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Handbuch des Verwaltungsrechts


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im Bereich des „allgemeinen“ Verwaltungsrechts selbstverständlich sind, i. d. R. nur zeitlich versetzt übernommen werden und ein echter intradisziplinärer Diskurs allenfalls selten stattfindet.[156] § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, der den Bereich der Strafrechtspflege generell aus dem Anwendungsbereich des VwVfG herausnimmt und damit letztlich auf die besonderen Verfahrensregelungen der StPO und des OWiG verweist, verstärkt diesen Effekt noch.[157] Dies ist bedauerlich: Die für die Rechtswegfrage bedeutsame Trennung zwischen repressiver und präventiver polizeilicher Tätigkeit erscheint sachlich nicht durchgehend begründet, wie sich in den Unklarheiten hinsichtlich der Gesetzgebungszuständigkeit zur Regelung polizeilicher Maßnahmen zeigt, die beiden Zwecken dienen.[158]

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      Verwaltungsrecht und Zivilrechtspflege

      Entsprechendes gilt für die Justizverwaltung im Zivilrecht, deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG nur in den Anwendungsbereich des VwVfG fällt, soweit ihre Kontrolle den Verwaltungsgerichten unterliegt. Damit werden auch hier mit der Figur des Justizverwaltungsakts (§ 23 EGGVG) viele „an sich“ verwaltende Tätigkeiten der Justiz aus der verwaltungsrechtlichen Perspektive ausgeblendet. Von größerer Bedeutung ist jedoch, dass die „Verwaltungsgerichtszentriertheit“ der Verwaltungswissenschaft auch dazu führt, dass solche Bereiche des Verwaltungshandelns aus ihrem Blick geraten, für die aufgrund der Generalklausel des § 13 GVG oder kraft abdrängender Sonderzuweisung[159] die Zivilgerichte zuständig sind.[160] Insoweit wurde bereits darauf hingewiesen, welche Auswirkungen dies (wegen Art. 34 S. 3 GG) für das Staatshaftungsrecht[161] und für das Verwaltungshandeln in Privatrechtsform[162] hat. Zu betonen ist aber auch, dass so wichtige „Referenzgebiete“ für das allgemeine Verwaltungsrecht (z. B. das Enteignungsrecht, das Energierecht oder das Kartellverwaltungsrecht [§§ 54 ff. GWB]) letztlich aus dem Blick geraten.[163]

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      Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes

      Indirekte Auswirkungen hat die mit der Rechtswegspaltung verbundene Begrenzung der Perspektive der Verwaltungsrechtswissenschaft auf die Bereiche, die in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fallen, auch für die Durchdringung des Verwaltungsorganisations- und des öffentlichen Dienstrechts.[164] Die von Art. 33 Abs. 4 GG zugelassene Eingliederung aufgrund privatrechtlicher Arbeitsverträge tätiger Arbeitnehmer in die ansonsten vollständig öffentlich-rechtlich normierte Behördenorganisation führt zu einer wenig klaren Vermischung zwischen privatrechtlichem Individualarbeitsrecht und öffentlich-rechtlichem Verwaltungsorganisationsrecht[165] und damit auch zu unklaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen Verwaltungs- und Arbeitsgerichten. Dies zeigen deutlich die Existenz des öffentlich-rechtlichen Personalvertretungsrechts, die Tatsache, dass das Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers oftmals durch Verwaltungsvorschriften wahrgenommen wird und der Umstand, dass die Bestellung von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes zu bestimmten herausgehobenen Funktionen in der Behördenorganisation (z. B. als Behördenleiter oder zum Gleichstellungsbeauftragten) vielfach als öffentlich-rechtliche Bestellung qualifiziert wird.[166] Individualarbeitsrechtliche Sonderregelungen für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes (z. B. § 19 Arbeitszeitgesetz, § 20 Arbeitsschutzgesetz, § 14 Abs. 1 Nr. 7 Teilzeit- und Befristungsgesetz) treten ebenso hinzu wie die Schwierigkeiten bei der Abstimmung zwischen der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und der Arbeitsgerichte, wenn es um die aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleiteten Ansprüche auf Einstellung und Beförderung im öffentlichen Dienst geht.[167] Dies alles wird von der Verwaltungswissenschaft kaum behandelt. Sie ist im öffentlichen Dienstrecht allein auf das Beamtenrecht fokussiert und verweist in Bezug auf die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes vornehmlich auf die geltenden Tarifverträge.[168]

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      Bedeutung des Landes-Verwaltungsrechts

