Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


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ließ. Außerdem war es kaum denkbar, daß Schnapp und die Flora zusammen gerauft hatten. Wie oft schon hatte der liebe kleine Hund neben der Puppe gesessen und sie behütet!

      »Ich glaub' dir nicht. – Du hast neulich auch gesagt, daß die Anna das Schiff zerbrochen hat. Die Anna hat es aber gesehen, daß du es warst. – Du lügst!«

      »Hab' dich nicht so wegen der dummen Puppe. Meine Puppe hat überhaupt keine Arme mehr, und ich spiele doch mit ihr.«

      »Deine Mutter kann den Puppenarm wieder anmachen«, meinte jetzt Karoline. »Wir haben mit der Puppe gespielt, dabei ist der Arm losgegangen.«

      »Wenn man etwas in Händen hat, was einem anderen Menschen gehört, muß man ganz besonders vorsichtig sein, sagt der Vati. Und daß du lügst, – das ist besonders schlimm. Mädchen, die lügen, mag keiner leiden.«

      »Ich habe nicht gelogen.«

      »Ja, du hast sogar schon oft gelogen. Der Jule sollte dir den Stein vom Rübezahl geben. Jedesmal, wenn du lügst, fliegt dir dann der Stein ins Gesicht. Aber – das schadet dir gar nichts! Wer lügt, muß bestraft werden.«

      Ida hielt sich beide Hände an die Ohren und begann ein Lied zu singen. Dabei wanderte sie im Garten umher. An den Johannisbeersträuchern machte sie halt und steckte einige Beeren in den Mund. Karoline dagegen versuchte Pommerle zu besänftigen.

      »Mit dir spiele ich gern«, meinte Pommerle, »denn du bist nicht so, aber die Ida muß sich bessern. Ich kann kein Kind leiden, das lügt.«

      Zwischen den beiden Mädchen war der Frieden bald wieder hergestellt, und erneut begann man zu spielen. Pommerle schlug vor, es wolle die Lehrerin sein, Karoline, Flora und Schnapp wären die Schüler. Über Schnapp hatte man seine helle Freude. Jedesmal, wenn er von der Lehrerin gefragt wurde, setzte er sich auf die Hinterbeine und bellte freudig. So tönte aus der Laube lautes Lachen, das schließlich auch Ida herbeirief.

      »Ich will mitspielen.«

      »Ja«, sagte Pommerle mit blitzenden Augen. »Ich bin die Lehrerin, und jetzt haben wir Schule.«

      Ida mußte sich als letzte setzen, dann hielt Pommerle einen Vortrag über die Ostsee, über Schweden und das Riesengebirge.

      »Schnapp, jetzt sage mir, welche Farbe hat die Ostsee?«

      »Wau, wau!« bellte der Hund.

      »Ach, du süßes Tierchen, du kommst Erster. ›Blau‹ hat er gesagt, ›blau, blau!‹ Du bist das klügste Hündchen auf der ganzen Welt! Paßt auf, er weiß noch mehr. – Schnapp, sage mir, wie macht es der liebe Gott, wenn er böse ist?«

      Nach diesen Worten krabbelte Pommerle dem Hund vorsichtig mit den Fingerchen auf der Nase herum, und sogleich begann Schnapp düster und grollend zu knurren.

      »Hört ihr«, jauchzte Pommerle, »wie es donnert! – Ach, Schnapp, du lieber Schnapp, du bist immer ein sehr kluger Hund gewesen. Denkt nur, er hat vom Hausboden, als die Katzenmutter weggefangen worden war, die kleinen Kätzchen zu sich ins Körbchen getragen und wie eine gute Mutter gepflegt.«

      »Ich werde ihm mal auf den Schwanz treten, was er dann sagt.«

      Pommerle schaute Karoline grimmig an, dann sagte es: »So, ich bin eure Lehrerin, da will ich dir gleich mal einen Vers vorsagen, den du bis zur nächsten Stunde auswendig wissen mußt. Paß gut auf: Keinem Tierchen tu' ein Leid, sieh, in seinem schlichten Kleid hat's doch Gott im Himmel gern. – Ein schlichtes Kleid hat mein Schnapp freilich nicht, er hat ein schönes Kleid. Aber den Vers lernst du bis morgen.«

      »Und was soll ich lernen?« rief Ida. »Ich komme gar nicht dran.«

      »Du?« sagte Pommerle. »Für dich weiß ich auch ein Gedicht, das schreibe ich dir sogar auf. Das kannst du dir übers Bett hängen. Paß auf!«

      »Na los, so sage doch dein Gedicht.«

      Pommerle richtete die blauen Augen fest auf Ida und begann eindringlich und langsam:

      »Vor allem eins, mein Kind, sei treu und wahr,

       Laß nie die Lüge deinen Mund entweihn!

