verlegt wurde;[284] Frankreich wurde der führende Mitgliedstaat und übernahm für ihren Sitz mit Sinn für Symbolpolitik den 1889 eingeweihten Kaiserpalast, ein Sinnbild der deutschen Verwaltung von Elsass-Lothringen, als Palais du Rhin.
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Olympische Spiele
Eine Schnittmenge zwischen internationaler, nationaler, privater und öffentlicher Verwaltung war der Sport, dessen öffentliche Bedeutung zunahm. An einer Schnittstelle saß als Innenstaatssekretär, Vorsitzender des „Reichsausschuss für Leibesübungen“ und Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees Theodor Lewald, dem es 1931 gelungen war, Berlin als Austragungsort für die Olympischen Sommerspiele im Jahr 1936 zu bestimmen; die von Lewald getragene Organisation der Spiele fand nach Ende der Weimarer Republik unter nationalsozialistischen Vorzeichen statt.[285]
I. Dogmatik und Wissenschaft
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Obrigkeitliche Verwaltung
Die berühmten Worte von Otto Mayer waren auch vom Wunsch nach Kontinuität getragen. Tatsächlich hat sich die Verwaltung ab 1918 als rechtsstaatliche Konstante erwiesen, die mit Arbeiter-und-Soldatenräten, aber nicht mit dem Kapp-Putsch zusammenarbeitete. Die „Verschiebungen der Dogmatik“[286] betrafen weniger den Wandel der Staatsform, sondern den grundsätzlichen Funktionswandel der Verwaltung, der sich bereits vor dem Krieg abgezeichnet hatte und durch diesen noch potenziert wurde; die Abkehr von der obrigkeitlich auftretenden, befehlenden und eingreifenden Verwaltung. Eine leistende Verwaltung war in der Dogmatik von Mayer ebenso wenig vorgesehen wie ein Verwaltungshandeln, das nicht von einer Unterordnung unter die Obrigkeit geprägt war. Dieses Bild hatte auch im Jahr 1914 die Realität der Verwaltung nur bedingt wiedergegeben. Einige vielversprechende junge Autoren des späten Kaiserreichs wie der von Gerhard Anschütz und Otto Mayer geprägte Karl Kormann[287] waren im Krieg gefallen oder in dessen Folge verstorben und fehlten damit in der Weimarer Republik. Das verwaltungsrechtliche Schrifttum knüpfte, bei Offenheit für neue Entwicklungen und ohne rückwärtsgewandte Nostalgie, an die Vorkriegszeit an.[288]
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Lehrbücher
Otto Mayers Schüler Walter Jellinek legte 1928 sein enzyklopädisches „Verwaltungsrecht“ vor.[289] Der zweite große Lehrbuchautor der Weimarer Republik, der in Göttingen lehrende 1926 verstorbene Julius Hatschek war politisch liberaler, arbeitete auch rechtsvergleichend[290] und stand, obwohl Österreicher, stärker in einer preußischen Tradition, für die auch Friedrich Giese, ein Bonner Schüler von Philipp Zorn, stand.[291] In der Nachfolge von Mayer, mit Akzentuierung aus schweizerischer Sicht, war der von 1906 bis 1915 in Tübingen und Heidelberg lehrende Fritz Fleiner.[292] Auch österreichische Autoren wurden rezipiert, insbesondere der Wiener Adolf Merkl,[293] der den Positivismus von Hans Kelsen weniger dogmatisch vertrat; der ältere Rudolf von Herrnritt[294] war von Otto Mayer beeinflusst.
