Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


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      »Der – der Jule ist gestern noch im Garten gewesen. Vielleicht hat der die Pfirsiche genommen.«

      Das war zuviel für Pommerle. Soeben hatte Karoline bestätigt, daß Ida gestern abend Obst gegessen hatte, und jetzt kam der arme Jule noch in den Verdacht, ein Dieb zu sein.

      »Du sollst nicht lügen, du bist ein scheußliches, ein gräßliches Kind!«

      Pommerle war auf Ida eingedrungen und versetzte der Aufweinenden eine gehörige Tracht Prügel. Als Frau Bender dazwischentreten wollte, rief die Kleine erregt:

      »Laß, laß, Mutti, der Vati hat gesagt, schlechten Menschen tut 'ne Tracht Prügel gut. – Der Jule hat nichts genommen, – der Jule ist gar nicht im Garten gewesen. Du sollst nicht lügen, – du dummes Mädel aus dem Kellerloch! Geh nur bald wieder zurück in deinen Keller, dort kannst du den Leuten was vorlügen. – Da – – da haste noch eine! – So, und nu noch eine! Die Kerne hat sie in mein Zimmer geworfen. Dafür kriegste noch eine!«

      »Pommerle!«

      »Wer lügt, kriegt Prügel! – Der Jule hat die Pfirsiche nicht genommen!«

      Schließlich ließ Pommerle von ihrem Opfer ab. Die Tränen liefen ihm über die Wangen vor Erregung und Zorn, daß sein lieber Jule so schmählich verdächtigt worden war.

      »Geh in dein Zimmer, Pommerle, mit dir werde ich später reden.«

      »Mutti, – du brauchst mir nicht böse zu sein, daß ich die Ida gehauen habe. Es tut mir gar nicht leid! Die Grete Bauer hat auch mal Prügel gekriegt, weil sie log. Dann hat sie nicht mehr gelogen. – Pfui, du Pfirsichdieb!«

      »Geh hinaus, Pommerle!«

      »Mutti – –« es klang recht jämmerlich. Als aber Pommerle den mahnenden Blick der Mutter sah, schlich es in sein Zimmer. Neben ihm saß Schnapp. Der schaute das traurige kleine Mädchen gar treuherzig an. »Ja, ja, Schnapp, das Leben ist schwer. Da sollen wir uns bemühen, gut zu sein, und dann schmeißen sie uns die Pfirsichkerne ins Zimmer. – Schnapp, ich habe dich ja viel lieber als die Ida. Dich gebe ich nicht her, aber die Ida mag ruhig in vier Tagen heimfahren.«

      Ida bekam eine ernstliche Verweisung von Frau Bender. Sie weinte sehr und versprach sich zu bessern. Doch Frau Bender fürchtete, daß die guten Vorsätze nicht gerade ernst gemeint waren.

      Ida bekam Stubenarrest, Karoline durfte zwei Pfirsiche essen.

      »Ach, gnädige Frau«, meinte Anna, »ich kann es unserem Pommerle nicht verdenken, daß es der Ida Prügel versetzte. Ich war ja selbst recht ärgerlich auf das Kind.«

      »Trotzdem will ich Pommerle ermahnen, es muß sich besser beherrschen lernen.«

      In Pommerles Zimmer saß die Kleine, den geliebten Hund auf dem Schoß, als die Mutter eintrat.

      »Ich weiß schon, liebe Mutti, was du meinst. Aber ich hatte doch so 'ne Wut im Leibe! Sei nicht böse. Dem guten Jule hat sie doch auch was angehängt. – Mutti, wenn du furchtbar böse auf mich bist, dann denk' doch dran, was der Bürgermeister von mir gesagt hat: Ich bin wie ein leuchtendes Beispiel.«

      »Aber heute nicht, Pommerle.«

      »Mutti, dann will ich mir Mühe geben, an einem anderen Tage wieder zu leuchten. Weißt du, du hast auch einmal zum Vati gesagt, du hättest an einem Tag so eine schlechte Stimmung. Die habe ich heute gehabt, – die hab' ich von dir gekriegt. Wenn die Ida erst wieder fort ist, leuchte ich noch viel heller als vorher.«

      Da konnte Frau Bender nichts anderes tun, als ihr reuevolles Mädchen ans Herz zu nehmen und ihm einen verzeihenden Kuß auf die Lippen zu drücken.

      Der Tag der Abreise der beiden Breslauerinnen rückte immer näher.

