Karl May

Orangen und Datteln


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was – –«

      »Pardon, Madame, ich stieg bereits im Hotel de Paris ab.«

      »Wirklich, das thaten Sie? Wissen Sie, Monseigneur, daß dies eine große Beleidigung für uns ist?«

      Ich hatte einige freundliche Vorwürfe zu hören, dann wurde die Angelegenheit einem Diener übergeben. Eben war ich bereit, mich in das mir angewiesene Zimmer zurückzuziehen, als ein Araber gemeldet wurde, welcher mit Monseigneur zu sprechen wünsche. Der Mann wurde in meiner Gegenwart im Sprechzimmer empfangen.

      Er war von langer, hagerer und sehniger Gestalt. Sein Burnus war außerordentlich mitgenommen; die ausgefransten Kamelhaarschnüre hingen ihm in Fetzen um die Kapuze, und jeder Zollbreit an ihm zeigte den echten Wüstensohn, der vor keiner Gefahr zurückbebt und jede Entbehrung mit Gleichmut zu ertragen weiß.

      »Sal – aaleïk –!« grüßte er mit stolzer Abkürzung der beiden Worte. Nicht die leiseste Neigung seines Hauptes ließ sich bemerken; der Kolben seines langen Gewehres klang mit rücksichtslosem Tone auf den Marmorfließen, und sein dunkles Auge flog mit einem Blick, in welchem sich die Ueberlegenheit des freien Mannes und Rechtgläubigen aussprechen sollte, von einem zum anderen.

      »Sprechen Sie mit ihm, Monseigneur,« raunte mir Latréaumont zu. »Es ist der Tuareg, welcher wegen Rénald bereits bei mir war.«

      Nichts konnte mir lieber sein, als daß der Bote gerade heute noch kam.

      »Sal – aal –!« antwortete ich noch kürzer. Der Beduine giebt durch diese Art der Ausdrucksweise gern den Grad der Achtung zu erkennen, welche er dem andern widmet. »Was willst du?«

      »Du bist nicht der, mit dem ich zu sprechen habe!«

      »Du hast mit keinem andern als mit mir zu reden!«

      »Ich komme nicht zu dir.«

      »So kannst du wieder gehen!«

      Ich drehte mich um. Auch die andern wandten sich dem Ausgange zu.

      »Sihdi!« sagte er.

      Ich schritt weiter.

      »Sihdi!« rief er dringlicher.

      Ich wandte bloß den Kopf.

      »Was noch?«

      »Ich werde mit dir sprechen!«

      »So bemühe dich, höflich zu sein, sonst sende ich dich hinab auf die Straße. Wie ist dein Name?«

      »Ich heiße Mahmud Ben Mustafa Abd Ibrahim Jaakub Ibn Baschar.«

      »Dein Name ist länger als dein Gruß. Euer Prophet, der große Mohammed Ibn Abdallah el Haschemy, sagt: ›Seid höflich auch mit den Ungläubigen und Feinden, damit sie euren Glauben und die Kaaba achten lernen!‹ Merke dir das! Du bist ein Tuareg?«

      »Ein Tuareg und Imoscharh.«

      »Von welchem Stamme?«

      »Hedjahn-Bei, der Karawanenwürger, erlaubt seinen Kriegern nicht, den Franken ihren Stamm zu nennen.«

      Beinahe hätte mich ein kleiner Schreck erfaßt. Also Rénald war Gefangener des berüchtigten Hedjahn-Bei! Das war das Schlimmste, was ich erfahren konnte. Ich hatte selbst in der Ferne von diesem ebenso grausamen wie verwegenen Wüstenräuber gehört und wußte, daß er der Schrecken aller Karawanen sei. Niemand vermochte zu sagen, zu welchem Stamme er eigentlich gehöre; die ganze, weite Wüste war sein Jagdgebiet. Von der algerischen Steppe bis hinunter zum Sudan und von den ägyptischen Oasen bis hinüber nach Wadan und Walada in der westlichen Sahara war sein Name bekannt. Bald hier, bald dort auftauchend, war er stets ebenso schnell verschwunden, wie er gekommen war; doch stets und überall kostete sein Erscheinen Opfer an Gütern und Menschenleben. Er mußte geheime Aufenthaltsorte haben, die über die ganze Sahara zerstreut lagen; er mußte Agenten besitzen, die ihm von jeder bedeutenden Kaffila Nachricht brachten und ihm behilflich waren, die geraubten Güter an den Mann zu bringen. Aber seine Person und seine Thaten waren in so geheimnisvolles Dunkel gehüllt, daß eine Aufklärung bisher unmöglich gewesen war. – Ich hielt es für geraten, gegen seinen Boten so zu thun, als ob ich noch gar nichts von ihm gehört habe.