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Weimarer Verwaltungsrecht
Insgesamt erwiesen sich die Schulen als wenig monolithisch; Otto Mayers Schüler Willibalt Apelt stellte mit der Lehre vom öffentlichen Vertrag[295] bereits 1920 Teile von dessen Dogmatik in Frage. Der vielleicht wichtigste Autor der Weimarer Republik war der von Mayer beeinflusste, als Breslauer Schüler von Siegfried Brie in einer „preußischen“ Tradition stehende gebürtige Schweizer Ottmar Bühler, der nicht nur im Steuerrecht[296] bis heute zu den wichtigsten Autoren zählt; auf die Weimarer Republik allein lässt er sich kaum festlegen. Er zählte zu den hellsichtigen Autoren, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine leistende Verwaltung in den Vordergrund stellten. Schüler des sehr konservativen Hans Helfritz war der insbesondere im Kommunal- und Polizeirecht hervorgetretene Katholik Hans Peters, der seine größte Bedeutung erst nach 1945 erreichen sollte;[297] seine Verwurzelung in einer preußischen Verwaltungstradition geriet dabei in Vergessenheit. Eine methodische „Kriegsfolge“ war ab 1918 der schärfere Blick auf die Haftung des Staates für seine Handlungen.[298] Auch die ungebrochen fortgesetzte Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Überprüfung des Ermessens knüpften an die Vorkriegsentwicklung an; 1928 behandelte die Staatsrechtslehrertagung in Wien „Überprüfung von Verwaltungsakten durch die ordentlichen Gerichte.“[299] Zukunftsweisend war der von Julius Hatschek in Göttingen und Friedrich Giese in Frankfurt geförderte Hans J. Wolff, insbesondere auch mit seiner Frankfurter Habilitationsschrift über „Organschaft und juristische Person.“[300] Eine neue Entwicklung, die ebenfalls nicht im Wandel der Staatsform ihre Ursache hatte, war die zunehmende Ausdifferenzierung des Faches, der Bedeutungsgewinn des besonderen Verwaltungsrechts. Typisch für die neuen Teildisziplinen war ein Überschneiden mit dem Zivilrecht, so im Steuer-, Sozial- oder Arbeitsrecht. Auch das Kommunalrecht erhielt eine neue Bedeutung, zum Teil im Austausch mit der Kommunalwissenschaft. Mit der öffentlichen Körperschaft setzte sich etwa der von Carl Schmitt und Fritz Marschall von Bieberstein geförderte Ernst Forsthoff,[301] mit deren erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit Arnold Köttgen[302] als Schüler von Otto Koellreutter auseinander. Auch wenn die Weimarer Republik im Rückblick eine für das Verwaltungsrecht besonders produktive Epoche war, darf ihre kurze Dauer nicht übersehen werden. Im Jahr 1919 waren selbst jüngste Vertreter der Disziplin ausnahmslos im Kaiserreich sozialisiert; dies galt auch für die älteren demokratischen Staats- und Verwaltungsrechtler Gerhard Anschütz und Fritz Stier-Somlo oder den Monarchisten Helfritz. Die erste Generation, die zeitlich ganz von „Weimar“ geprägt war, darunter Forsthoff, Hans-Peter Ipsen und Wolff, erlebte als „Berufsanfänger“ mit unterschiedlichen Konsequenzen 1933 das Ende der Weimarer Republik. Ipsens Lehrer, der noch im Kolonialrecht des Kaiserreichs sozialisierte Kurt Perels, wählte im September 1933 den Freitod;[303] er zählte zu den Vertretern des Verwaltungsrechts, für die es keinen Platz mehr geben durfte.
J. Verwaltung zwischen Revolution und Rezession
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Der neue Landrat
Zur preußischen Landtagswahl am 24. April 1932 ließ die SPD ein Plakat drucken, auf dem ein „altes“ und ein „neues Preußen“ in der Karikatur kontrastiert wurden. Die bunten Bilder waren von launigen Versen begleitet. Nach dem Gutsherren, der seine Befugnisse als Ortspolizei missbrauchte und dem Dreiklassenwahlrecht folgte eine Szene auf dem „Königlichen Landratsamt“:
„Im alten Preußen beim Landrat: „Sie Mann“ Er blickt einen durch das Monokel an‚ Wat wollen Se? – Lauter! Gott soll euch verdammen. Erst nehmen Sie mal die Knochen zusammen! Mit solchem Dreck kommt zu MIR Ihr hier her? Marsch – schert Euch hinüber zum Sekretär.‘“
Vor dem am Schreibtisch Weinflasche und Zigarre sitzenden arroganten Landrat, standesgemäß mit Monokel, Bratenrock und Stehkragen, standen drei Arbeiter in gebückter Haltung. Im „neuen Preußen“ war der Landrat ein nüchterner Beamter im gewöhnlichen Straßenanzug, der mit den drei Arbeitern an einem Tisch saß und auf Augenhöhe redete:
„Der neue Landrat kein Einglas trägt Auch sind seine Hände nicht wohlgepflegt. Doch kann man bei ihm sich gemütlich setzen Und wird belehrt nach Recht und Gesetze. Wollt wieder zitternd Ihr angeschnauzt sein Vom Junker-Hochmut? – Dreimal Nein!“[304]
Die SPD hatte aus der Defensive plakatiert; bei der folgenden Landtagswahl sollte sie lediglich 21,1 % gegenüber 29 % bei den Wahlen 1928 erhalten, die NSDAP mit 36,6 % dagegen mit Abstand stärkste Partei werden. Gemeinsam mit der KPD, die ihren Stimmenanteil auf 12,8 % geringfügig ausbauen konnte, hatten antidemokratische Parteien eine destruktive Mehrheit im preußischen Landtag erhalten. Die SPD hatte allen Grund, vor „Junker-Hochmut“ in Amtsstuben zu warnen, wenige Wochen später, nach dem „Preußenschlag“ am 20. Juli 1932, regierten konservative Staatskommissare Preußen.[305] Die Nationalsozialisten kamen auf dem Plakat nur am Rande vor; bei der Landtagswahl 1928 hatten sie nur 1,8 % erhalten. Das Plakat schien Otto Mayers berühmten Satz widerlegen zu wollen; der Wechsel der Verfassung hat Auswirkungen auf die Verwaltung. Um Mayer war es der SPD sicher nicht gegangen, in ihrem Bild von Verwaltung war sie diesem allerdings unfreiwillig