ist, als alle Ayat eures heiligen Buches; es vernichtet jeden Feind, wenn ich es bete.«
»Sage mir es vor, damit ich es beten lerne, Sihdi!«
»Nicht vorsagen, sondern zeigen werde ich es dir!«
Ich nahm meine Büchse und schlug auf ihn an.
»Dies ist mein Surat gegen alle Feinde.«
Er sprang erschrocken zur Seite.
»Be issm billahi radjal, um Gottes willen, auf, ihr Männer, flieht! Dieser Sihdi hat den Verstand verloren. Er hält seine Flinte für das Surat el ikhlass und will uns ermorden!«
Ich legte die Büchse wieder zur Seite.
»Bleibt ruhig sitzen, ihr Männer! Mein Verstand ist noch bei mir, denn ich halte das Weib des Panthers nicht für einen Scheitan, sondern für eine Katze, die ich mit meinem Surat töten werde.« Und mich erhebend, fügte ich hinzu: »Seraidschi, zeige mir die Hürde, in welcher sich deine Schafe befinden!«
»Bist du toll, Sihdi, daß du verlangst, ich soll mit dir zur Hürde gehen? Die Nacht ist finster, und dieses Weib des Panthers kommt nicht gegen den Morgen, wie die andern Tiere, welche Fleisch stehlen, sondern sie naht stets um Mitternacht. Sie mag meine Schafe fressen, mich aber soll sie nicht zerreißen!«
»So beschreibe mir den Ort, wo ich die Hürde finde!«
»Du findest sie hundert Schritte vom Serai, grad gegen Norden, wo die Steine liegen.«
Ich hing die Büchse über und griff zum Henrystutzen. Das Messer stak bereits im Gürtel. Mit dem Stutzen hatte ich zwar keinen so weiten und sichern Schuß, wie mit dem Bärenrohre, aber er war mir nötig, wenn der Büchsenschuß ja nicht sofort tödlich sein sollte.
Ich hatte kaum den Fuß erhoben, so sprang Hassan auf.
»Allah akbar, Gott ist groß, Sihdi; er kann den Löwen töten und den Panther vernichten. Du aber bist ein Mensch, dessen Fleisch den Katzen schmeckt. Bleib hier, sonst verzehren sie dich, und wir finden am Morgen nichts von dir als die Sohlen deiner Schuhe!«
»Du wirst am Morgen nicht nur die Schuhe, sondern auch den Mann unverletzt sehen, der sie trägt. Nimm deine Waffen, und folge mir!«
Der große Mann sprang erschrocken zurück; er spreizte alle zehn Finger aus und hielt sie mir mit ausgestreckten Armen abwehrend entgegen.
»Hamdullilah, Preis sei Gott, daß ich am Leben bin; ich werde es nie einem wilden Tiere schenken!«
»Fürchtet sich Hassan el Kebihr vor einer Katze?«
»Ich bin Djezzar-Bei, der Menschenwürger, aber nicht Hassan, der Pantherfresser, Sihdi. Verlange, daß ich gegen hundert Feinde kämpfe: ich werde sie alle schlachten, aber der Gläubige verschmäht es, des Nachts mit einem Weibe zusammenzukommen, welches noch dazu die Sultana eines wilden Tieres ist!«
»So bleib'!«
Ich hatte ihn ja nur auf die Probe stellen wollen und schritt nun dem Ausgange zu. Da hörte ich, daß mir jemand folgte. Der Staffelsteiner war es.
»Darf ich halt mit, Herr?«
»Warum?«
»Warum! Maschallah, tausend Schwerebrett, soll ich vielleicht gar zuschau'n, daß Sie von der Katz' zerrissen werd'n? Wozu hab' ich die Flint' und das Messer? Wo mein Herr is, dort bin ich auch, das versteht sich halt ganz von selber!«
»Ich danke dir, Josef, aber ich kann dich nicht brauchen!«
»Warum nit, wenn ich fragen darf?«
»Weil du kein Jäger bist. Du würdest dich unnütz in Gefahr begeben und günstigen Falles mir nur das Tier verscheuchen.«
Ich hatte wirklich Mühe, den treuen und beherzten Mann von seinem Vorhaben abzubringen, und trat dann in die Nacht hinaus, um die Hürde aufzusuchen.
In der angegebenen Richtung und Entfernung vom Serai lag ein Gewirr hoher, gewaltiger Felsblöcke. An diese lehnte sich die Hürde, welche an den drei andern Seiten aus Pfählen bestand, die durch Stricke, aus Leff (Dattelfaser) gedreht, verbunden waren. Die Schafe lagen ruhig innerhalb dieser einfachen Umzäunung und ließen sich auch durch mein Nahen nicht im mindesten stören. Die Nacht war sternenhell, und ich konnte die Umrisse der Felsen deutlich erkennen. Zwischen zweien derselben befand sich ein oben geschlossener Spalt, grad so breit, daß ein nicht zu starker menschlicher Körper darin Platz finden konnte. Das war der geeignetste Ort für mich, das Raubtier zu erwarten. Er bot mir von drei Seiten sichern Schutz und gewährte mir nach der vierten hin die freieste Aussicht über die Hürde. Wenn der Panther wirklich kam, so konnte ich, ohne für mich etwas befürchten zu müssen, ihn hier in aller Gemütsruhe auf das Korn nehmen. Eine Heldenthat war seine Erlegung jedenfalls nicht.