      »Dich möchte ich noch hierbehalten, Karoline, aber die Ida kann wegfahren.«

      Es kam aber ganz anders, als Pommerle wünschte. Die wohlverdienten Prügel, die die ältere der beiden Schwestern von Pommerle erhalten hatte, hatten nur den einen Erfolg gehabt, daß Ida aufs neue sann, wie sie Hanna ärgern könnte. Noch vor der Heimreise wollte sie ihr einen Streich spielen. Ida wußte, daß Pommerle an jedem Morgen und jedem Abend in die Kommodenschublade schaute, einen Stein herausnahm und ihn von allen Seiten betrachtete. Sie hörte von der Schwester, daß dieser Stein ein Geschenk des mächtigen Rübezahl sein sollte und fragte Pommerle darüber aus.

      »Es war gar kein Rübezahl«, meinte die Kleine, »doch der Jule meint, es könnte mal sein, daß aus einem Stein Gold würde. Weil es der Mann nun gesagt hat, so guck' ich halt an jedem Tage mal nach, ob er vielleicht doch Gold geworden ist. Er blinkert schon ein bißchen. Guck' mal her!«

      Ida lachte Pommerle aus, doch Hanna nahm es nicht weiter übel. Die Mutti hatte ja selbst gesagt, daß sich dieser Stein niemals in Gold verwandeln werde. Trotzdem wollte sie ihn gut verwahren.

      Am Tage vor der Abreise der Kinder bemerkte Pommerle plötzlich, daß sein Rübezahlstein fehlte. Schon eine Stunde später sah sie ihn in Idas Händen.

      Nicht um ihn zu stehlen, nur um Pommerle zu ärgern, hatte Ida den Stein an sich genommen, warf ihn in die Luft, fing ihn auf und rief Pommerle übermütig zu:

      »Er wird ja doch nicht zu Gold, doch ich behalte ihn!«

      »Der Rübezahl hat mir den Stein geschenkt, er ist mein Eigentum. Gib ihn mir!«

      Ida stürmte in den Garten, Pommerle lief der Flüchtigen nach. Da schwang sich Ida leichtfüßig auf die Schaukel, setzte sie in Bewegung, so daß Pommerle ihr nicht nahekommen konnte.

      »Hole dir doch den Stein! – So komm doch!«

      Die Schaukel schwang immer heftiger, da – ein Schrei, – im nächsten Augenblick sah Pommerle Ida stürzen. Regungslos blieb das Kind liegen.

      Die Kleine eilte ins Haus, rief nach der Mutter, nach Anna, die sofort kamen, um die bewußtlose Ida aufzuheben und ins Haus zu tragen. Das Mädchen war beim Sturz von der Schaukel auf die Gartenbank geschlagen und hatte sich am Kopf anscheinend schwer verletzt. Über das Gesicht sickerte Blut.

      »Laufen Sie rasch zum Arzt, Anna, er soll sofort kommen«, ordnete Frau Bender an. Pommerle stand schreckensbleich neben der Bewußtlosen. Vergessen war aller Grimm, den es gegen Ida im Herzen hegte, nur unendliches Mitleid mit der Blassen griff im Herzen des Kindes Platz.

      »Nun kann sie morgen nicht heimfahren«, weinte Karoline.

      »Wein' mal nicht gar so sehr«, meinte Pommerle und legte zärtlich den Arm um die Jüngere, »wir werden sie gut pflegen. Ich habe meinen Schnapp auch gepflegt und auch den kleinen Sperling. Sie sind beide wieder gesund geworden. Die Mutti kann so schön gesundmachen. Wir geben Ida Schokolade, und ich erzähle ihr schöne Geschichten. Dann wird die Ida bald wieder besser.«

      Der Arzt kam und stellte einen Beinbruch und eine Gehirnerschütterung fest. An eine Reise nach Breslau war nicht zu denken.

      »Wir behalten Ida natürlich so lange hier, bis sie ohne jede Gefahr die Heimreise antreten kann«, meinte Frau Bender.

      »Das kann Wochen dauern.«

      »Es macht nichts. Vielleicht ist es für das Mädchen gut, wenn es noch länger in unserem Hause bleibt.«

      Pommerle und Karoline erhielten den Befehl, im Hause sehr leise zu sein, denn Ida sei schwer erkrankt.

      »Es ist gewiß recht traurig«, meinte Pommerle leise zu Karoline, »doch wenn sie mir den Stein nicht fortgenommen hätte, wäre sie nicht auf die Schaukel gestiegen und nicht heruntergefallen.«

      »Und ich habe ihr heute früh gesagt, wenn sie soviel lügt, wird sie der liebe Gott eines Tages sehr strafen.«

      Sinnend blickte Pommerle vor sich hin. Es erinnerte sich an den Spielgefährten in Neuendorf, der auch log. Ihn hatte die Strafe ereilt. Wahrscheinlich war der liebe Gott auch auf Ida böse geworden und hatte sie von der Schaukel fallen lassen.

      Nach eifrigem Suchen wurde auch im Garten der Rübezahlstein