und breitete schützend seine Schwingen aus. Aber auch die Krone und das Medaillon waren darauf zu sehen. Alles Dinge welche die sechs von den anderen Grabungen her kannten. Der Professor schaute sich die Münzen einmal richtig an und versuchte eine von ihnen einzusetzen. Das gelang ihm aber nicht, weil seine Münzen kleiner waren als die abgebildeten. Zum Abschluss des Bildes waren sechs Steine gleichmäßig um das Bild platziert, drei oben und drei unten. Bei näherem hinsehen waren auch hier, genauso wie oben im Eingang, kleine Schlitze eingelassen. Samir nahm die Münzen und setzte sie, nach Ansage des Professors ein. Die Münzen waren eingesteckt aber nichts geschah. Samir zog sie wieder heraus und drehte sie einfach, eine nach der anderen um. Er trat von der Wand zurück und man hörte im Hintergrund wieder das „Klack“, Klack, Klack, Klack, Klack und zum sechsten Mal Klack. Dann war es ruhig und sie hörten nur noch ihr Atmen. Auf einmal kam aus der rechten Wand ein Stein heraus. Der Professor überprüfte ihn und holte aus einem Rucksack das Medaillon. Er setzte es mit dem Gesicht nach unten auf den Stein und drückte es herunter und nahm das Medaillon wieder heraus. Jetzt kam Leben in die Bude. Auf einmal krachte und quietschte es, an allen Ecken und Enden. Sogar der Boden vibrierte so heftig, das sie zuerst dachten es sei ein Erdbeben. Der Stein fuhr wieder zurück und die Wand geriet in Bewegung. Langsam wanderte sie zurück und gab einen weiteren Gang frei. Vorsichtig schauten sie in den neuen Gang, sahen aber nicht weit hinein, weil nach ein paar Metern eine Biegung kam. Sie tasteten sich langsam voran und folgten der Biegung, die scheinbar wieder spiralförmig nach unten ging. Die Helligkeit nahm jetzt wieder zu, sodass die Lampen gelöscht werden konnten. Endlich hörte dieser Drehwurm nach links auf und es kamen einige Treppen, welche sie hoch gingen. Und hier war der Gang zu Ende. Sie standen wieder vor einer Wand. Sie schimmerte durchsichtig silbern und die Außenkanten waren gelblich. Die ganze Wand glitzerte und man bekam den Eindruck, dass die Wand warm wäre. Dem war aber nicht so, sie fühlte sich kühl und trocken an. Ihre Oberfläche war glatt, nur von ein paar Kanten und Riefen unterbrochen. Jetzt sahen sie auch, dass einige Ornamente die Ecken verzierten und in der Mitte etwas geschrieben stand. Der Professor übersetzte das Altschnäbisch sofort mit den Worten: „Nehmt mit was ihr braucht um das Werk zu vollenden. Schützt es vor allem bösen und bewahrt es gut auf, für den Tag der Tage. Hütet euch vor der Gier und dem Neid - Ihr werdet reichlich dafür belohnt,“ las der Professor laut vor. Er schrieb gleich alles in sein Tagebuch und machte sich wieder Skizzen. So weit, so gut. Aber wie geht es weiter fragten sich die sechs. Hier war kein Ornament, kein Schlitz oder ein Stein, der einen Anhaltspunkt zur Lösung bringen könnte. Sie waren ratlos und untersuchten alle Wände und die Decke noch einmal gründlich. Es war absolut nichts zu sehen. „Wieder eine Sackgasse“, meinte Samir enttäuscht. „Das glaube ich jetzt nicht. Zuerst mache einem Mund wässerig und dann isse nichts. Ich verstehe nicht. Warum schreibe, soll alles nehme wase braucht und bekomme dann nichts. Habe vielleicht Angst nehme mehr mit wie brauche“, sagte Philippe etwas erregt. Sie gingen schon wieder zurück, als nach ein paar Metern der Professor stehen blieb und laut: „Der Boden.“ sagte. Alle sahen den Professor an und schauten auf den Boden. „Da ist doch nichts, überhaupt nichts.“ sprach Kikki resigniert. „Nicht dieser Boden, sondern den von der Inschrift, lasst uns noch einmal zurückgehen und ihn uns ansehen“, sprach der Professor. Sie standen nun vor dem Raum und der Professor ließ alle Lampen anzünden um mehr Licht zu haben. Und je heller es wurde, desto besser sah man den Boden. Der war nicht glatt, sondern hatte in regelmäßigen Abständen kleine Kerben eingeritzt. Zuerst sah es so aus, ob kleine Fugen im Boden wären, bei näherer Betrachtung entpuppten sich die Kerben als römische Zahlen. „Seht her, hier ist der Hinweis den wir suchen“, jubelte der Professor. „Und wase bedeuten die Kratzer oder wase das ist, habe doch keine Plan dafür?