Heidi Cullinan

Winterfunke


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Bemerkung traf ihn. »Nein, tu ich nicht.« Er seufzte. »Ich bin nicht sehr gesellig. Es ist nichts Persönliches gegen Sie oder jemand anderen.«

      »Niemand kann so ungesellig sein.« Sie lächelte und tätschelte seinen Arm. »Kommen Sie zum Abendessen bei uns vorbei. Schließlich müssen Sie etwas essen.«

      Gabriel wusste, dass ein Abendessen bei ihr zu Hause in jedem Fall niemand Geringeres als Arthur Anderson beinhalten würde. »Vielleicht ein andermal.«

      Er war überrascht, wie schnell sie seine Absage akzeptierte, und war deswegen die restliche Woche über besonders auf der Hut, da er einen weiteren Angriff erwartete. Der kam letztendlich auch, jedoch aus einer völlig anderen Richtung, sodass er sich nicht sicher war, was er damit anfangen sollte. »Sie wollen… eine Schlittenfahrt-Benefizveranstaltung ausrichten?«

      Corrina strahlte. »Ja, das will ich. Alle sind so aufgeregt. Oh, das wird ganz großartig. Altmodische Schlittenfahrten die Main Street hoch und runter. Es war der Schlitten meines Vaters. Als er aus dem Zweiten Weltkrieg nach Hause gekommen ist, hat er ihn bei einer Haushaltsauflösung gekauft und repariert. Und dann hat er ihn jedes Weihnachten hervorgeholt und uns Fahrten wie in den guten alten Zeiten beschert. Der Schlitten muss ein wenig aufpoliert werden, bevor wir ihn benutzen können, aber ich dachte, dass ein wenig Nostalgie genau das ist, was wir jetzt brauchen können, da das Sägewerk geschlossen wurde und der Winter so früh kommt. Wir könnten auch mehr als nur Fahrten anbieten. Vielleicht können wir danach eine Feier ausrichten.«

      »Das klingt… toll.« Gabriel versuchte immer noch, den Haken an der Sache zu finden. Bei Corrina würde es auf jeden Fall einen geben. »Bitten Sie mich gerade, das Fest zu organisieren?«

      »Himmel, nein. Darum werde ich mich kümmern. Ich wollte Sie nur über unsere Pläne in Kenntnis setzen. Hoffentlich bekommen wir genug Geld zusammen, damit wir Ihr Gehalt bezahlen können, falls wir die Fördergelder nicht bekommen sollten.«

      Das war ein wiederkehrendes Thema beim gesamten Bibliotheksvorstand und jetzt ergab die seltsame Benefizveranstaltung auch Sinn. »Corrina, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, mache ich mir keine Sorgen um die Fördergelder. Wenn sie uns ausgehen, werden Sie sicherlich einen Weg finden, um mich zu bezahlen.«

      Sie runzelte die Stirn und deutete auf seinen Tisch. »Ich habe die Jobangebote gesehen, die Sie bekommen. Ich will nicht, dass irgendjemand Sie uns wegnimmt, nur weil wir zu schlecht bezahlen.«

      »Es ist nett von Ihnen, an mich zu denken, aber ich versichere Ihnen, dass ich nicht für Geld aus Logan weggehen werde.«

      Misstrauisch beäugte sie ihn. »Aber warum um alles in der Welt würden Sie bleiben, wenn Sie an niemanden hier gebunden sind?«

      Oh, deshalb war sie so darauf fixiert, ihn mit jemandem zusammenzubringen. Gabriel entspannte sich. »Bedenken Sie, dass auch ich aus einer Kleinstadt komme. Die Großstadt ist nichts mehr für mich und kleine Bibliotheken liegen mir sehr am Herzen. Ich mag Logan und ich mag Ihre Bibliothek. Ich brauche keinen Partner, um hier glücklich zu sein. Ich brauche generell keinen Partner, Punkt. Ich bin mit meinem Job verheiratet.«

      Er hatte diese Lüge schon so oft gesagt, dass er sie beinahe glaubte.

      »Aber Sie würden mit einem Partner hier glücklicher sein. Oder zumindest mit ein paar Freunden.«

      Gabriel zog seine emotionalen Mauern wieder hoch, bevor Corrina sie noch weiter einreißen konnte. »Die Benefizveranstaltung klingt wundervoll. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich muss noch ein paar Bücher einsortieren.«

      Den Rest des Tages behelligte sie ihn nicht weiter damit und zum Glück gingen ihre Verkupplungsversuche ebenfalls zurück. Sie hielt ihn wegen der Benefizveranstaltung auf dem Laufenden – während der nächsten Vorstandsversammlung musste er sich eine ganze Menge darüber anhören und jeden zweiten Tag kam sie mit neuen Ideen in der Bibliothek vorbei. Sie zeigte ihm das Schnittmuster des Weihnachtsmannkostüms, das eine ihrer Freundinnen nähte, was ihn für kurze Zeit nervös machte, doch glücklicherweise war das Kostüm nicht annähernd groß genug für Gabriels lange, schlaksige Beine.

