Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


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das stelle ich mir alles vor. Man hat uns vieles gezeigt, wir haben es befühlen dürfen, und daher würde ich mich in der Welt zurechtfinden.«

      »Wenn es doch immer schwarz vor deinen Augen ist, so kannst du dich doch nicht an der Sonne und den Sternen erfreuen. – Oder – siehst du doch ein bißchen von der Sonne?«

      »Von der Sonne, die du siehst, sehe ich freilich nichts, Pommerle, trotzdem ist es nicht dunkel vor meinen Augen – und auch nicht dunkel in meinem Herzen. Ich weiß nicht, ob du das schon verstehst, kleines Mädchen. Wir Blinden, wir fangen uns die Sonne ein, die behalten wir dann im Herzen, und der Mensch, der Sonne im Herzen hat, für den kann die Welt nicht öde und traurig sein. Wir finden immer etwas, worüber wir uns freuen, wir sind dem Himmel dankbar, daß wir noch so viel Schönes genießen und in uns aufnehmen können.«

      »Wenn du nun die Sonne im Herzen hast, Sabine, dann hast du wohl immer Freude?«

      »Ja, Pommerle, ich weiß, daß ich blind bin, daß ich es immer bleiben werde. Wenn mir nun auch dieser eine Sinn fehlt, nutze ich die anderen doppelt aus.«

      Die beiden standen vor dem Hause. Sabine öffnete die Tür.

      »Komm, wir gehen nun zur Mutter.«

      »Eine Mutter hast du noch«, sagte Pommerle, »da hast du sehr viel. Der arme Jule hat keine mehr – und ich auch nicht. Mein Vater ist ertrunken. – Du hast auch noch einen Vater. – O ja, du hast noch viel Sonne im Herzen.«

      Wieder kam eine Schwelle. Eben wollte Pommerle laut aufschreien, um Sabine zu warnen, da war das junge Mädchen schon darüber hinweggestiegen, ging ohne Zögern den Flur entlang, hin zu einer Tür.

      Das alles begriff Pommerle nicht. Es mußte wohl mit der Sonne im Herzen zusammenhängen, die so hell herausleuchtete, daß Sabine immer alles fand – die Tür, die Klinke, daß sie die Schwelle sah und nicht an den Haufen Bretter stieß.

      Im Zimmer gab es wieder viel neue Überraschungen. Sabine schob dem Pommerle einen Stuhl hin und wollte davongehen, um die Mutter zu rufen.

      »Inzwischen kannst du dir einmal die kleinen Körbchen ansehen, die ich gearbeitet habe.«

      Was war das für ein feines Rohrgeflecht! Körbchen mit blauem und rotem Rand; sogar Muster waren hineingeflochten. Und alles das hatte eine Blinde gearbeitet.

      Sabine war längst hinausgegangen, und Pommerle schaute noch immer fassungslos aus die hübschen Arbeiten. Da kam Sabine schon wieder zurück ins Zimmer und mit ihr die Meisterin. Das erste war, daß sich Pommerles Augen in die der freundlichen Frau bohrten. Wie kam es nur, daß ein Vater und eine Mutter sehen konnten und doch ein Kind hatten, das blind war.

      Freundlich sprach die Meisterin mit Pommerle. Die Kleine wagte kaum zu antworten. Solange sie neben Sabine saß, fühlte sie sich verwirrt. Alles, was die Blinde sagte, erschien Pommerle ganz anders. Wenn Sabine erzählte, daß sie kürzlich eine hübsche Geschichte gelesen habe, daß sie demnächst auch durchs Hirschberger Tal wandern wollte, klang es Pommerle wie ein Märchen.

      »Und wenn du nun mal zu einem Doktor gehst, kann der dich denn nicht gesund machen?«

      »Ich bin doch gesund, Pommerle.«

      »Aber du kannst doch nicht sehen!«

      »Da kann mir auch der Doktor nicht helfen.«

      »Wenn du aber groß bist, kannst du dann auch noch nicht sehen?«

      »Nein, niemals mehr.«

      »Auch dann nicht, wenn du ganz alt bist?«

      »Nein, Pommerle.«

      Aus Pommerles Augen fielen Tränen. Sabine sprang auf und legte den Arm um das erschütterte Kind.

