Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


Скачать книгу

      »Das war ein sehr guter Herr, kleines Pommerle, ein lieber Mann, der dir Hilfe brachte.«

      »Ich will auch immer gut sein zu kleinen Mädchen, die sich verlaufen.«

      »Man muß zu allen Menschen gut sein, mein Kind. Es gibt so viele Arme und Kranke, die keine Freude auf der Erde haben. Man muß immer versuchen, den Menschen Freude zu bereiten und ihnen Gutes zu erweisen.«

      »Allen Menschen, Tante?«

      »Allen denen, die Hilfe von uns haben wollen. Der liebe Gott hat alle die gern, die ein warmes Herz haben und die den Armen gerne etwas abgeben.«

      »O Tante, dann will ich den Armen immer etwas geben.«

      »Ja, Pommerle, das mußt du tun.«

      »Hat der liebe Gott den Rübezahl auch zu mir geschickt?«

      »Ja, kleines Pommerle, auch das hat er getan. Und dafür mußt du ihm von ganzem Herzen danken und immer ein liebes und frommes Kind bleiben.«

      Frau Bender befühlte die Stirn der Kleinen. Sie war wohl ein wenig heiß, aber eine Krankheit schien nicht im Anzuge zu sein. So war es wohl das beste, wenn man möglichst rasch einen Zug nach Hirschberg benutzte, um noch vor Abend in der eigenen Wohnung zu sein.

      Nun erschien auch der Professor. Pommerle umarmte den Onkel stürmisch und versprach fest, niemals wieder fortzulaufen.

      »Zur Strafe für deine Unart, mein liebes Kind, bleiben wir nicht länger hier. Noch heute geht es wieder heim.«

      Pommerle nickte dazu. »Ja, weil wir beide unartig waren, müssen wir unsere Strafe haben. So ist es ganz richtig. – – Wo ist denn Jule?«

      »Der Schlingel!« rief der Professor.

      »Schilt ihn nicht,« bat Frau Bender, »die Stecknadeln hatten Schuld an allem.«

      »Was denn für Stecknadeln?«

      »Mit denen er sich den Riß im Hosenboden zusammengesteckt hatte und die ihn bei der kleinsten Bewegung empfindlich stachen.«

      Professor Bender brach in lautes Lachen aus, und damit war sein Groll gegen den Knaben verschwunden.

      Jule aber saß artig über seinem Buche, er las zwar nicht, starrte aber unentwegt hinein. Daß er es jetzt verkehrt in der Hand hielt, merkte er nicht einmal. Und als jetzt der Professor das Zimmer betrat, steckte er seine Nase noch tiefer in das Buch.

      Bender sah auf den ersten Blick, daß der Knabe das Buch verkehrt in den Händen hielt.

      »Was machst du denn da?«

      »Ich soll lesen.«

      Bender beugte sich tief über das Buch und sagte: »Hält man das Buch beim Lesen verkehrt herum?«

      Das bemerkte Jule jetzt erst. Rasch packte er das Buch, wollte es umwenden, schlug aber dabei den Professor ins Gesicht, daß diesem die Brille von der Nase fiel.

      »Bengel!«

      Jule war aufgesprungen, mit schlotternden Knien stand er vor dem Professor. »Ich kann nichts dafür,« rief er klagend, »alles ist verhext, der Rübezahl hat mich behext, er will mich ärgern, – ich kann wirklich nichts dafür!«

      »Heb' mir wenigstens die Brille auf und gib sie mir.«

      Mit einem Satze sprang der Knabe auf die Brille zu. Er war etwas zu weit gesprungen, die Brille kam unter seinen Fuß, und er zertrat das eine Glas.

      »Ich bin behext, – der Rübezahl ist schuld!«

      Der Professor wollte erneut ärgerlich werden, aber als er die Tränen in den Augen des Knaben sah, legte sich sein Groll.