      Kurz vor Halloween begann sie, ihm von dem Schlitten zu erzählen, den anscheinend ihr Sohn restaurierte, und ihre Einladungen zum Essen beinhalteten nun auch Ermunterungen, sich anzusehen, wie großartig die Fortschritte waren. Sie zeigte ihm Bilder auf ihrem Handy – augenscheinlich war er größtenteils immer noch ein Haufen Schrott, aber Gabriel konnte sich bereits jetzt vorstellen, wie er durch den Schnee glitt.

      Corrina lächelte, als er ihr das sagte. »Ich kann es kaum erwarten, bis er fertig ist.«

      »Wer wird ihn fahren?«, fragte Gabriel, der trotz allem begann, Gefallen an dem Projekt zu finden.

      »Arthur wird sich von Mr. Peterson unterrichten lassen, sobald er die Arbeit beendet hat. Gary hat Zugpferde, die man auch vor einen Schlitten spannen kann. Jetzt muss Arthur es noch lernen und wir sind startklar.« Sie tätschelte Gabriels Arm. »Ich wollte ja Sie bitten, es zu lernen, aber das hätte nicht richtig ausgesehen, nicht wahr? Wenn der Elf den Weihnachtsmann fährt?«

      Einen furchtbaren Moment lang setzte Gabriels Herzschlag aus. »Elf?«

      »Habe ich das nicht erwähnt? Sie werden den Helfer vom Weihnachtsmann spielen. Ihr Kostüm ist fast fertig – es ist so bezaubernd. Die Kinder werden es lieben. Sie lieben Sie und werden von der Vorstellung, dass Sie mit dem Weihnachtsmann befreundet sind, ganz entzückt sein.«

      Da erkannte Gabriel, wie gut er ausgetrickst worden war. Wie das alles am Ende doch eine Verkupplungsfalle war. »Ich nehme an, Arthur wird den Weihnachtsmann spielen?«

      »Natürlich. Es wird eine Herausforderung sein, seine roten Haare zu verstecken, aber das werden wir schon irgendwie hinbekommen. Frankie wird uns helfen.«

      Gabriel wusste gar nicht, wo er mit dem Protestieren anfangen sollte. Er wusste nur, dass er sich aus der Affäre ziehen musste, und zwar jetzt. »Mrs. Anderson, ich fühle mich geschmeichelt, aber –«

      »Es wird wahrhaftig eine der bezauberndsten Veranstaltungen, die wir seit Jahren in Logan hatten. Mein Enkel ist schon so aufgeregt, dass ich ihn abends kaum ins Bett bekomme. Sie werden wie immer perfekt sein. Alle hier lieben Sie, das wissen Sie, und wir werden alle so stolz darauf sein. Ein großes Ereignis, wie man es sonst nur in der Stadt veranstalten würde. Machen Sie sich bloß keine Sorgen. Arthur ist ein guter Junge – er wird sich um alles kümmern. Alles, was Sie tun müssen, ist, am Tag der Benefizveranstaltung aufzutauchen und wie immer bezaubernd zu sein. Ich möchte, dass das Kinderheim in Pine Valley auch daran teilnimmt. Vielleicht können wir eine besondere Geschenkelieferung vom Weihnachtsmann organisieren.«

      Du lieber Himmel, das hier war die unabwendbarste aller Katastrophen. Sie hatte so lange gebraucht, um ihre Falle aufzubauen, hatte so viele Köder ausgelegt, dass Gabriel gar nicht in der Lage war, Nein zu sagen, und dass er keine Geschenke mit ihrem Sohn ausliefern wollte, weil er Arthur Anderson für einen rüpelhaften, ungebildeten Ochsen hielt. Und trotzdem konnte er das nicht tun. »Mrs. Anderson, ich kann wirklich nicht –«

      Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Du meine Güte. Schon halb zehn? Becky hat gerade erst einen neuen Job angefangen und der gute Big Tom ist bei der Morgenroutine keine große Hilfe. Bei der Vorlesestunde am Nachmittag werde ich mit ihnen zusammen vorbeischauen und dann können wir weiterreden.«

      Gabriel sah zu, wie sie ging. Er war hin und her gerissen, ob er ihr nachrennen und um Gnade flehen oder ob er sich in seinem Büro einschließen und den Kopf zwischen die Beine stecken sollte. Das war schlimmer als die Kuppelei. Er sollte für die ganze Stadt ein fröhliches Feiertagsgesicht aufsetzen und zu einer Gala gezwungen werden, auf der er wie üblich an der Wand stehen und anderen Familien und Paaren beim Spielen und Glücklichsein zuschauen würde, während er allein bleiben würde. Er musste einen Weg aus der ganzen Sache raus finden.

      Vielleicht musst du das gar nicht, tröstete er sich. Vielleicht wird Arthur ja das Protestieren für dich übernehmen. Was tatsächlich das wahrscheinlichste Szenario war. Denn das Einzige, was noch unvorstellbarer war, als dass Gabriel mit Arthur Anderson ausgehen würde, war, dass diese