      Nach den Art. 70 ff. GG ist die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Verwaltungsrecht die Regel, eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Ausnahme. Dies entspricht jedenfalls insoweit auch dem tatsächlichen Bild, als die Verwaltungsorganisation (einschließlich des Landeshaushaltsrechts, des Landesbeamtenrechts, des Personalvertretungsrechts und der Regelungen der Zuständigkeiten für den Vollzug der Bundesgesetze), das Kommunalrecht, das Verwaltungsverfahrensrecht und die gesetzliche Regelung solcher Aufgaben der „allgemeinen“ Verwaltung betroffen sind, die für die „normale“ Bürgerin und den „normalen“ Bürger unabhängig von den von ihnen ausgeübten Berufen von Bedeutung sind: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Bauordnungsrecht, öffentliche Straßen und lokale Infrastrukturen[169] (und die hierfür zu zahlenden Abgaben), (Hochschul-)Bildung, Kultur- und Medienrecht. Mangels unmittelbarer Zugriffsmöglichkeiten des Bundesgesetzgebers auf diese Gebiete wäre es in diesen Bereichen im Grundsatz möglich gewesen, die Eigenständigkeit der Landesgesetzgebung und der Landesrechtsprechung (und damit der Eigenstaatlichkeit der Länder) dadurch zu unterstreichen, dass das gesamtstaatliche Anliegen einer „Vereinheitlichung der Rechtsprechung“ durch Bundesgerichte nicht auf die Anwendung des durch einfaches Bundesrecht nicht determinierten Landesrechts erstreckt wird.

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      Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Revisibilität von Landesrecht

      Im Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte stellte sich die Frage der Notwendigkeit einer länderübergreifenden Vereinheitlichung der Rechtsprechung zum Landesrecht durch Bundesgerichte ohnehin erstmals seit der von Art. 96 Abs. 1 GG a.F./Art. 95 Abs. 1 GG angeordneten Errichtung eines BVerwG.[170] Zuvor hatte es an einer Reichsgerichtsbarkeit gefehlt, die auf eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte der Länder (auch soweit es um die Auslegung von Reichsrecht ging) hätte hinwirken können.[171] Soweit die ordentlichen Gerichte Landes-Verwaltungsrecht anzuwenden hatten, ergab sich jedoch bereits aus der Ausweitung des revisiblen Rechts auf die Gesetze, deren „Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinauserstreckt“ (§ 511 Civilprozeßordnung i. d. F. von 1877/§ 545 ZPO i. d. F. bis zum Inkrafttreten des FGG-RG[172]), dass dem Reichsgericht die Aufgabe der Vereinheitlichung der Rechtsprechung z. B. auch in Bezug auf das preußische Recht, das gemeine Recht oder das linksrheinische Recht zukam. Hinzu trat damals schon die weitgehend das Landesrecht unitarisierende Wirkung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum Staatshaftungsrecht.[173] Dass Bundesgerichte zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung zum Landesrecht kraft bundesrechtlicher Anordnung zuständig sein konnten, war damit bei Schaffung des Grundgesetzes durchaus bekannt. Das BVerfG hat daher schon früh angenommen, der Bund sei auf Grundlage seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Gerichtsverfassung und des gerichtlichen Verfahrens (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) auch berechtigt, die Revisibilität von Landesrecht vor den Bundesgerichten anzuordnen.[174] Der auf Art. 99 Alt. 2 GG gestützten gegenteiligen Argumentation Bayerns, das Interesse des Bundes an Rechtseinheit könne das Interesse des Landes an rechtlichem Eigenleben dann nicht überwiegen, wenn der Bund mangels Gesetzgebungskompetenz das Interesse an Rechtseinheit durch die Gesetzgebung nicht verfolgen dürfe, war das BVerfG hier explizit nicht gefolgt.[175] Damit schloss sich das BVerfG der Sache nach der Argumentation von Christian-Friedrich Menger an, der in einer kurzen Urteilsanmerkung von 1959 der nur eingeschränkten Revisibilität von Landesrecht mit dem Argument entgegengetreten war, dies beruhe „auf der nachgerade etwas weltfremden Vorstellung“, dass das „Landesrecht eine selbstständige Rechtsordnung für sich sei, die sich nach eigenen Gesichtspunkten entwickelt habe und daher nur durch ‚landeseigene‘ Rechtsprechungsorgane eigenständig ausgelegt und entwickelt werden müsse.“ Jene „ganze Vorstellung von der Eigenständigkeit der Landesrechtsordnung“ sei jedoch „von den sozialen Gegebenheiten überholt“, weil jedenfalls im materiellen Verwaltungsrecht es dieselben Probleme seien, „welche durch die Landesgesetzgeber unter Verwendung ähnlicher Formulierungen durch ähnliche Regelungen geregelt würden, sodass nicht angenommen werden könne, dass sie sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln sollten.“[176] Später ergänzte Menger dies dahingehend, dass die Rechtsordnung „bei aller Differenziertheit ihrer Regelungen und bei aller Unterschiedlichkeit der Quellen, aus der sie gespeist“ werde, „doch ein in sich geschlossenes einheitliches Ganzes“ sei.[177]