“, fragte Philippe. Der Professor holte sein Buch hervor und blätterte zur richtigen Stelle. „Wir waren vorhin vor dem Relief des Königspaares und den Kindern gestanden und auf dem Sockel des Podestes standen verschiedene Zeichen, unter anderen auch Zahlen. Das waren auch römische Zahlen und nicht einfach nur Striche“, erklärte der Professor und schrieb die römische Zahlen an die Wand. „ Also seht her. Eine Eins ist ein Strich. Eine Zwei sind zwei Striche. Eine Drei sind drei Striche. Eine Vier.“ „Sind vier Striche“, unterbrach Kira. Der Professor fuhr fort: „ Aber nein. Die Römer waren keine dummen. Wenn sie für jede Zahl einen Strich machen würden, wären es doch keine Zahlen, sondern nur eine Strichliste die man nachher abzählen müsste. Für die fünf hatten sie ein V. Machte man einen Strich vor das V, so ergab das die vier, machte man einen Strich hinter das V so war das die sechs usw. Für die Zehn schrieben sie ein X, für die fünfzig ein L und für die Hundert ein C. Für die fünfhundert ein D und die Tausend ein M. So ließen sich, für damalige Verhältnisse, relativ schnell und ohne großen Aufwand, alle Zahlen aufschreiben. Und jetzt seht was unten auf dem Podest steht.“ Er zeigte ihnen seine Skizzen und las vor: „ Fünf, fünfzehn, neunzehn, fünfundzwanzig, dreißig, vierzig. Das sind unsere Zahlen die wir, denke ich, brauchen.“ Er leuchtete auf den Boden und tatsächlich waren diese Zahlen hier auch eingeritzt. Jeder stellte sich jetzt auf eine Zahl. Als alle standen, verließ einer nach dem anderen den Boden wieder, ohne dabei auf ein Feld ihrer Zahlen zu treten. Philippe hatte die letzte Zahl, die vierzig. Er ging heraus aus dem Raum und alle warteten ob etwas geschieht. Er war kaum draußen, da senkte sich der Fußboden, stufenförmig zu einer Treppe. Der Weg war frei. Langsam schritten sie herunter. Unten angekommen, begriffen sie erst gar nicht, was da vor ihnen war. Es glitzerte und funkelte aus allen Richtungen. Der Professor ließ jetzt die Lampen löschen. Aber es blieb fast genauso hell wie vorher. Schon alleine der Anblick dieser Höhle waren die Strapazen wert, die sie in den letzten Tagen auf sich genommen hatten. Sie gingen ganz vorsichtig weiter in die Höhle herein. Je weiter sie kamen, desto größer wurden die Augen der Schnäbler. Es gab keinen Zweifel, dass alles echt war was sie da sahen. Sie befanden sich mitten in einer Kristallhöhle. Es war aber nicht irgendeine Kristallhöhle. Hier wuchsen die Kristalle, wie zuvor in der Tropfsteinhöhle, vom Boden bis zur Decke und umgekehrt. Es waren Riesenkristalle, die teilweise zwölf Meter lang waren und einen Durchmesser von drei Metern hatten. Einfach gigantisch und einmalig, was die Natur hier gezaubert hatte. Ein Kristall nach dem anderen wuchs von der Decke herab. Die vom Boden nach oben gewachsenen, stellten sich teilweise schräg und kreuzten sich. Und immer weiter ging es hinein. Als sie etwa in der Mitte ankamen, entdeckten sie einen kleinen See, über den scheinbar eine Art Brücke gewachsen war. In der Mitte des Sees endete die Brücke von der linken Seite und führte auf eine kleine Insel, die aussah wie ein Podest. Auf einer Säule stand dann die Goldene Maske, welche noch zur Vervollständigung des Goldenen Vogels fehlte. Sie war, wie die anderen goldenen Gegenstände, einzigartig gearbeitet. Vergleichbar mit der Totenmaske des Pharaos Tut ench Amun aus Ägypten, reich verziert mit Gravuren und Edelsteinen. Sie nahmen die Maske vorsichtig aus der Verankerung und packten sie sorgfältig ein. Zimba prüfte das darunterliegende Viereck und versuchte es zu öffnen. Er drückte leicht darauf und der