      »Hedjahn-Bei? Wer ist das?«

      »Kennst du den Karawanenwürger nicht? Ist dein Ohr taub, daß du noch nichts von ihm vernommen hast? Er ist der Herr der Wüste, fürchterlich in seinem Zorne, gräßlich in seinem Grimme, schrecklich in seinem Hasse und unüberwindlich im Kampfe. Der junge Ungläubige ist sein Gefangener.«

      Ich lachte.

      »Unüberwindlich im Kampfe? So kämpft er wohl nur mit dem kleinen Schakal und der feigen Hyäne? Kein Franke fürchtet sich vor ihm und seiner Gum. Warum giebt er den Gefangenen nicht frei? Hat er nicht zweimal Lösegeld erhalten?«

      »Die Wüste ist groß, und der Hedjahn-Bei hat viele Männer, welche Kleider, Waffen und Zelte brauchen.«

      »Der Karawanenwürger ist ein Lügner und Betrüger. Sein Herz kennt nicht die Wahrheit, und seine Zunge ist falsch; sie hat zwei Spitzen wie die Zunge der Schlange, der man den Kopf zertritt. Mit welcher Botschaft sendet er dich?«

      »Gieb uns Burnus und Schuhe, Waffen und Pulver, Spitzen für unsere Speere und Tücher für unsere Zelte!«

      »Ihr habt bereits zweimal erhalten, was du begehrst. Du wirst nicht den Zipfel eines Tuches und nicht ein Körnchen Pulver mehr erhalten!«

      »So stirbt der Gefangene!«

      »Der Hedjahn-Bei giebt ihn nicht los, auch wenn er erhält, was er von uns fordert.«

      »Er wird ihm seine Freiheit schenken. Der Würger der Karawanen ist gnädig, wenn er den Preis erhält.«

      »Wie viel fordert er?«

      »So viel, als er bereits erhalten hat.«

      »Das ist viel. Du willst die Waren mitnehmen?«

      »Nein. Du wirst sie ihm senden wie die beiden andern Male.«

      »Wohin?«

      »Nach dem Bab-el-Ghud.«

      Das war ja derselbe Ort, nach welchem mich Emery bestellt hatte! War dies Zufall oder wußte er, daß der Räuber sich dort befinden würde?

      »Werden wir den Gefangenen dort treffen und gegen das Lösegeld erhalten?«

      »Ja.«

      »Sagst du die Wahrheit?«

      »Ich lüge nicht!«

      »Du hast bereits zweimal ja gesagt, und doch gelogen. Schwöre es mir!«

      »Ich schwöre es!«

      »Bei der Seele deines Vaters?«

      »Bei – der Seele meines – – Vaters!« stieß er zögernd hervor.

      »Und beim Barte des Propheten!«

      Jetzt wurde er vollständig verlegen.

      »Ich habe geschworen; das ist genug!«

      »Du hast geschworen bei der Seele deines Vaters, die nicht mehr wert ist, als die deinige. Für beide zusammen gebe ich nicht eine einzige Sisch oder Bla halef, und ein Schwur bei ihnen ist kein Sandkorn wert, deren doch die Wüste voll ist vom Aufgang bis zum Niedergang. Schwörst du beim Barte des Propheten?«

      »Nein.«

      »So ist dein Wort wieder Lug und Trug, und du wirst die Sterne der Wüste nicht wieder sehen.«

      Sein Auge leuchtete auf.

      »Wisse, Ungläubiger, daß die Seele des Gefangenen zur Tschehennah (Hölle) fahren wird, wenn ich nicht bis zur rechten Zeit beim Hedjahn-Bei eingetroffen bin; dieses schwöre ich dir allerdings beim Barte des Propheten, der seine Gläubigen zu schützen weiß!«

      »Dann wird deine Seele ihr vorangehen, und die Gebeine des Karawanenwürgers und seiner Gum werden bleichen im Sonnenbrande, das schwöre ich dir bei Jesus, dem Sohn