      »Liebes Pommerle, warum weinst du?«

      »Weil – weil – du nie mehr sehen kannst!«

      »Du gutes, liebes Mädchen. Aber darüber brauchst du wirklich nicht zu weinen. Glaube mir, Pommerle, ich bin trotzdem so glücklich wie du. Das hat das Schicksal schon so eingerichtet. Ich brauche auch gar nicht traurig zu sein, ich fühle mich wirklich recht zufrieden. Von innen heraus kommt so viel Fröhlichkeit, so viel Glück, daß ich meine Blindheit ganz und gar vergesse. Ich kann ja noch einiges arbeiten, und wenn ich erst länger im Hause bin, dann werde ich auch der Mutter fleißig helfen, ganz gewiß! Ich werde kochen und plätten und wirtschaften. Das kann ich alles, Pommerle. – Warum sollte ich also traurig sein?«

      »Wenn du doch aber nicht siehst, daß die Veilchen blau blühen, und daß der Schnee so schön weiß ist und das Meer so schön blau, und die vielen, vielen Wolken darüber.«

      »Ich sehe es auch, Pommerle, ich sehe das alles mit meinen blinden Augen. Vielleicht ein wenig anders als du, aber ich sehe es mit meinem Herzen.«

      Langsam trocknete Pommerle seine Tränen. In diese neue Welt mußte es sich erst hineinfinden. Nochmals betrachtete es staunend all die hübschen Körbchen, hörte von den vielen Handarbeiten, die die Blinden anfertigten. Dann kam Professor Bender und mahnte zum Aufbruch.

      »Onkel, darf die Sabine auch mal zu uns kommen? Wenn sie doch sehen kann, will ich ihr meine Puppen und den Gummifrosch zeigen.«

      »Aber natürlich darf die Sabine kommen. – Wie wäre es, wenn du sie am nächsten Sonntag abholtest? Und der Jule kommt auch mit?«

      »Kommst du?« fragte das Kind unsicher.

      »Natürlich komme ich gern zu dir.«

      »Ich werde dich abholen. Dann trinkst du bei uns Kaffee. Du darfst auch allen meinen Kuchen essen. Und ich schenke dir – ich schenke dir – ganz was Schönes. Dir – schenke ich es jetzt gern.«

      »So, mein Pommerle, nun verabschiede dich, und dann komm.«

      »Darf ich noch schnell mal zum Jule gehen?«

      »Freilich, aber halte den Jule nicht lange auf. Ich warte auf dich.«

      Leise und behutsam drückte Pommerle der blinden Sabine die Hand. Diese Hand war für das Kind etwas ganz Wundersames geworden. Mit dieser Hand konnte Sabine alles erfühlen, was sie nicht sehen konnte.

      Pommerle lief nach der Werkstatt. Da stand der Jule.

      »Jule«, sagte das Kind, heiser vor innerer Erregung, »sieh dir mal alles recht genau an. Es könnte doch auch mal sein, daß du blind wirst. Dann ist es schwarz vor dir. – Du mußt dir auch die Sonne einfangen, ins Herz hinein einfangen, damit es niemals vor dir dunkel wird. Jule, es drückt mich so am Herzen. Aber sie ist nicht traurig, sie sagt, sie kann sehen, nur anders.«

      »Sehen kann sie nun nicht, aber ich habe mir schon gedacht, der Rübezahl hat doch eine Wurzel, mit der kann er Tote wieder lebendig machen. Vielleicht kommt er mal und hält der Sabine die Wurzel an die Augen. Dann kann sie wieder sehen.«

      »Jule, du bist dumm! Der Rübezahl ist eine Sage. Sie hat gesagt, sie kann nie mehr sehen, und wenn sie so alt wird wie eine Großmutter.«

      »Vielleicht kommt er doch mal mit der Wurzel.«

      »Am Sonntag kommt ihr zu uns. Die Sabine auch. Oh, wir wollen sehr lieb zu ihr sein.«

      Daheim angekommen, ging Pommerle in sein Stübchen. Auf dem Tisch lagen die drei Blätter, voll beschrieben mit den Wünschen.

      »Ich bin reich – ich bin glücklich«, sagte das Kind. »Ich will zufrieden sein, ich will nichts haben. Ich will meine hellen Augen behalten. Ich kann die schöne, große Welt sehen, ich will keinen Roller, ich will auch keine Puppe. Ich will der Sabine lieber etwas ganz Schönes schenken.«

      Energisch riß Pommerle seinen Wunschzettel durch. Nach einer Weile nahm es ein neues Blatt Papier zu Hand, überlegte zuerst ein Weilchen, dann setzte es zögernd die Feder an.

      »Ich wünsche mir, daß ich der Sabine eine große Freude machen darf, und dann möchte ich noch einen ganz kleinen Roller, um durch die schöne Welt zu fahren, die ich sehen kann. Und wenn ich noch um etwas bitten dürfte, ich möchte auch