Ich nahm in dem Spalte Platz und machte mir es darin so bequem wie möglich. Mit der Büchse in der Hand und mit dem Stutzen am Knie wartete ich und horchte auf jedes Geräusch der allerdings höchst schweigsamen Steppe. Mitternacht ging vorüber; wenn das Tier heute kam, so mußte es bald erscheinen.
Da bemerkte ich eine Bewegung der Schafe; sie steckten die Köpfe zusammen und krochen unter allen Zeichen der Angst so nahe wie möglich an den Felsen heran. Ich strengte mein Gesicht an, um die Ursache zu erspähen, konnte aber nichts bemerken. Doch jetzt, jetzt vernahm ich über mir ein beinahe unhörbares, schleichendes Geräusch. Das Tier befand sich auf dem Felsen, um von da aus seine Beute im Sprunge zu erreichen. Jetzt hörte ich, wie es seine Krallen an dem Steine wetzte, dann – ein Sprung – ein dunkler Körper schnellte herab unter die Schafe – ein kurzer, blökender Todesschrei – und der Panther stand hochaufgerichtet inmitten der Hürde, unter seiner rechten Vordertatze lag das getötete Schaf. Es war ein ungewöhnlich großes, gewaltiges Exemplar, wie ich fast keinen Jaguar gesehen hatte, und, wie ich sofort bemerkte, allerdings ein Weibchen.
Den Kopf erhebend, stieß jetzt das Raubtier seinen Siegesruf aus, jenes in fürchterlichen Kehltönen erschallende, zusammengezogene A – uuhh – a – oorrrr, welches in einem tiefen, grollenden Schnurrlaute zu endigen pflegt. Noch aber war der Ruf nicht ausgeklungen, so krachte meine Büchse. Die weit geöffneten, in grünlichem Lichte rollenden Augen hatten mir ein sicheres Ziel geboten. Mit dem Schusse verklang das Brüllen; das Tier machte einen jähen Satz nach dem Spalte zu und brach da hart vor meinen Füßen zusammen. Wie ich später sah, war ihm meine Kugel in das Auge gedrungen.
Der Schuß hatte aber noch einen andern Erfolg. In der Ferne ertönte ein heiserer, wilder Schrei und nach wenigen Sekunden ein kurzes abgerissenes Brüllen aus größerer Nähe. Das Männchen nahte, durch meine Büchse zur Hilfe herbeigerufen.
Ich hatte schon – der Vorsicht wegen – den Henrystutzen in die Hand genommen, um die zweite Kugel des Bärentöters für diesen Fall zu sparen. Rasch nahm ich den letzteren wieder auf und legte an. Ein schlanker, geschmeidiger Tierkörper kam in langen Sätzen herbeigeschnellt und hielt außerhalb der Hürde an, grad mir und dem gefallenen Weibchen gegenüber. Der Panther mußte trotz des zweifelhaften Sternenlichtes uns beide bemerken, denn er duckte sich unter einem grimmigen Schnaufen zur Erde nieder, um zum Sprunge auszuholen. Noch sah ich jetzt seine Augen glühen, im nächsten Augenblick mußten sie sich im Momente des Sprunges schließen. Ich drückte los. Mitten in der blitzenden Beleuchtung durch den Schuß flog das Tier empor und kam hart am Spalte zum Boden nieder. Aber schon hatte ich den Stutzen ergriffen; ich konnte aus seinem Laufe, ohne zu laden, fünfundzwanzig Schüsse hinter einander abgeben. Ich hielt die Mündung grad an den Kopf des Panthers und drückte ein-, zwei-, dreimal los. Schon der erste Schuß war, wenn auch nicht sofort, tödlich gewesen; ein konvulsivisches Zittern ging durch den Körper des Tieres, dann lag es regungslos gestreckt zu meinen Füßen.
Ich lud zunächst wieder und trat dann hinaus. Die beiden Raubtiere lagen aufeinander und waren, besonders das weibliche, so groß und schwer, daß ich sie nur mit Anstrengung zu bewegen vermochte. In einiger Entfernung bellte ein Schakal sein heulendes ›ia – ou, ia – ou‹; er wußte die Panther in der Nähe und glaubte, sich Hoffnung auf den Nachtisch machen zu dürfen. Er ist ein treuer, aber furchtsamer Begleiter der großen Räuber des Tierreiches