       Von alters her im deutschen Volke war

       Der höchste Ruhm, getreu und wahr zu sein.

      Leicht schleicht die Lüge sich ans Herz heran,

       Zuerst ein Zwerg, ein Riese hintennach,

       Doch dein Gewissen zeigt den Feind dir an,

       Und eine Stimme ruft in dir: Sei wach!«

      Pommerle hatte die beiden letzten Worte so laut gerufen, daß Schnapp laut zu bellen begann.

      »Da hast du es, er meint auch, du sollst wach sein. Das Gedicht kannst du dir merken! Wir wollen alle den höchsten Ruhm haben, und wenn du ein deutsches Kind sein willst, mußt du getreu und wahr sein. Du wohnst in Breslau, du bist also auch deutsch, und ob man in einem Kellerloch oder in einem hübschen Haus mit Garten oder gar in einem goldenen Schloß lebt, es ist alles einerlei. Lügen dürfen alle nicht. Und wenn du noch mal lügst, – dann – dann – na, dann werde ich mir auch schon Rat wissen.«

      Ida war ein wenig verlegen geworden. Sie griff ins grüne Rankenwerk der Laube und riß ein Blatt nach dem anderen ab.

      Pommerle schlug die Hände zusammen. »Nu machst du schon wieder dummes Zeug. Denkst du, in den Blättern und Blüten ist kein Leben? So was kommt doch auch aus der Erde heraus, wächst, wird immer größer. Das sind doch alles Blumenkinder, die man nicht entzwei machen darf. Es tut ihnen doch auch weh!«

      Ida ließ ein spöttisches Lachen hören.

      »Wenn ihr immer in einem schönen grünen Garten lebtet und nicht in einem finsteren Kellerloch, wo es häßliche Schnecken gibt, würdet ihr sehen, wie das alles aus der Erde herausgekrochen kommt. Alle kleinen Pflänzchen wachen im Frühling aus ihrem langen Schlaf auf und gucken die Sonne an. – Sie freuen sich dann, daß sie nun wieder groß und kräftig werden dürfen, aber – wenn ihr dann kommt und darauf tretet, wie du das gemacht hast, Ida, ist das genau so, als wenn einem Menschen ein großer Ziegelstein auf den Kopf fällt, und er muß sterben. Das tut sehr weh. Aber ich glaube, ihr wißt das noch nicht, daß die kleinen Blümchen alle leben. Nun werdet ihr sicher kein Pflänzchen mehr zertreten, weil ihr nun wißt, daß in allen frisches Leben ist.«

      »Du kannst so schön erzählen, Hanna. Ich werde kein Blümchen mehr absichtlich zertreten.«

      »Hahaha«, lachte Ida laut, »als ob so 'ne Blume merkt, wenn ich sie abreiße. Es gibt ja genug davon, und deine Mutter hat auch Blumen abgeschnitten und in 'nen Topf gestellt.«

      »In dem Topf werden sie auch gepflegt. Die Blumen freuen sich, wenn sie durch ihre Schönheit den Menschen Freude bereiten können. Ich habe auch schon Blumen abschneiden dürfen und zu Leuten getragen. Aber dann trauern die Blümchen nicht, dann sind sie froh, daß sie glücklich machen können.«

      Karoline schaute voller Andacht auf Pommerle. Alles, was die Kleine sagte, war ihr neu. Noch niemals hatte ihr jemand so schöne Dinge von den Blumen erzählt.

      »Aber das Obst dürfen wir doch abreißen und essen.«

      »Ja«, sagte Pommerle, »das ist ja auch nur das, was uns die Sträucher schenken. Das ist so, als wenn wir unseren Eltern 'ne Handarbeit machen. Der Baum und der Strauch meint: Ihr habt uns soviel Gutes getan, nun müssen wir euch dafür etwas geben. Dann kriegt er Beeren und Früchte, die die Menschen essen können. Dann freut sich der Baum, wenn es uns schmeckt.«

      »Warum dürfen wir denn dann nicht vom Pfirsichbaum essen?«

      »Weil es die Mutti verboten hat.«

      »Ich hab' noch nie einen Pfirsich gegessen, und ich möchte so gern einen Pfirsich essen.«

      »Du kannst Johannisbeeren, Kirschen und Erdbeeren essen.«

      »Wenn ich mir aber doch einen Pfirsich nehme?«

      »Dann bist du ein elender Dieb! Du hast im Garten so viel