      »Du bist erregt, Jule!,« sagte er ernst, »du mußt erst wieder ruhig werden, wenn man gar zu sehr umherzappelt, passiert nur immer mehr Unglück.«

      »Der Rübezahl sitzt in mir.«

      »Unsinn, Junge, wie kann ein so großer Bursche noch an den Rübezahl glauben!«

      »Ja freilich, der Rübezahl ist böse auf mich, weil ich auf ihn geschimpft habe. Er hat mir den Hosenboden zerrissen, er hat den Napf zerschlagen und jetzt auch die Brille zertreten.«

      »Jetzt packe dein Köfferchen zusammen, mit dem Fünfuhr-Zuge fahren wir heim.«

      Schweigend kam der Knabe diesem Befehle nach.Viel hatte er ja nicht zusammenzupacken. So war die Arbeit sehr bald getan, und nun ging er hinüber ins Schlafzimmer der Familie Bender, um sich dort nützlich zu machen. Der Professor saß mit seiner Frau und Pommerle im Nebenzimmer, so konnte er ungestört arbeiten. Er packte alles in die Rucksäcke, stopfte und stopfte, denn der große Mantel des Professors nahm viel Platz weg. Aber endlich war die Arbeit geschehen, und strahlend ging Jule hinein zu den anderen.

      Dort saß man noch ein Stündchen zusammen. Dann trank man gemeinsam Kaffee, zu dem es wunderschönen Kuchen gab. Endlich erklärte Professor Bender, daß man sich nun reisefertig mache, der Omnibus fahre in einer Viertelstunde zum Bahnhof.

      Während sich Bender und seine Frau ins Schlafzimmer begaben, war Jule mit Pommerle allein. Das kleine Mädchen schaute durch das geöffnete Fenster nochmals zu den Bergen empor.

      »Du, Jule, ist das da der hohe Berg, auf dem wir waren, – die Schneekoppe?«

      »Freilich!«

      »So hoch hinauf bin ich gegangen?«

      »Ja.«

      »Aber schön war es doch nicht, Jule, ich habe mich furchtbar geängstigt.«

      Der Knabe trat hinter Pommerle, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Bist du mir sehr böse, Pommerle?«

      Die Kleine schüttelte den Kopf.

      »Nein, ich bin dir doch gar nicht böse.«

      »Weil ich dich allein gelassen habe, – ich mach's aber nie wieder, nie! Und wenn man mir hundert Mark gibt, bleibe ich bei dir.«

      »Das ist fein, Jule, du mußt immer bei mir sein.«

      »Ich will dir auch noch etwas schenken, weil du so große Angst hattest.«

      Er griff in die Tasche und holte das Zweimarkstück heraus.

      »Das schenke ich dir.«

      Mit strahlendem Lächeln nahm Pommerle das Geldstück. Jule stand daneben und blickte traurig drein, als das kleine Mädchen das Silberstück in der kleinen Börse verschwinden ließ.

      »Nun hast du einen Taler und zwei Mark,« sagte er gedehnt, »ich habe nichts. Du hast gesagt, daß du mir den Taler schenken würdest, wenn ich mit dir auf die Schneekoppe ginge. Du bist aber allein hinaufgegangen, und da habe ich kein Recht auf deinen Taler.«

      Pommerle schaute den Spielgefährten an. »Wir wollen die Tante fragen.«

      »Laß nur,« sagte Jule, »ich weiß ganz allein, daß mit der Taler nicht zukommt. Ich meinte ja nur, daß du jetzt einen Taler und zwei Mark hast, und ich gar nichts.«

      Aber Pommerle fragte von neuem:

      »Soll ich dir deine zwei Mark wieder zurückgeben, Jule, damit du auch wieder etwas hast?«

      »Nein,« erwiderte der Knabe, »ich habe nun mal gesagt, daß ich dir die zwei Mark geben will. – Du hast zwar auch gesagt, daß du mir den Taler geben willst, aber das scheint mir etwas anderes zu sein.«

      »So nimm den Taler.«

      Jule legte beide Hände auf den Rücken und schüttelte energisch den Kopf.

      »Ich möchte ihn schon haben, aber ich nehme ihn nicht. Ich habe dich allein laufen lassen, und du hast große Angst gehabt.«

      Da steckte Pommerle beide Geldstücke in die Börse und knipste sie zu.

      »Eigentlich habe ich ja auch Angst gehabt,« fuhr Jule fort, »und was für welche. Die Hosen habe ich mir zerrissen